[Sonntags-Interview] Michael Mingers (Ulisses)

Das Sonntags-Interview kommt heute mal pünktlich am Montag, da wir gestern länger unterwegs waren als geplant. Dieses Mal habe ich Michael Mingers erwischt – seines Zeichens „stellvertretender Verlags-Dingenskirchen“ bei Ulisses!

1. Michael – schildere doch mal bitte kurz deinen Weg ins Rollenspiel.
Ich bin Anfang der 1990 herum zum Rollenspiel gekommen, fast unmittelbar nach meiner Ankunft am Gymnasium. Der neue Klassenkamerad, neben den ich zu Sitzen kam, erzählte von Battle Trolls, NES-Spielen und anderem heißem Scheiß, den wir damals eben so hatten. Und irgendwann erzählte er dann auch von diesem Rollenspiel, das sein älterer Cousin mit ihm spielen würde. Ich war völlig fasziniert davon und in meinem Kopf spielten sich nur Szenen von Game Boy Rollenspielen ab. Davon hatte ich in den damaligen Videospielzeitschriften gelesen, PnP-Rollenspiel war mir völlig fremd.
Dann legten wir los und eroberten zu zweit mit der DSA-Basisbox Gareth und Umgebung. Und zwar wirklich, wir haben Dörfer eingenommen und dortige Herrscher gemeuchelt oder alle Wachen erschlagen. So stellten wir uns damals vor, dass man die Kontrolle übernimmt.
Mein Waldelf Romualdo (Name aus der Fernsehserie Fantaghiro übernommen) kämpfte aber auch effektiv mit Kettenhemd und Ochsenherde (höchster Schaden!) und beschwor auch mal gerne ein Skelett zur Unterstützung. Aber wir hatten dann später auch Lichtschwerter, F-Zero-Flitzer und Cyberware, einfach weil wir alles übernommen haben, was wir damals cool fanden.
Es war total wildes Gonzo-Rollenspiel, dass ich auch später wieder sehr schätzen gelernt habe.
2. Hört sich wirklich wild an. Genau so muss Rollenspiel sein. Wie verlief den der Weg von diesen „wüsten Tagen“ in die Industrie?
Nachdem wir dann viele Jahre am Gymnasium und im Freundeskreis zockten, lernte ich dann irgendwann über dieses Internet den Herrn Michalski von der DORP kennen. Das erweiterte meinen Bekanntenkreis in die Eifel und ich lernte doch neue Rollenspieler und Spielarten kennen. Ich stieg bei den Nasen auf der DORP ein und wurde Rezensent für den ganzen Kram, den die Magus-Stimmungsspieler da unten doof fanden, also vor allem d20-Material. Irgendwann nachdem ich die GamerZero-Videos von WotC gesehen hatte, wollte ich dann so etwas auch in Deutschland machen. Weniger ein journalistisches Format, sondern eine Möglichkeit für Rollenspielschaffende, auf Cons ihre Nase in die Kamera zu halten und von ihren Produkten zu erzählen. Damit auch Leute zu Hause mal die Leute hinter den Büchern sehen und hören konnten. Das hat mir über die Jahre einige Kontakte eingebracht und als ich dann 2012 die Stellenausschreibung bei Ulisses für einen Redakteur sah, habe ich mich formell beworben, wurde eingeladen und bekam nach einem Einstellungsgespräch den Job. Ich denke mal, dass meine vorherige Arbeit als Fan in der Szene, mein breit angelegtes Wissen über verschiedenste Systeme, aber auch mein Studium der Geisteswissenschaften und Praktika in Redaktionen da auch geholfen haben.
Oh, und dass ich DSA4 nicht mochte, denn man suchte gezielt auch nach jemandem, der die DSAler in Ruhe lässt und sich um die anderen Reihen bei Ulisses kümmert, zu dieser Zeit also vor allem BattleTech und Pathfinder.

3. „DORP“ ist ein gutes Stichwort. Sorry, aber ich muss einfach auch auf deine Eifel-Hollywood-Karriere zu sprechen kommen: Erzähl doch mal den Lesern irgendwas über deine Rolle als Xoro, was selbst ich nicht weiß.
Das ist bei dir als ausgewiesener Fachmann und Fan natürlich nicht leicht. Als die DORP-Kollegen meinten, dass sie einen Barbarenfilm drehen wollten und ich die Hauptrolle übernehmen sollte, sagte ich in der urigen Annahme zu, dass die das ja eh nicht durchziehen. Haben sie aber durchgezogen. Also gab es es ein paar Jahre später einen sehr, sehr trashigen No-Budget-Barbarenfilm, dessen Name auf Michalskis schrottigem DVD-Player beruhte. Den gab es in aller pixeligen 4:3 Herrlichkeit auf DVD samt Making-of und inzwischen auch auf Youtube. Wer also mal sehen möchte, wie ich mit Indianermädchenperücke, zehn Jahre leichter und 30 Kilo jünger aussehe, der kann da einen Blick riskieren.
Die halbe Stunde gibt euch aber niemals jemand wieder. Umso erstaunlicher, dass es 2016 mit Hilde und den Glocken der Amazonen sogar ein Spinoff-Prequel geben wird. Und irgendwann vielleicht ein Xoro 2 …
4. Okay, die Indianermädchenperücke lasse ich mal als neue Info durchgehen. Beschreibe doch mal bitte etwas genauer, was du bei der DORP so getrieben hast, wenn du nicht gerade mit einem Schwert in der Hand durch die Eifel gerannt bist, um dich dabei filmen zu lassen?
Ich habe vor allem sehr viel rezensiert. Hunderte von Buchbesprechungen auf der DORP sind von mir, vorrangig aus dem Bereichen d20 und D&D, aber auch BattleTech-Romane und mal was Abwegiges. Ein paar Downloads habe ich auch beigesteuert oder mitgeschrieben, etwa die Kastanienmännchenverschwörung als Abenteuer für die 1W6 Freunde, ein Abenteuer für Arcane Codex in der Region, in der ich auch das Quellenbuch für den Verlag schreiben durfte oder auch Stranded. Das ist ein Mini-Rollenspiel voller Zufallstabellen mit dem ich vor allem meine Abneigung gegen die Verarsche bei Lost zum Ausdruck bringen wollte. Es ist aber vermutlich eines der Spiele aus unserem Portfolio, dass man eher lesen statt spielen sollte …
Als ich dann mit DORP-TV vor der Kamera und als Redaktion (und Ralf Murk hinter der Kamera und am Schnittrechner) aktiv wurde, rückte ich dann auch mehr ins „Zentrum der Aufmerksamkeit“, obwohl der Kollege Michalski eigentlich die meisten Sachen schrieb und erledigte.
Als ich dann gen Waldems auszog, um den Leuten vom großen U zu dienen, konnte ich aber weder anderen Verlagen kritische Fragen im Interview unter die Nase reiben, noch Rezensionen zu Produkten schreiben. Das hätten dann zu viel Geschmäckle gehabt denke ich. Tom, Markus und Janine übernahmen DORP-TV und ich brachte irgendwann Thomas dazu, dass wir einen Podcast aufnehmen, um wieder mehr Inhalte auf die DORP zu bekommen. Und seit fast drei Jahren nehmen wir nun via skype den DORPcast auf, wo wir über Rollenspiel, Medien, Cons, usw. sprechen und das ins Netz stellen.

