Demnächst erscheint die Kurzgeschichtenanthologie „
Fieberglasträume„, zu der eine ganze Reihe unbekannter und bekannter Autoren etwas beigetragen haben:
Michael K. Iwoleit
Peter Hohmann
Sven
Klöpping
Jens Ullrich
Niklas Peinecke
Thorsten Küper
André Wiesler
Michael Rösner
Frank Hebben
Christian Günther
Frank Werschke
Jan-Tobias Kitzel
Peer Bieber
Ingo Schulze
David Grashoff
Ich habe mir mal die beiden Macher hinter dem Projekt – André Skora und Frank Hebben – zur Brust genommen und ausgequetscht, denn seien wir mal ehrlich – „Cyberpunk ist soooooo 90es“ – wie soll so etwas heute noch ankommen? Ich kenne die Stories schon seit einiger Zeit, da ich bei einigen „die letzten Fehler“ raushauen durfte – und was soll ich sagen, ich habe schon weit schlechtere Geschichten unter einem bekannten Label mit „S“ am Anfang gelesen…
1. Wie seid
Ihr auf die Idee gekommen, eine solche Anthologie zu veröffentlichen?
André:
Eigentlich ist das Projekt durch meinen Ärger darüber entstanden, dass es in
letzter Zeit keine neuen Cyberpunk-Veröffentlichungen gab. Ich stand bei einem
großen Buchhändler vor dem Regal und musste die x-te Neuauflage eines bekannten
Werkes in Händen halten. In diesem Augenblick war die Grundidee geboren, die
dann abends in gemütlicher Runde noch bequatscht wurde. Und am nächsten Tag
setzte ich mich dran und infizierte andere mit meiner Idee. Ruckzuck stand ich
da und musste mich selber kneifen, wenn ich da zusammengetrommelt hatte. Das
war schon ein klasse Gefühl!
Frank: Vor
nicht allzu langer Zeit – okay, ist doch schon fast ein Jährchen her – hat mir
Harald (von Begedia) eine E-Mail geschickt, ob ich denn nicht bei einer neuen
Anthologie als Autor teilnehmen wollen würden könnte sollte. Und überhaupt!
Meine Rückfragen: WER ist dabei? WORUM geht es genau? – wurden, wohl unter dem
Mantel der Verschwiegenheit, dann auch so gar nicht richtig beantwortet – bis
ich ihm das Messer auf die Brust gesetzt habe, mir doch bitte sämtliche Fakten
auf den Tisch zu legen; weil ich nämlich für eine meiner Storys so schlappe
10.000 Stunden brauche und bitte vorab wissen will, ob sich die Mühe auch
wirklich lohnt. Dann kam die Liste der Autoren. Dann kam das Konzept. Und es
hat mich völlig überzeugt – ich war begeistert und dabei! Wenige Wochen zuvor
hatte ich mich als Herausgeber bei NOVA-SF rausgehebelt, weil ich die neue
Ausrichtung des Magazins so nicht mitmachen wollte – und ich dachte mir: Hey,
warum nicht diese neue Anthologie grafisch aufpimpen? Also habe ich „meine“
Illustratoren gefragt, die ich durch die langjährige Arbeit bei NOVA um mich
gescharrt habe, ob sie denn nicht Lust hätten, ein paar geile Cyberpunkbilder
in Farbe und Bunt beizusteuern … Harald war einverstanden, diesen Mehrwert: 15
hochwertige Illustrationen auf guten Papier, zu bezahlen, um die Anthologie
grafisch zu veredeln.
Das Ergebnis spricht für sich.
2. Wie
eng ist das überschriebene Thema „Kybernetik“ gefasst? Welche
Bandbreite haben die Geschichten?
André: Das „kybernetisch“ ist ein
großer Bestandteil der Anthologie. Es findet sich in jeder der Storys stylische
Cyberpunk Elemente, natürlich auch Kybernetik, wieder. Die Bandbreite ist sehr
weit gefasst, da die Vorgabe an die Autoren „Cyberpunk“ war. Da kann man sich
sicherlich vorstellen, wenn fünfzehn Autoren ihre Sicht der Dinge bzw. ihr
Kopfkino aufs Papier bringen und man ihnen eine große Spielwiese gibt,
entstehen die unterschiedlichsten Ansatzpunkte und Herangehensweisen. So kann
ich sagen, das FIEBERGLASTRÄUME ein Spektrum, das von oldschooliger
Matrix-Abhängigkeit, über Gossenpunks hin zu Familienzwistigkeiten bis
Konzernintrigen abdeckt. Da sollte für jeden Leser / für jede Leserin etwas
dabei sein. Und es rockt einfach!
Frank: Hey – „Kybernetische Kurzgeschichten“ klingt doch
supercool! Womit wir bei einem Hauptaspekt des Cyberpunk wären: Große Klappe
nichts dahinter! Zu checken, wie sehr – und wie wenig das auf die 14
enthaltenen Storys zutrifft, dazu ist jeder Leser herzlich eingeladen. „Die
Kunst des Steuerns:“ André und ich haben die Crème de la Crème der deutschen
Cyberpunk-Szene versammeln können, um zu zeigen, wie stark das Ganze auch heute
noch rockt! Das kommt nicht von Ungefähr: Tagtäglich können wir zuschauen, wie
die dystopischen Szenarien, in die wir als Teenager – als Rollenspieler – mit
wohlig-morbidem Prickeln eingetaucht sind, so langsam, aber sicher Realität
annehmen: „1984 was not supposed to be an instruction manual.“ Bleibt wach!
3. Ist
Cyberpunk nicht irgendwie 90er?
