Beim
Broom Service-Kartenspiel war ich ja meiner Zeit voraus – bei den
Legenden von Andor hänge ich dem Trend um Jahre hinterher, denn das gute Stück erschine 2012 und gewann 2013 den Preis zum
Kennerspiel des Jahres. Grund genug, das mal meiner Rollenspiel-Gruppe vorzusetzen…
Um es kurz vorweg zu nehmen – wir waren total begeistert und ich habe ehrlich keine Ahnung, wie wir alle Zusatzmissionen und vor allem das zweite große Spiel durchbekommen sollen, bevor noch in den nächsten Monaten der dritte und abschließende Teil der Reihe erscheint. Hilfeeeeee!
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Das Cover – (Co) Kosmos |
Name: Die Legenden von Andor
Verlag: Kosmos
Autor: Michael Menzel
Preis: ca. 25-30 Euro
Alter: 10+
Spieler: 2-4
Dauer: 60-90 min
Genre: Fantasy, Koop
Aufmachung
Klasse! Sieht super aus! Könnte auch daher kommen, dass der Autor auch gleichzeitig etablierter Brettspiel-Illustrator ist. Die erste Angst ist also, es mit einem Grafikblender zu tun zu haben, aber das werden wir wohl schnell herausfinden.
Auf jeden Fall ist die Box prall gefüllt mit den unterschiedlichsten Countern, Würfeln, Pöppeln, aufstellbaren Pappfiguren und vor allem der Spielplan ist riesig und… doppelseitig!
Das größte Lob gebührt allerdings der Anleitung und dem Aufbau der Missionen via Karten, denn alles ist gut verständlich und man kann direkt während des Lesesn losspielen, was durch die Einführungsmission noch unterstützt wird.
Das Spiel
Die Hintergrundstory ist…
… nun ja. Klassisch eben! Eine Fantasywelt wird vom Bösen bedroht und nur die Helden können sie retten. Habe ich so oder so ähnlich schonmal irgendwo gehört, gelesen, gespielt… Aber darauf kommt es nicht an, denn die Stärke liegt im Zusammenwirken zwischen den nach und nach eingeführten Regeln und den einzelnen Missionen, hier „Legenden“ genannt.
Regeltechnisch will ich hier nicht ins Detail gehen, aber vom Grundprinzip her führt jeder Spieler einen Helden und hat vor sich ein Tableau liegen, auf dem er alle wichtigen Informationen mithalten kann. Die Tableaus haben immer eine Vorder- und eine Rückseite, die identische männliche und weibliche Charaktere darstellen.
So gibt es Kram und Bait (Zwerg und Zwergin aus den Tiefminen – Rang 7), Thorn und Mairen (Krieger und Kriegerin aus dem Rietland – Rang 14), Pasco und Chada (Bogenschütze und Bogenschützin aus dem Wachsamen Wald – Rang 25) und Liphardus und Eara (Zauberer und Zauberin aus dem Norden – Rang 34)
Jeder Charakter besitzt eine bestimmte Anzahl an Willenspunkten – je nach deren aktuellem Stand stehen mehr oder weniger Kampfwürfel zur Verfügung. Diese Willenspunkte können durch Kämpfe und Ereignisse verloren gehen und durch Magie und Ereignisse wieder ansteigen.
Außerdem besitzt jeder Charakter eine Menge an Stärkepunkten, die im Kampf zum Würfelergebnis hinzuaddiert werden.
Apropos Kampf: Hier würfeln Charakter und Monster ihre Kampwürfel (nur der höchste Wert zählt) und addieren die jeweiligen Stärkepunkte. Die Differenz gibt an wer wie viele Willenspunkte verliert. Das ist gerade zu Beginn nicht einmal so eine einfache Chose – besonders gute Erfolgsaussichten hat die Gruppe, wenn sich zwei oder gar drei Charaktere zusammenschließen, da so nicht nur ihre Stärkepunkte addiert werden, sondern auch ihre Würfel-Ergebnisse. Das Problem an der Sache ist nur, dass man dadurch auch weniger unterschiedliche Aktionen gleichzeitig durchführen kann.
Außerdem bietet das Spielertableau noch Raum für Ausrüstung, Gold und Edelsteine, aber die wichtigste Komponente ist die jeweilige Sonderfertigkeit, denn die wird im Laufe des Spiels immer eine wichtige Rolle spielen.
So können die beiden Zauberer nach dem Würfeln des (einzigen) Kampfwürfels den Würfel auf die gegnüberliegende Seite drehen – sprich: das niedrigstmögliche Ergebnis ist eine 4. Coolerweise kann man beim gemeinsamen Kampf auch den Würfel eines anderen Helden umdrehen.