5. Jau, den DORP-Cast wie auch DORP-TV kann ich auch nur jedem wärmstens ans Herz legen. Und dass du mittlerweile bei Ulisses gelandet bist, sollte auch mittlerweile jeder mitbekommen haben? Aber wie wird man innerhalb so kurzer Zeit vom Showpraktikanten, der nicht mal an DSA ran darf zum stellvertretenden Verlagsdingenskirchen? War da Sex im Spiel?
Würde man mit Sex weiterkommen, dürfte ich vermutlich heute noch BattleTech-Datenbögen von Hand einzeln eindeutschen. Ich hoffe mal, dass ich durch Einsatz und Kompetenz überzeugen konnte und deswegen heute eine höhere Position in der Firma habe, als noch drei Jahre zuvor. Es hat sicher auch geholfen, eben nicht bei DSA eingebunden zu sein, da wir uns immer breiter aufgestellt haben und ich längere Zeit alles betreut habe, was eben nicht DSA war. Das ist insgesamt eine Menge Arbeit und auch nicht immer Spaß, aber ich gehe in dem Job auf und es klappt mehr als schief geht. Allerdings steht bei unserer Branche bei allem was schief geht, dann jahrelang bei Leuten im Schrank …
6. Du hast ja in den letzten 3 Jahren ordentlich Kram über deinen Schreibtisch gehen sehen, gibt es irgendetwas, worauf du ganz besonders stolz bist?
Als negativer Mensch sehe ich leider immer vor allem die Produkte, die nicht gut funktioniert haben. Besonders stolz bin ich nicht mehr unbedingt auf einzelne Produkte, sondern darauf, dass wir es trotz immer wieder auftauchender Rückschläge geschafft haben, den Produktausstoß und auch die Qualität der Produkte zu vergrößern, die wir in den deutschen Rollenspielmarkt bringen können. 2016 wird da, auch dank des Crowdfundings noch eine ganze Menge Kram veröffentlicht werden, der den dt. Markt sicher bereichern wird. Und über dieses Medium kann ich dann auch Reihen realisieren lassen, die ich unbedingt im Markt sehen will, die es auf üblichem Weg aber schwerer haben dürften.
7. Denkst du da an bestimmte Reihen und kannst du schon irgendetwas dazu verraten?
 Ja und nein.
8. Hosen runter!
Die Kobolde König Torgs (Preiset König Torg!) sind ja schon dabei unsere Facebook-Seite nach und nach zu übernehmen, da wird es Anfang 2016 dann etwas zu geben. Danach versuchen wir noch Königreiche voller Mayonnaise für den deutschen Markt zu erschließen, vergessene Planeten eines zertrümmerten Imperiums wiederzuentdecken, unsere Welt auf verschiedene Arten zu vernichten und Dämonen auf eine barocke Welt zu entlassen.
Plus zahlreiche andere Sachen, Spiele, Bücher und Reihen … 2016 wird sehr spannend, auch international.
9. Na geht doch! Du bist zwar der Ulisses-Nicht-DSA-Typ, aber hast du mal irgendwie in den Redaktionshallen etwas dazu vernommen, was man sich vom englischsprachigen „The Dark Eye“ verspricht? Ich finde das persönlich ja äußerst cool, prognostiziere aber ein brutales Marktdebakel… 
Ich bin ja nicht mehr der Non-DSA-Typ. Gerade bei den ersten Produkten zu DSA5 war ich da noch tief drin und habe viel Layout übernehmen müssen. Und da ich inzwischen stellvertretender Verlagsleiter bin, kümmere ich mich zwar nicht um die Inhalte bei DSA, muss aber dennoch die Produkte auf den Weg bringen.
Bei The Dark Eye haben wir ja ein amerikanisches Studio, das die Reihe betreut und mit Paizo einen enorm starken Partner für den Vertrieb. Selbst wenn TDE im englischsprachigen Markt nur eine Nische bleibt, dann heißt Nische bei denen das, was bei uns in Deutschland in Zahlen eine äußerst stabile Reihe wäre. Und da wir den Kram ja eh erstellen, ist die Übersetzung dann nicht mehr so aufwändig. So viel Geld in ein Produkt zu stecken und es dann nur auf Deutsch zu veröffentlichen wäre eher eine Sackgasse, daher müssen wir international tätig werden. Und mit dem Feedback, das wir von den Kunden direkt auf der Gencon dieses Jahr bekommen haben, sollte da doch einiges gehen. Und es wird ja auch eine französische Fassung geben, die allerdings von den Kollegen von BlackBook Editions übersetzt und veröffentlicht werden wird. Und wenn man sich das Feedback bei denen alleine zur Ankündigung anschaut, rechne ich bei deren Fassung auch nicht mit einer Nische.
Mal ganz davon abgesehen, dass wir Anfragen oder bereits Umsetzungen von russischen, niederländischen und italienischen Fans haben, die den Schnellstarter übersetzen und sogar layouten. Hexenreigen als kostenloses Einsteigerabenteuer ebenfalls. Interesse ist auf jeden Fall da.
10. Okay. Das würde mich natürlich freuen. Danke schonmal für deine Zeit. Gibt es noch etwas, was du dem deutschsprachigen Rollemspielvolk in den Gehörgang tätowieren möchtest?
Versucht besser Leute für etwas das ihr mögt zu begeistern, als Leuten, die etwas anderes mögen als ihr, davon zu überzeugen das sie falsch liegen. 

[Rezension] Der Vampir von Havena (Das Schwarze Auge)

Die Jungs und Mädels von Ulisses waren mehr als willens und bereit, mir ein PDF des neuen Solo-Abenteuers vorbeizujagen – und – nachdem ich kurz rumgejammert habe hat mir Michael Mingers sogar noch in einer Nacht- und Nebelaktion die Nummern gehyperlinked. Vielen Dank dafür!!! Okay, ich musste mir zusätzlich noch das Print-Buch kaufen – nur mit einem PDF komme ich als alter Mann irgendwie nicht zurecht.
Das Cover – (Co) Ulisses Spiele
Produkt: Der Vampir von Havena
System: DSA
Autor: Sebastian Thurau
Verlag: Ulisses Spiele
Aufmachung: Softcover, 64 Seiten (mir lag ein PDF vor)
Erscheinungsjahr: 2015
Preis: 14,95 Euro
ISBN: 978-3-95752-231-3
Gestaltung
Nimmt man das gedruckte Buch zur Hand, fällt einem zuerst einmal ein
cooler Glanz-Effekt auf, der auf dem Umschlag wichtige Elemente glänzend
und leicht erhöht darstellt. Das sieht gut aus und fühlt sich
interessant an. DSA versucht ja irgendwie mit der 5. Edition „erwachsener“ und moderner zu werden, aber ich kann das nicht unbedingt erkennen. Allerdings wird hier wirklich gute Arbeit geleistet. Die Illus sind schön und das Layout ist klar und aufgeräumt – vor allem sind wichtige Dinge in Boxen abgedruckt und vom Fließtext gut zu unterscheiden. Direkt auf der ersten Text-Seite findet sich eine wichtige Box mit einigen wichtigen Abschnitten, die zum Erlernen des Spiels wichtig sind.
Gute Arbeit!
Inhalt
Sehr nette Idee – noch bevor es losgeht, verbeugt sich der Autor vor dem „kürzlich“ verstorbenen Ugurcan Yüce und es gibt ein kleines Cover-Gewinnspiel, bei dem man ein Abendessen mit Sebastian gewinnen kann – leider habe ich die Nuss nicht bis zum Dreieicher Rollenspieltreffen lösen können – naja, dann kommt halt jemand anders in den Genuss.
Direkt zu Beginn habe ich mich mal selber verarscht, denn das Abenteuer beginnt mit dem Abschnitt „Außer Atem“. Nachdem ich mit dem durch war, habe ich direkt Abschnitt 1 weitergelesen und mich total gewundert, was da los ist und woher ich da einige Sachen wissen soll? Was will der bescheuerte Autor von mir??? Wenig später habe ich dann festgestellt, dass ich vom einleitenden Abschnitt direkt zu Abschnitt 65 hätte gehen sollen. So wird doch gleich ein Schuh draus!
Die Ausgangssituation ist, dass wir ein kleiner schmieriger Dieb sind, der durch die Gassen von Havena gehetzt wird und im Anschluss haarsträubende Abenteuer in den Gassen der Hafenstadt erlebt. Und ganz ehrlich – der Star dieses Abenteuers ist nicht der von uns gelenkte Carolan, sondern die Stadt Havena. Wer ein gutes Gefühl für diese aventurische Metropole bekommen möchte, sollte unbedingt versuchen, den Vampir von Havena zur Strecke zu bringen.
Abschließend gibt es noch unseren Helden, Carolan Caravanti, in Wort und Bild sowie eine eine anderthalbseitige Zusammenfassung zur Stadt Havena. Der Held ist wohl zwingend notwendig, die Havena-Infos sind eine prima Dreingabe für DSA-Neulinge – woher sollten sie sonst beispielsweise vom havena’schen Magieverbot wissen…