André:
Ist er das? Der Cyberpunk hat zwar in den 90zigern seinen viel beschriebenen
Höhepunkt erreicht gehabt, aber ihm als „alt“ oder „tot“ zu deklarieren, wäre
aus meiner Sicht absolut falsch. So findet man immer wieder aktuelle Filme,
Computer-/Konsolenspiele usw. die durch den Cyberpunk beeinflusst werden. Auch
sieht man, dass die im Cyberpunk angewandte Technik in der heutigen Realität
noch nicht ganz Einzug erhalten hat und sich noch im Entwicklungsstadium
befindet. Wobei sicherlich auch das ein oder andere überholt ist, aber
das hat die SF wohl so an sich. Mein Fazit lautet daher „Cyberpunk is not
dead!“
Frank:
Jürgen Olejok nennt es: die „Poesie des Verfalls.“ Dem ist nicht viel
hinzuzufügen. Wie bei Androiden und Robotern, so wie bei Raumschiffen und
fernen Welten geht es um die Ästhetisierung der Wirklichkeit; darum, Themen und
Motive herauszuarbeiten, die uns – als Menschen – beschäftigen oder besser: beschäftigen
sollten. Wenn uns Judge Dread entgegenbrüllt: „I AM THE LAW!“, dann sollten wir
nicht nur „Geil!“ rufen, was wir natürlich tun, beide Filme haben ihre
Highlights, ergo: dicke Wummen und Granaten – sondern einen Schritt
zurücktreten, um die Message zu verstehen: „Wer die Freiheit aufgibt um
Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“(Benjamin Franklin)
4.
Was
ist der Reiz an einer solchen Autorenmischung?
Andre: Bekannte
Autoren einerseits, unbekannte Gesichter andererseits.
Frank: Na, die Vielfalt! Viele schwarze Türen, die sich für
den Leser öffnen.
5. Wie
kriegt man so viele Autoren unter einen Hut? Sprich: Wie hat man sich den
Entstehungsprozess eines solchen Bandes von der Idee bis zum gedruckten Buch
vorzustellen?
André:
Wie es zu der Idee kam, habe ich ja schon beschrieben. Anschließend ging es ans
„Klinkenputzen“. So hatte ich schnell das Autorenteam zusammen und musste mir
dann eingestehen, dass ich jemanden brauchte, der den Bereich Illustrationen in
die Hand nimmt. Wie der Zufall es so wollte, stieß ich bei der Verlagssuche,
die ich parallel angekurbelt hatte, auf Frank Hebben. Nach einigem „Hin und
Her“ wussten wir, dass wir das Projekt zusammen schaukeln wollten. Im selben
Atemzug bin ich bei Harald vom Begedia Verlag, der mir dankenswerterweise
empfohlen wurde, auf offene Ohren gestoßen. Kurz Rede langer Sinn: nach nur
drei Anfragen stand der Verlag fest. Später ging es darum, das Lektorat
und Korrektorat zu sichern. Und alles andere war dann unter die Rubrik
„normaler Ablauf“ zu stufen, sprich: Nachfragen bei Autoren, Lektoren und
Autoren zusammenführen, Korrekturen durchführen, Weitergabe der Storys an die
Illustratoren, etc. Bei einigen Sachverhalten, wie etwa der
Namensgebung, haben wir uns dann auch der Intelligenz des Teams bzw. sogar
Facebook bedient. Was Frank und mir zeigte, dass die eingeschlagene Richtung
doch die Richtige war … Auf der Zielgeraden wurde dann noch der Satz besprochen
und durchgeführt.
Aber erwähnen sollte man auch, das wir uns auch den Kontakten, die es im
Team gibt, bedient haben. Denn man ist – wen man kennt!
Und nun ist es soweit und wir hoffen das wir FIEBERGLASTRÄUME auf der
DortCon (9.-10. März 2013) präsentieren können.
Frank: Das stimmt. 😉
6.
Welche Rolle spielen die Illustrationen beim Gesamtwerk?
Frank:
Cyberpunk ist und bleibt ein
audio-visuelles Spektakel … es hat eine philosophische Tiefe, sofern man denn
möchte: das enthaltene Vorwort von Rob Boyle, (Shadowrun Mastermind), zeigt,
wie tief das Kaninchenloch reicht. Aber vordergründig ist es ein actionlastig,
cool arrogantes Subgenre der Science-Fiction. Schaut euch den Trailer von
„Cyberpunk 2077“ an; wenn euch da nicht das Blut aus den Augen läuft, werdet
ihr wohl auch mit den FIEBERGLASTRÄUMEN nicht besonders glücklich werden. Noch
ein Wort zum Cover: Ich bin mit „Schwermetall“ aufgewachsen: deren Cover
genauso sind, wie der Titel des Magazins vermuten lässt: leicht bekleidete
Damen in aufreizenden Posen, jawohl: TITTEN! Bevor ihr jetzt hektisch den
Pfarrer eures Vertrauens anruft, sei euch gesagt: Der Inhalt dieser monatlich
erschienenen „Schmuddelheftchen“ hat mir die Bandbreite anspruchsvoller
Comicwelten in den Briefkasten gelegt. Die Namen könnt ihr selbst nachschauen.
Also, ehrlich: Dieses Cover „peinlich“ zu finden, kommt so ähnlich wie Gigers
Welten als billige Pornografie abzuwerten. Sie, der Cybernaut, ist ein Embryo,
der in digitalen Welten schwimmt.
Aus wie viel Sex besteht das Netz?
Andrè: Die Illustrationen mussten einfach ins Buch. Wie
Frank schon sagte, Cyberpunk lebt vom Visuellen und als zusätzlicher Anreiz
fürs Kopfkino führt da kein Weg dran vorbei.
© Frank
Hebben // André Skora, 2013