Die Bogenschützen müssen ihre 3-5 Kampfwürfel in Push-your-luck-Art würfeln, dürfen aber dafür auch Monster in angrenzenden Felder attackieren. Die Krieger erhalten beim Trinken aus Brunnen 5 statt 3 Willenspunkte und die Zwergen erhalten die Stärkepunkte in der Zwergenmine zum halben Preis.
Das soll mal zur Mechanik reichen – jetzt ist es noch wichtig, zu erwähnen, wie das Spiel überhaupt abläuft. Dazu sind vier Elemente wichtig.
Zum einen ist das die große Spielkarte, auf der sich die Helden bewegen können – und zwar benötigen sie da für jedes Feld eine Stunde. Genau das führt uns direkt zu Element 2, der Zeitleiste. Pro Tag stehen jedem Helden 7 Stunden zur Verfügung. Diese kann er allerdings auf bis zu 10 Stunden ausdehnen, wobei die 3 zusätzlichen Stunden ihren Tribut fordern und jeweils 2 Willenspunkte kosten. Hauptmechanismus sind allerdings die Legendenkarten in Kombination mit der Legendenleiste. Die Karten stellen nämlich die augenblickliche Situation dar und schildern die Aufträge, Siegbedingungen und Ereignisse. Bei jedem beendeten Tag und für jeden besiegten Gegner muss man den Erzähler auf der Legendenleiste ein Feld nach oben bewegen und manche Felder schalten neue Legendenkarten frei, die sofort gelesen (und eventuell durchgeführt) werden müssen.
Ein genialer Mechanismus, denn so hat man einen groben Überblick über den zu erwartenden Verlauf, man weiß wann man Monster umholzen sollte und wann nicht und wann die Geschichte eine neue Wendung nehmen könnte.
Der letzte kluge Schachzug ist es, eine automatisch generierte Bewegung für die Monster zu programmmieren. Zu Beginn jedes Zuges bewegen sich nämlich alle Monster in genau festgelegter Reihenfolge (kleine Monster zuerst – kleine Zahlen zuerst) und in Pfeilrichtung aus ihrem Feld heraus.
Meine Rollenspielgruppe besteht wirklich aus taktisch und strategisch gewieften Kerlchen und wir waren schon bei der ersten Mission wirklich gefordert und hätten uns keinen weiteren Fehler leisten können – toll ausgetüftelter Schwierigkeitsgrad, denn das Spiel weiß ja welche Helden wo ihre Züge beginnen und wer vermutlich ungefähr wann wo sein wird – und mit diesem Herrenwissen wurden dann die Legenden so gestaltet, dass sie gut schaffbar, aber dennoch herausfordernd sind. (Wobei ich wirklich schwer sagen kann, ob das auch für eine fantastisch interessierte Durchschnittsfamilie gilt, die sich arglos dieses Spiel kauft. Da kann es durchaus sein, dass sie gerade zu Beginn trotz aller Hilfestellungen einige frustrierende Erlebnisse haben wird.)
Wir haben jetzt auch nur mit der maximalen Zahl von 4 Spielern gespielt, aber der Schwierigkeitsgrad wird dadurch angepasst, dass bei weniger Spielern mehr Monster die Burg erreichen dürfen, denn man hat nicht nur verloren, wenn man die Seigbedingungen bis zum Feld N auf der Legendenleiste nicht erreicht hat, sondern auch, wenn eine bestimmte Anzahl an Monstern die Burg betreten hat. Ich befürchte etwas, dass das Spiel so für noch weniger Spieler brutal schwer wird, aber da mag ich mich auch irren. Die anderen Komponenten sind so gut ausgewogen, dass Autor und Verlag das wohl auch bedacht haben sollten. Da will ich ihnen mal einfach vertrauen.
Fazit
Alter Schwede! Das ist wirklich ein tolles Spiel. Sieht gut aus, ist toll aufgebaut, um den Einstieg möglichst zu vereinfachen und scheint bisher hervorragend im Schwierigkeitsgrad ausbalanciert zu sein. (Wobei ich fast denke, dass Otto-Normal-Familie sich eine etwas einfachere erste Mission verdient gehabt hätte.) Aber meine Gruppe war sofort angefixt und ich würde spontan behaupten, dass bei uns seit
Orléans kein Spiel dermaßen schnell zu begeistern wusste.
Wie gut, dass es eine Fantastillion an Erweiterungen und anderem Schnickschnack gibt…
Bewertung
5 von 5 perfekt durchdachte Koop-Missionen