Das Abenteuer ist regeltechnisch ziemlich idiotensicher (auch wenn ich einmal für die notwendige Regelbox auf die nächste Seite blättern musste, da hätte ein Verweis nicht geschadet) und wirklich absolut solide.

Die 222 Abschnitte sind gut geschrieben, einzig und alleine teilweise etwas zu lang für meinen Geschmack. Ich stehe mehr drauf, wenn ich in einem Abenteuer-Spielbuch Entscheidung auf Entscheidung treffen kann – aber ich denke im DSA-Solo-Abenteuer-Kontext ist die Länge der Abschnitte schon okay. 

ACHTUNG: Das PDF wurde mittlerweile deutlich aufgewertet und die einzelnen Abschnitte sind per Hyperlink direkt zu erreichen. Eine große Hilfe beim Spielen auf dem Tablet oder Mobil-Telefon!

Fazit
Gut geschrieben, die notwendigen Regeln werden gut eingeführt, die Farb-Illus passen ausgezeichnet ins Konzept und die Geschichte entwickelt sich langsam aber stetig. So darf DSA 5 gerne weitergehen. Wie immer bei Thurau-Solos wird mechanisch einiges geboten, aber es wird nie zum Selbstzweck erhoben, sondern die Mechanismen greifen sinnvoll ins Spiel ein.
Bewertung
4 von 5 nichtglitzernde Vampire

[Rezension] Myranor – Legatin des Bösen

Vor drei Tagen landete bei mir ein gigantisches Rezi-Paket mit allen 8 Uhrwerk-Neuheiten zur SPIEL 2015 – ich habe mir zuerst mal das Solo-Abenteuer der China-Heimkehrer Nico und Mhaire zur Brust genommen, ein Solo-Abenteuer hat man ja mit zwei oder drei Testrunden recht flott getestet.


Das Cover – (Co) Uhrwerk Verlag

Produkt: Legatin des Bösen
System: DSA 4.1 – Myranor
Autoren: Nico Mendrek & Mhaire Stritter
Verlag: Uhrwerk
Aufmachung: Taschenbuch, s/w, 88 Seiten
Erscheinungsjahr: Oktober 2015
Preis: 12,95€
ISBN: Verlags-HP

Gestaltung
Schickes Cover von… … nachschlag … … Wayne England. Sagt mir nix der Gute, aber die Illu ist so souverän, dass Uhrwerk den gerne weiter beschäftigen dürfen. Die Innen-Illus schwanken zwischen „okay“ und „sehr schick“ – vor allem dem Menschen, der das Teil auf Seite 35 zu Papier gebracht hat, muss ich brutal auf die Füße treten. Das ist ein Stil, der mir persönlich gar nicht gefällt, obwohl ich das Bemühen erkennen kann, eine graeco-romanische Tradition zu treffen, die eigentlich ganz ausgezeichnet zu Myranor passt, aber sorry, das ist nicht so meins. Fast ebenso krude, aber von einem gewissen Old-School-Charme ist die Zeichnung auf Seite 49. Die könnte so auch im AD&D-Abenteuer „Der Kult des Reptiliengottes“ stehen. Daumen rauf. Das Layout ist sehr aufgeräumt mit den myranortypischen Verschwurbelungen und ich habe nur zwei kleine Tippfehler gefunden, also alles in bester Ordnung.

Inhalt
Tja, wer hier ein klassisches „ich-laufe-mit-meinem-Streunder-durch-Havena“-Soloabenteuer erwartet hat, hat bei dem Titel wohl in der Kaba-Dose geschlafen. Hier wird ganz große Politik gemacht und wir versetzen uns in die (zuerst recht transzendente) Haut der nach Myranor ausgewanderten DSA-Bösewichtin Pardona. In vier Teilen müssen wir dem Tempel von Kalireth zeigen, wo der Schurken-Hammer hängt und dabei möglichst gut vor unseren noch böseren Chefs rüberkommen, um den uns rechtmäßig zustehenden Platz in unserer Festung belegen zu können.
Auf dem Weg dorthin gilt es so manche wichtige Entscheidung zu treffen und – sehr untypisch – keinen einzigen Würfel zu würfeln. Als einziges Element, das einer „Spielmechanik“ auch nur annähernd nahe kommt, kann man einige Kreuzchen auf zwei charakterbogenähnlichen Seiten machen, um Entscheidungen und Spielfortschritt zu dokumentieren. Clever gemacht für ein Abenteuer, in dem man eine so mächtige Wesenheit spielt, aber ihr kennt mich ja, ein paar kleine Regelchen habe ich dann doch ganz gerne…

Wenn man schon kaum etwas zum Regelsystem sagen kann, so möchte ich doch noch festhalten, dass die Geschichte wirklich fesselnd ist (wobei ich den umfangreichen zweiten Teil am ermüdendsten fand, da man in immer anderer Person und mit anderen Begleitern dieselben Orte besuchen musste. Das klingt als Idee ganz pfiffig, liest sich aber etwas träge. Ansonsten war ich zu jedem Zeitpunkt gut unterhalten und der Versuchm zu zeigen, wie ein so mächtiges Wesen auf dem Weg auf seinen Thron in Kontakt mit Menschen kommt und immer mehr beginnt, sie zu verstehen, auch wenn dieses Verständnis noch sao gering sein mag.
Auch die Schreibe ist wirklich gut und vom Register her der Situation und den Personen angemessen.

Fazit
Sehr abgefahrenes und komplett regelfreies Solo-Abenteuer, das völlig adere Wege geht, aber so kenne ich die beiden Autoren – da geht Geschichte einfach mal meilenweit vor allem und die Hauptsache ist, dass eine schöne Geschichte erzählt wird. Das gelingt auch wirklich ganz ausgezeichnet, ich persönlich bin aber so simpel gestrickt, dass ich unbedingt ein paar Mal würfeln muss, oder zumindest mit einer Bleistiftspitze auf ein Zahlenraster tippen.
Seid ihr auf der Suche nach einem thematisch ungewöhnlichen Solo-Abenteuer oder mögt ihr Spielbücher und habt nicht unbedingt etwas für die Regeln von DSA übrig, dann solltet ihr hier zuschlagen.

Absolut positiv muss man also bewerten, dass auch die nicht-DSA-affinen Seifenkistenleser mit einer Liebe zu Abenteuer-Spielbüchern sich das Ding mal schnappen können – ein schöner Herbstnachmittag vor dem offenen Kamin ist damit ganz sicher garantiert.

Bewertung
4 von 5 durchgeknallte Pseudogöttinnen

[Rezension] Road to Essen – Tag 7 – Orkensturm

Ulisses ist ja derzeit wieder recht rührig, was Brett- und Kartenspiele angeht. In diesem Fall hat man ein schon bestehendes Spiel (Richard I) etwas umgemodelt und ein DSA-Abenteuer daraus gebastelt, das während des Orkensturms spielt.
Das Cover – (Co) Ulisses Spiele

Name: Orkensturm
Verlag: Ulisses
Autor: Andrea Chiarvesio
Übersetzer: Kai Großkordt, Eevie Demirtel
EAN: 4260091156376
Preis: 32,95€
Link: F-Shop
Alter: 14+
Spieler: 3-8
Dauer: 90 Minuten
Genre: Kooperativ, Bündnisse, klassische Fantasy
BGG-Ranking: noch keins
Aufmachung
Ein wirklich schönes und – mit etwas Übung – auch übersichtliches Spielbrett. Insgesamt gefällt mir das Spiel vom Aussehen her ganz gut. Hat etwas vom neuen DSA-Zeichenstil, den ich ja noch hotzenplotziger finde, als er in den 80ern/90ern unter Yüce und Konsorten schon war. man könnte ihn glatt als „realistische Hotzenplotzigkeit“ bezeichnen. Die Karten sind schmucklos, aber zweckmäßig und die Holzpöppel sind Carcassonne-Pöppel von der Stange – da wäre ganz sicher noch mehr gegangen (ja, ja – ich weiß – Produktionskosten…).
Insgesamt also ein absolut wertiges und gut aussehendes Spiel mit durchdachten Komponenten – lediglich die Anleitung hätte ich persönlich mir noch etwas „ausschweifender“ und mit mehr Beispielen gewünscht. Da wäre didaktisch noch etwas rauszukitzeln gewesen, auch wenn das echt Meckern auf hohem Niveau ist, denn man kapiert alles problemlos und die kleine Box „Bedeutung der Kartenfarben“ habe ich zu spät gefunden, bin es also selber schuld, dass ich da kurz bei der ersten Partie rumgeflucht habe.

Sehr gut gemacht sind die grauen Optional-Boxen, die deutlich sichtbar angeben, mit welchen Elementen man das Spiel zusätzlich bereichern kann.

Also alles im Soll – auf zum Orkensturm!!!

Das Spiel
Schon beim Betrachten der Komponenten hat man festgestellt, dass man es nicht mit einem taktischen Strategiekracher zu tun hat, wie man bei dem Thema fast vermuten konnte, denn es gibt kein riesiges Hex-Spielfeld und auch keinen einzigen Würfel in der Schachtel.
Vielmehr haben wir es mit einem sozialen Wettbewerb zu tun, in dem sich zwei Fraktionen gegenüberstehen, wobei man auch innerhalb der Gruppierungen seine eigene Agenda verfolgt und sich um seine eigene Machtbasis kümmern muss.

Sehr witzig finde ich etwas, was man sonst bei anderen Brettspielen nicht in dem Maße hat (obwohl es das vor zwei Tagen vorgestellte „Winter der Toten auch bietet) – und zwar gibt es für jeden der möglichen Ausgänge des Spiels einen kleinen Vorlesetext, der kurz beschreibt, wie sich das auf die aventurische Geschichte auswirkt. Da kann man wohl aus seiner Rollenspielhaut nicht ganz raus.

Aber was tut man überhaupt im Spiel?

In Phase 1 platziert man seinen Pöppel auf einem Charakter, den man beeinflussen möchte – sprich: Man wählt die Aktion aus, die man in diesem Zug durchführen möchte. Zur Verfügung stehen: Regent, Ritter, Kaufherr, Magierin, Steuereinreiberin, Inquisitor, Spion und Aventurischer Bote, letzterer steht nur im Spiel mit 6 oder mehr Spielern zur Verfügung.

Phase 2 befasst sich mit den Auswirkungen der Beeinflussungen. Hier gibt man an, welche der beiden Aktionen des jeweils gewählten Charakters man ausführen möchte. Hier generiert man Ressourcen oder fährt den anderen Spielern mit einer Steuereintreibung oder einer Tjoste an den Karren, man kann hier auch (beispielsweise mit dem Inquisitor) schon „AP“ generieren – die in Orkensturm entscheidenden Siegpunkte.

Anschließend legt jeder Spieler 2 seiner Handkarten in den Orkensturmstapel. In dieser 3. Phase muss man bedienen, denn für jede Karte, die man nicht in den Stapel legen kann, muss man mit 1 AP „bezahlen“. Also Achtung – man sollte möglichst genügend sinnvolle Karten auf der Kralle haben…

In der abschließenden 4. Phase wird der Ausgang des Orkensturms ermittelt. Es werden aus dem gemischten Kartenstapel immer so viele Karten ausgelegt, wie es der doppelten Anzahl der Spieler entspricht. Man beachte – der „gemischte“ Kartenstapel. Man weiß also nie, wer genau was gelegt hat. Bündnisse können hier äußerst trügerisch sein.
In dieser Auswertung gibt es 3 Kartenpaare, die die Handlung beeinflussen.
So gibt es rote und grüne Karten, die die Truppen der Orks und des Mittelreichs darstellen. Was hier das Resultat des Kartenvergleichs bedeutet, sollte jedem klar sein – entweder Brin oder die Orks haben die Schlacht gewonnen, der Verlierer wird auf dem Schlachtfeld so weit zurückgesetzt, wie der Unterschied in der Anzahl der Karten war.
Lila und blaue Karten geben Zeit und Handel an und sie verzögern oder beschleunigen Brins Rückkehr.
Weiße und gelbe Karten stehen für Bündnisse und Vermögen, ihre Differenz gibt an, ob sich die Schatzkammer füllt oder leert.

Unter vier Bedingungen endet das Spiel: Entweder die Truppen der Orks werden auf 0 reduziert oder aber die des Mittelreichs. Die Zeitleiste landet bei 0 oder die Kaiserliche Schatzkammer erreicht 0. Zu den genauen Auswirkungen will ich hier nichts schreiben, das könnt ihr selber im Regelwerk nachlesen, wenn ihr euch das Spiel in Essen in die Hamsterbacken gestopft habt.

Nach der Auswertung wird der Zeitmarker eine Position in Richtung 0 verschoben, Brins Ankunft rückt näher. Die soeben gezogenen Karten kehren in die Reserve zurück, der nächste Spieler wird Startspieler und eine neue Runde beginnt…

Fazit
A oder B? Answin oder Brin? Und wie wird einer der beiden an die Macht kommen? Welcher der Spieler kann seine ambitionierten Pläne durchsetzen und setzt gleichzeitig auf’s richtige Pferd. Das Spiel hat und bisher überraschend viel Spaß gemacht und weist immer wieder neue Möglichkeiten auf, das Spiel und seien Mitspieler zu manipulieren. Wirklich interessante Variante des semikooperativen Spielens. Da hat Ulisses ein gutes Näschen für das erste DSA-Brettspiel seit Jahren gehabt.
Bewertung
4 von 5 DSA-Ikonen
SPIEL-Empfehlung

Unbedingt kaufen, wenn du auf DSA-Geschichte und Spiele mit Fantasy-Thematik stehst, bei denen zwei Parteien kooperativ gegeneinander spielen

SK Podcast!

Es gibt eine neue Sonderkommission in town! Nach SK Babies mit dem großen Charakterdarsteller Fabian Harloff und SK Kölsch gibt es nun den SK Podcast! Okay, ich denke die Assoziation hatten die Macher des ESKAPODCAST nicht, aber ich würde mich freuen, wenn wir hier ein „investigatives“ neues Gesicht in der Podcast-Szene empfangen dürften…
Immerhin 4 Folgen haben die Frischlinge schon in kürzester Zeit ins Netz geballert und – was soll ich sagen – sie sind alle absolut hörenswert. Gastgeber und Conférencier Martin schnappt sich (leicht) wechselnde Gäste und schickt sich an, den deutschen Rollenspielpodcast-Olymp zu erklettern. Das geschieht mit viel Verve und (Selbst-)Ironie und ist zu jedem Zeitpunkt unterhaltsam. Auch sind für die Zukunft Stargäste angekündigt. Zum Star fehlt es bei mir zwar etwas, aber es könnte glatt sein, dass ich da auch mal in Zukunft mein liebliches Stimmchen erklingen lassen werde.
Nun haben sie sich von vier Folgen mal nach einer Einführungsfolge direkt mal drei Themen geschnappe, die mich persönlich auch umtreiben und wo ich recht klare Positionen beziehe, die von denen des Teams doch zumeist meilenweit entfernt sind: Dungeons, Spielercharaktere und Dungeonslayers.
Bei Martin weiß man ja, dass er sehr stark DSA-geprägt ist, aber auch die restliche Truppe ist da doch sehr „gutesrollenspielig“ unterwegs. Nicht nur entfleucht doch das eine odere andere „Meister“ zu viel, wodurch man durchscheinen lässt, wo die Grundlagen herkommen, auch geht es echt so weit, die Aussage rauszuballern, dass das Spielen in Dungeons doch irgendwie „schlechteres Rollenspiel“ sei, was nicht nur unwidersprochen bleibt, sondern der Reihe nach vom ganzen Cast abgenickt. Sorry, Mädels, aber das geht im Jahr 2015 so eigentlich nicht mehr. Selbst ich weiß, dass Charakterbarbiespiel und seitenlange schwülstige Hintergrundgeschichten, die wissenschaftlich erwiesen kacklangweilig sind, genau so zum Hobby Rollenspiel gehören, wie ein amtlich-mänllicher Dungeoncrawl.
Schnuffis, das ganze Spektrum zwischen „ich kaufe fünf Stunden lang in einer Hinterhofschmiede in Lowangen ein, weil der Schmied so ein netter Typ ist“ bis hin zu „ich mach ihn tot, den Scheiß-Ork, ist unbestrittenermaßen „ROLLENSPIEL“! Ob ihr also Lee Strasberg-mäßig euren Charakter in bestem Mittelaltersprech am Hofe zu Gareth darstellt und euch Gedanken um die richtige Stellung der Federn auf seinem Hut macht, oder ob euch der Hut scheißegal ist und ihr einfach nur hofft, dass euch der Troll nicht so fest auf die Omme schlägt, dass Blut spritzt, ist komplett egal. All das ist „gutes Rollenspiel“. (Ich mache mich ja über euren Quatsch auch nicht lustig und spreche ihm das „Rollenspiel erster Klasse“ ab.) 😉
Zu einigen der in den Folgen besprochenen Punkte kann ich sogar direkt Seifenkisten-Artikel bereit stellen:
Dungeons:
Charaktere:
Also runterladen die Teile und ab in die Ohren damit.

[Rezension] Finsterland – Dracolith

Herrje, dieses gute Stück liegt schon viel zu lang auf meinem Rezi-Stapel und ich werde auch in absehbarer Zeit leider nicht dazu kommen, es mal leiten zu können. Daher habe ich es mir an den beiden vergangenen Abenden mal konzentriert zu Gemüte geführt und kann so das neueste Werk aus den Finsterland-Studios ausreichend qualifiziert beschreiben.
Was man vielleicht noch erwähnen sollte, ist, dass es sich bei dieser Kampagne nicht um Textmaterial der Kernbelegschaft handelt, sondern, dass sie von einem Fan der ersten Stunde geschrieben wurde, dessen Material die Macher so begeistert haben, dass sie die Kampagne in Printform rausgebracht haben.
Cover (Co) Finsterland
Produkt: Dracolith
Autor: Markus von Leon
System: Finsterland
Verlag: Selbstverlag
Aufmachung: A4-Softcover, 72 Seiten
Erscheinungsjahr: 2015
Preis: 17 Euro
ISBN: 978-3-9503270-8-3
Gestaltung
Wie vom sympathischen österreichischen Projekt gewohnt haben Illustrationen und Layout einen leicht amateurhaften (im besten Sinne) Touch, während die Texte die meisten Profi-Produkte in den Schatten stellen, da hier zum einen diese für uns Deutsche ungewöhnliche leicht „träge“ Sprache, die aber gerade dadurch perfekt zur Hintergrundwelt passt, verwendet wird, als auch stakres Augenmerk auf ein Korrektorat gelegt wird, wodurch man nicht durch unnötige Fehler ins Stolpern gerät.
Alles sieht aus und liest sich wie aus einem Guss und das ist wirklich für ein „Liebhaberprojekt“ ein großes Lob und gerade die Cover-Illustration hat in meiner persönlichen Finsterland-Hitparade die Nase ganz vorne. Die Illu ist echt Klasse – daher habe ich sie mal im Artikel mittelgroß dargestellt, nicht klein, wie sonst in meinen Besprechungen üblich!
Inhalt
In drei Kapiteln (Gaspardis Angebot, Staub und Vergangenheit, Ritualleuchten) mit je 5 Szenen stellen sich die Helden einer Sekte entgegen, die irgendwelche finsteren Pläne mit den Finsterländer Drachen, Wesen uralter Legenden, haben.
Ausgezeichnet gefällt mir die erste Seite des eigentlichen Abenteuers, denn hier bekommt der potentielle Spielleiter einen guten Überblick. Okay, ich habe hier also drei Abenteuer vorliegen, die je Stoff für 1-6 Spielstunden bieten – außerdem wird genau darauf hingeweisen welche Abenteuer aus den vorhergehenden Regelwerken vorher und nachher gespielt werden müssen, damit die Hintergrundgeschichte konsistent bleibt. Auch der Inhalt der Abenteuer wird kurz (JAAAA! KURZ! IN je zwei Sätzen. Das ist super, ich blicke in deine Richtung, DSA!)
Auch die Intime-Verortung findet sich hier: Frühling 1544 in Alexandragrad.
Das Abenteuer lebt sehr von seiner Handlung, daher will ich die hier wirklich nur sehr kurz anreißen:
Zu Beginn geht es lediglich darum, einem Sammler ein sehr seltenes Gestein, Dracolith, zu organisieren. Dieses erweist sich als tatsächlich sehr mächtig und – natürlich – gibt es irgendjemand, der davon irgendwie profitieren will. Aber ob das im Sinne der Helden und Finsterlands ist…?
Abschließend gibt es dann noch eine kurze Settingbeschreibung des Mertinger Stadtviertels und jede Menge Handouts. Mein persönlicher Favorit sind aber die Regeln des typischen Finsterländer Kartenspiels „Skambül“. Ich liebe solche kleinen, liebevollen Details – für genau die schätze ich das gesamte Finsterland-Projekt so sehr.
Fazit
Die erste große Kampagne für Finsterland – extrem stark gelenkt (daher auch von mir nicht mit Höchsnote belohnt), aber was soll es. Man kann dem Team eigentlich gar nichts krumm nehmen und wer auf thematisch eigenständige Viktorianik aus Kontinentalperspektive steht, der muss sich ohnehin sämtliche Finsterland-Werke ins Regal stellen. Und seien wir mal ehrlich – Drachen sind immer gut!
Die Stimmung kommt hervorragend rüber, es gibt tolle Kämpfe und etliche Gelegenheiten rollenspielerisch zu glänzen. Wer sich nicht daran stört, dass neben dem Abenteuer kaum nach rechts und links geschut werden kann, und wem obige Vorteile zusagen, der kann unbesehen zugreifen!
Bewertung
3,5 von 5 Alte Drachen (in Kombination mit den Kartenspiel-Regeln 4 von 5 Watschisten)

[Rezension] Ja, Herr und Meister! (Grüne Edition)

Und wieder bin ich dazu gekommen, ein paar Sachen von meinem Rezistapel „runterzuspielen…
Vorgestern haben wir uns „Ja, Herr und Meister!“ in der grünen Edition vorgenommen – die rote teste ich demnächst, aber mehr dazu gleich.
JHuM ist ein witziges Erzählspiel mit Fantasy-Thema und das Regelheft enthält zwei Regelvarianten – einmal die freie „normale“ und dann gibt es noch eine etwas strenger reglementierte Variante „Ja, mein Gebieter!“. Diese werde ich dann mal die tage mit der roten Box ausprobieren und eine weitere kurze Besprechung schreiben.
Name: Ja, Herr und Meister! (Grüne Edition)
Autoren: Riccardo Crosa, Fabrizio Bonifacio, Massimiliano Enrico, Chiara Ferlito
Verlag: Truant, Pendragon
EAN: 3934282687
Preis: 19,95€
Link: Truant HP
Alter: 8+
Spieler: 4-16
Dauer: 20-30 min
Genre: Partyspiel, Erzählspiel
BGG Ranking: 2569 (alte Version)
Aufmachung
Der Inhalt ist schnell geschildert. Wir haben eine (liebevoll gestaltet und sehr witzig geschriebene) Anleitung und 121 Hinweiskarten, 37 Aktionskarten und 7 Karten für „Vernichtende Blicke“. Fertig.
Schon die Lektüre des Regelheftchens macht wirklich Spaß – Sätze wie: „Um so richtig in Stimmung zu kommen, spricht nichts dagegen, wenn sich der Betreffende einen langen, dunklen Mantel um die Schultern wirft…“ gibt es hier im Dutzend billiger und ich habe ein paar Mal gekichert wie ein Schulmädchen.
Die Karten sind witzig illustriert und thematisch breit gefächert, was ein ebenso unbeschwertes wie sinnfreies Fabulieren gut unterstützt. Meine Lieblingskarte bisher ist die „abenteuerlustige kleine Maus“, die direkt aus Mouseguard oder Mice & Mystics entstiegen sein könnte.
Allgemein fällt schon auf, wie sehr sich die Illustratoren und Designer bemüht haben, ihre Klischees allüberall zusammenzustehlen, um den fantasyaffinen Spieler so manch Déjà-vu-Erlebnis zu bescheren. Zwischen einem cthuluesken House on the Hill bis zum Dr. Who-mäßigen Meister der Zeit wird hier alles durch den Kakao gezogen, was das Nerdtum zu bieten hat. Das bietet natürlich den großen Vorteil, dass man schon beim Ziehen der Karten oft Ideen hat, was man zu ihnen erzählen kann und in welche Richtung man die völlig wahnsinnige Geschichte treiben will…
Das Spiel
Okay, genug von den Karten gefaselt. In JHuM geht es darum, gemeinsam eine Geschichte böser Fantasyversager zu erzählen. Eine Person am Tisch ist der Dunkle Meister Rigor Mortis, dessen Schergen mal wieder einen Auftrag vermasselt haben und von den idiotischen Mächten des Guten besiegt wurden. Nun treten sie zum Rapport an und müssen sich rechtfertigen, warum sie schon wieder nicht das Steak vom Regenbogeneinhorn dabeihaben, das sie für die Grillparty des Dunklen Meisters organisieren sollten oder weshalb dieser dämliche Ring schon wieder in einem sauheißen Vulkan gelandet ist.
Dazu besitzen sie Handkarten, sogenannte Hinweiskarten, die sie ausspielen können, um ihr Scheitern zu begründen sowie Aktionskarten, mit denen sie andere Fieslinge bezichtigen können, wodurch sie selber erstmal aus dem Schneider sind. Auch gibt es eine EInspruchkarte, mit der man in die Erzählung des gerade vor Todesangst Stammelnden eingreifen und ihn noch tiefer in die Bredouille bringen kann. Im grünen, von uns gespielten, Set gibt es noch zwei zusätzliche Aktionskarten, die einen die Karten mit einem anderen Spieler tauschen lassen, oder die einen gegnerischen Spieler dazu zwingen, seine Aktionskarten abzulegen.
Das war es eigentlich auch schon an Regeln, wobei die Hauptregel eigentlich ist: „Piss den Dunklen Meister nicht an!“. Dieser hat es nämlich in der Hand, jedes noch so geringe Vergehen, und sei es auch nur ein frecher Blick, ein zu lautes Wort oder ein verschüttetes Wasserglas mit einem „Vernichtenden Blick“ zu bestrafen. Nach drei vernichtenden Blicken hat man noch die Chance, so richtig amtlich um Gnade zu flehen, und wenn das nicht kriecherisch genug war, ist Hängen im Schacht. Du hast verloren und das Spiel ist beendet! Es kann also nicht schaden, in Vorbereitung auf das Spielerlebnis mit JHuM vor dem Spiegel ein paar professionelle Winseleien einzustudieren.
Der eigentliche Spielmechanimsus hat in meinen Augen nur eine Schwäche – und zwar kann man nicht nur durch schlechtes Erzählen oder andere Kaspereien einen Vernichtenden Blick (TM) kassieren, sondern auch, wenn man keine Karte auf der Hand hat, mit der man die Schuld auf einen anderen Gehilfen schieben kann. Das ist echt mies. Okay, wenn man ehrlich ist, kann man diesen mangelhaften Mechanismus sogar noch als Plus verkaufen, denn er unterstützt die paranoide Grundstimmung des Spiels ganz exzellent. Es gibt nichts Füchterlicheres, als beim Blick auf seine drei gezogenen Aktionskarten festzustellen, dass man jetzt schon gekniffen ist. Jetzt heißt es, die Schweißdrüsen bestmöglich unter Kontrolle zu bringen und darauf zu hoffen, dass einen die anderen möglichst lange verschonen und sich schonmal ein ganzes Bündel Vernichtender Blicke einfangen, bevor es einen erwischt…
Fazit
Geniales Erzählspiel auf dem extrem schmalen Grat zwischen Brett- und Rollenspiel. Je nachdem wie intensiv der Meister seine Rolle interpretiert, geht die Waage mehr oder weniger in Richtung Rollenspiel. Gerade die sehr knappen Regeln – und die fast schon DSA-würdige Regel „Man denke, dass der Dunkle Meister immer das letzte Wort hat – egal um was es auch gehen mag“ ist hier auch absolut sinnvoll und erhöht die Furcht unter den permanent versagenden Untergebenen.
Da gibt es nicht viel zu mäkeln. Und wie vor einigen Zeilen erwähnt, gerade langjährige DSA-Spieler, die eine gewisse Toleranz gegenüber der sprichwörtlichen „Meisterwillkür“ entwickelt haben, werden gut damit leben können, dass es eigentlich sehr wenige Regeln für ein verdammt komplexes Spiel gibt. Wer also schnell denken kann und zudem das Einschleimen bestens beherrscht, der wird hier gewaltige Erfolge feiern können und großenj Spaß daran haben, wie sich seine Mitspieler ein ums andere Mal immer tiefer reinreiten, um schlussendlich dann doch den absolut verdienten Vernichtenden Blick“ zu kassieren.

Es gibt auch noch die Option die Karten der beiden Sets zusammenzuwerfen – das habe ich noch nicht getan (da mir so etwas immer widerstrebt) – ich wollte nur auf die bestehende Möglichkeit hinweisen.

Bewertung
4,5 von 5 kriecherische Diener des Bösen

Unheil im Schwarzen Keiler … oder … DSA kann wirklich keine Dungeons!

Jetzt ist aus einer kleinen Anmerkung im DSA-Forum einer ausgewachsener Blog-Beitrag geworden und ich darf mich nochmal auf die Seifenkiste schwingen…

Ich schrieb im Bewertungs-Thread zum Abenteuer „Unheil im Schwarzen Keiler“ das hier:

Puah. Habe es jetzt dreimal geleitet und meine These “DSA kann keine Dungeons!“ steht ehern wie schon vor 30 Jahren… 
Genauere Begründung folgt.

… und der Rillenmanni nahm mich beim Wort:

 Nu Butter bei die Fische! Hüpp! Oder hast Du Dich im Dungeon verlaufen?

Darauf muss ich zuerst schonmal antworten: „Nein, leider nicht, denn in diesem Dungeon kann man sich nicht verlaufen – er ist so linear wie die ca. 14 cm lange Seite eines Geo-Dreiecks. Und das ist nur ein Problem… „

 Let’s also go…:

Ich habe es schon irgendwo mal als Kommentar geschrieben – bei Nandurion? Aber ich versuche mal mein Problem mit dem Abenteuer zusammenzufassen.

„Es hat keine Eier!“

Das ursprüngliche Abenteuer (die ursprünglichen Abenteuer) war schon nicht besonders großartig und es gab im Keller eines Wirtshauses komische Dinge und Biester, die merkwürdig aneinandergeklatscht waren und als Ökosystem so garantiert nicht funktionieren konnten. Das war ähnlich wie vergleichbare D&D-Abenteuer der Zeit, hatte aber viel weniger geile Schätze, coole Monster und abgefahrene Ideen. Da war DSA zu dieser Zeit einfach zu humano-zentriert und verließ sich bei den Gegner-Monstern auf eine Handvoll Monster, sodass einem die Kobolde und Orks bald schon zum Hals raushingen, während man bei D&D neben den seitenweisen Monsterbeschreibungen noch auf zwei komplette AD&D Monster-Handbücher zurückgreifen konnte. (Nur als Beispiel für eines der Elemente – bei magischen Gegenständen sah es aber ähnlich aus.)

DSA hat sich in der Folge in eine anderere Richtung entwickelt – hin zum eher charakter- und geschichtenorientierten Spiel – weg von krassen und abgefahrenen Ideen, mächtigen Schatzkammern und Monstern, die einem mit einem Biss den Kopf abbeißen konnten.

Nun geht also ein „modernes“ Autorenteam frisch ans Werk und nimmt sich den alten Klassiker zur Brust. Man merkt, dass das im Jahr 2015 nicht mehr so funktionieren wird und zieht die Realismus-Schraube an, erfindet eine nette (und immerhin etwas abgefahrene) Hintergrundgeschichte mit einem Zirkus und achtet darauf, dass der Dungeon nun so ist, dass es kaum noch logische Probleme gibt. Das ist ein sehr netter Plan, aber er scheitert in der Ausführung komplett, denn dadurch wird die Kiste noch langweiliger.
Beschreibungen und Stil sind schon halbwegs gut old-schoolig getroffen, aber ist man erstmal im Dungeon, passiert schlichtweg gar nichts mehr, bis ich in den Abschlusskampf-Raum komme – und selbst da kann ich die Sache sozial auflösen (was ich, versteht mich nicht falsch, eine sehr geile Sache finde). Es ist bezeichnend, dass meine drei Gruppen in der Startszene in der Kneipe und in der Interaktion mit dem fahrenden Volk deutlich besser amüsiert war, als dann später bei der eigentlichen Haupt-Disziplin, dem Erforschen der unteirischen Lokalität.

Was gibbet im ersten Raum, den ich betrete? Ein totes Wildschwein, das im besten Fall vermuten lässt, dass hier irgendwelche humanoiden Wesen sind, die Wildschweine fressen und/oder töten. Das wusste ich schon, bevor ich den Laden betreten habe. Holy Maccaroni! Da muss doch irgendwas los sein – und wenn es nur Wächter sind, die den Komplex bewachen, denn schließlich soll die Vorführung doch bestimmt nicht gestört werden, oder? An dieser Stelle ließe sich erwähnen, dass hier Zufalls-Begegnungstabellen dem Abenteuer schonmal einen Haufen Leben eingehaucht hätten, denn es gelingt in keiner Sekunde, einen lebenden, sich in Bewegung befindlichen Ort darzustellen. Da bleibt alles statisch und alles, was einen interessanten Dungeon ausmacht und mich als Spieler sowohl als Erforscher als auch als Stratege herausfordert, wurde schlichtweg unterlassen – seien es besagte Tabellen, Wach-Routinen, Hinweise darauf, wie die dort lebenden Wesen organisiert sind und wie sie auch welche Vorfälle reagieren… Auch das würde für mich zum Versuch gehören, eine realistische Umgebung zu schaffen.

Kommen wir zum Inhalt der Räume: Mal im Ernst – ein kleiner Tümpel in einem unterirdischen Gewölbe und dann ist da nix Vernünftiges drin, wenn ich reintauche? Da muss wenigstens ein durchsichtiger Gallertblock,ein Grauschlick am Boden, Grünschleim, der an der Decke darüber hängt und sich fallen lässt oder ein belebtes Skelett eines dort zu Tode gekommenen Abenteurers drin sein – na kommt schon, Autoren, wenigstens etwas Säure oder es handelt sic hum Heilwasser oder eine Tinktur, die zu heftigem Erbrechen führt, wenn ich davon trinke. Ansonsten darf darin gerne ein magischer Dolch +1 sein, der grün leuchtet, wenn sich Untote nähern, oder ein Beutel mit kleinen Edelsteinen oder wenigstens Murmeln – die kann man im Dungeon wenigstens immer gut gebrauchen.

Dann gibt es ein Plumpsklo, in das ich runterklettern kann und die Stiefel eines der beiden Protagonisten der Geschichte zu finden. Man hat dann aber keinerlei Chancen irgendwie herauszufinden warum die Stiefel unten drin stecken. Okay, die hätte man schon irgendwo, aber es gelingt an keiner Stelle, die Gruppe wirklich darauf neugierig zu machen, was sich hier eigentlich wirklich abspielt und somit gibt es auch keinerlei Motivation, sich darüber Gedanken zu machen, warum hier zwei Stiefel bis zum Anschlag in der Scheiße stecken. Herrje. Wenn ich in ein Plumpsklo runterklettere und mir „die Finger schmutzig mache“, dann muss ich da wenigstens irgendwas finden. Reichtümer, ein „echtes“ Geheimnis, einen herausfordernden Gegner, nützliches Wissen…

Es werden also (gerade in den ersten 5-6 Räumen) sämtliche Erwartungen enttäuscht. Ich gege Risiken ein und es geschieht einfach nichts und/oder ich habe nichts davon. Die Lust an der Exploration vergeht so jedenfalls schnell und man stumpft zunehmend ab, vergisst alle Sicherheitsmaßnahmen, die man als erfahrener Dungeonkriecher walten lässt, weil ja ohnehin nichts passiert – nichts Gutes und nichts Schlechtes. Beide Gruppen sind spätestens nach dem dritten Raum einfach weiter gegangen und es hatte mehr den (das???) Flair eines Wandertages als der Erforschung eines gefährlichen Ortes mit unbekannten Gefahren und atemberaubenden Schätzen.

[Uhrwerk-Magazin] Sonderausgabe 15 Jahre Myranor

Meine Damen und Herren – ich erwarte von euch, dass ihr die Downloadzahlen des Gratis-PDFs in die Höhe schnellen lassen und die Glorie Myranors hinaus in die Welt tragen werdet…
Auf sportlichen 127 Seiten bekommt ihr einiges geboten:
  • Brajanstag – T: Sabine Eimke – Kurzgeschichte
  • Intrigentanz – T: Dennis Rüter ~ B: K. Schwabe, B. Wunden – Abenteuerszenario
  • Myranische Magie – T: Fabian Talkenberg ~ B: P. Horstmann  – Anhang
  • Myranische Meere – T: Jochen Willmann, Uli Lindner – Vorschau
  • Silva glaciei – Der Wald aus Eis – T: Jochen Willmann, Stefan Urabl ~ B: P. Horstmann – Spielhilfe
  • Nekyaton – Die Gefägnisnekropole – T: Marco-Pascal Heß ~ B: Marco-Pascal Heß – Spielhilfe
  • Myraniare: Rundenhelden I – T ~ B: unsere Helden – Regelecke
  • Corabenius – Tor zwischen den Bergen – T: Christoph Daether ~ B: P. Horstmann – Vorschau
  • Die Priesterin von Cranarenius – T: Morcarion vom Berg – Abenteuerszenario
Und macht euch keine Sorgen, der Beitrag wurde gestern auf der Uhrwerk-Seite freigeschaltet und ist KEIN Aprilscherz!

[Rezension] Myranor – Der letzte Tyrann

Ein Soloabenteuer. Ach, wenn es von denen doch bloß mehr gäbe! Aber zuerst einmal schaue ich mir mal

ganz genüsslich „Der letzte Tyrann“ von Martin John an. Ich habe das gute Stück vor langer langer Zeit mal korrekturgelesen und werde also stark beeinflusst sein und sowieso nur die Bestnote zücken können…

Der letzte Tyrann – Uhrwerk Verlag
Produkt: Der letzte Tyrann
Autor: Martin John
Verlag: Uhrwerk
Seiten: 95 (384 Spielabschnitte)
Erscheinungsjahr: November 2014
Preis: 25,00€
ISBN: 9-783942-012973

Gestaltung:

Seeehr cooles Cover. Ich bin ja sonst nicht so ein schrecklicher Anja die Paolo-Fan, aber das düstere Cover „Kämpfer vor einer Art Sternenpfeiler“ gefällt mir von der Atmosphäre her wirklich ausgezeichnet. Zum Inhalt her würde – wie wir später feststellen werden – etwas Slapstickartigeres passen, aber das würde als Cover in der Myranor-Reihe dann doch eher aus der Reihe fallen.
Die wenigen Innenillus stammen alle aus der Feder von Tomek Schukalla, der mir spontan überhaupt nichts sagt, der aber einen zum „griechischen“ Genre des Abenteuers super passt. An zwei Stellen haben wir noch Karten und Illus in Mosaik-Optik. Die finde ich mal so richtig klasse – vielleicht hätte man das thematisch für den gesamten Band durchziehen können. Das wäre mal was gewesen.

Mechanisch
muss ich noch eine recht clevere Idee erwähnen, denn einige
Handlungsoptionen eröffnen sich erst, wenn man die vorher in bester
Computerspielmanier „freigeschaltet“ hat. Gefällt mir und habe ich in
der Form auch noch nicht oft in Spielbüchern gesehen. Ich frage mich
nur, warum ich die ganze Zeit über gedacht habe, die
Schreibfedersymbole, die diese Mechanik anzeigen, wären Chili-Schoten
gewesen. Ts-ts-ts.

Inhalt:
Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle des rechtmäßigen Thronfolgers eines Stadtstaates irgendwo in Demelion. Wir sind sogar so unfassbar rechtmäßig, dass uns ein total unrechtmäßiger Konkurrent mal direkt in den Kerker werfen lässt.
Dort sollten wir uns nicht lange in unserer Larmoyanz suhlen – ein Charakterzug, den uns der Text doch nur zu oft suggeriert, obwohl wir ein völlig anderes Bild von unserem heldenhaften, nun „Helden“, haben und stattdessen schleunigs Maßnahmen ergreifen, wie wir den ungastlichen Ort möglichst zügig verlassen können. Mitten durch einen amtlichen Dungeon geht es dann wieder an die frische Luft, wo unser Versuch, dem Bauernpack unsere Identität zu offenbaren etwa so sehr von Erfolg gekrönt ist, wie der von Adolf H. im Roman „Er ist wieder da“.
Es heißt also „Ärmel hochkrempeln und die Sache selber in die Hand nehmen“. Ohne, dass man sich darüber klar wird, wie genau es geschieht, landet man in einem Heldentatenwettstreit gegen diesen renitenten Widersacher und muss in bester Herkulesmanier Großtat um Großtat verrichten, bis es zum großen Showdown kommt. Das Stichwort „Herkulesmanier“ beschreibt hier tatsächlich schon recht präzise was abgeht, denn als Kenner der griechischen Heldensagen wird einen hier nur sehr wenig überraschen, auch wenn es dem Autor immer wieder gelingt, kleine ironische Brüche in die Handlung einzubauen. Als Beispiel sei da die Szene erwähnt, in der der Krieg mit dem Amazonenheer mich extrem an die Simpsonsfolge erinnert, in der Homer sich mit den Truckfahrern vom Film unterhält und erfährt, dass meistens ein paar Katzen aneinandergebunden werden, damit ein Tier im Film wie ein Pferd aussieht.
Fazit:
Tja, schreiben kann er ja der John. Bei den DSA-Gruppensachen bin ich ja ob seiner doch recht stringenten Plots nicht immer einer Meinung mit seiner Auffassung von Abenteuerdesign, aber bei einem Solo-Abenteuer kommen wir uns da weltanschaulich glücklicherweise nicht ins Gehege.
Aber nochmal von vorne. Die Schreibe ist klasse, die Handlungsmöglichkeiten sind vielseitig und man muss nicht unbedingt DSA-Afficionado sein, um das Buch spielen zu können. Ich empfehle es hier sogar ganz explizit den Seifenkistenlesern, die mit DSA keinen (oder kaum einen) Vertrag haben, aber ein gutes Abenteuerspielbuch schätzen – Mantikore-Fraktion, ja, ich blicke in eure Richtung.
Die wenigen Kämpfe, die vorkommen, sind ausgesprochen knackig, wenn man nicht zum Bescheißen neigt und die Rätsel sind in ihrer Unlogik oft logisch und man merkt schnell, wie der Humor des Autors tickt und welche Aktionen von Erfolg gekrönt werden könnten und welche er vermutlich dämlich findet und teilweise brutal abstraft.
Die Myranor-Puristen werden vermutlich noch am ehesten Kritikpunkte finden, denn wenn das Abenteuer kanonisch sein soll, dann heiße ich Myr-Aurelian. Megalomanische Myranor-Anhänger wie ich werden allerdings ihren Spaß damit haben, mal den myranischen Tyrannen zu spielen, der von der Realität auf seinen Platz verwiesen wird.
Mein kleiner Punktabzug rührt in 0,5 Punkten von der dann doch trotz aller ironischer Abwandlung eher vorhersehbaren Handlung und die anderen 0,5 Punkte habe ich für den doch ziemlich knackigen Preis abgezogen. (Ja, ich weiß schon – kleiner Verlag, vergleichsweise geringe Auflage, edles Hardcover… – aber 25 Öcken muss man als Käufer für ein Soloabenteuer erstmal berappen wollen.)
Bewertung:
4 von 5 herkulische Heldentaten (hart an der Grenze zu 4,5 verkleideten Amazonen)