Ich habe gerade mit großer Freude die aktuelle Folge der Meister*innen-Gespräche der Schwafelhelden gehört und ihr solltet das auch tun. Darin unterhalten sie sich darüber wie der Alltag vom Abenteuer abgegrenzt werden kann, wie der Alltag ins Spiel eingebracht werden, wie der das Rollenspiel insgesamt bereichern kann.
Ich habe während der ganzen Rad-Tour darüber nachgedacht, wie ich das in meinen Runden halte und so möchte ich euch nun meine Tipps aus Jahrzehnten Hochleistungsrollenspiel geben – und was am besten ist: Diese Tipps gelten durch die Bank für alle Systeme.
Wie binde ich den Alltag der Charaktere in mein Rollenspiel ein?
Pünktlich zu Weihnachten 2022 ist ja bei System Matters die wunderschöne Print-Ausgabe des deutschsprachigen Swords & Wizardry Gesamtregelwerks erschienen. Das schreit ja förmlich nach ein paar kurzen Artikeln.
Ich werde mich im Laufe der Zeit durch den Bad pflügen und interessante Elemente herauspflücken. Dabei ist mir zuerst die Initiativeregelung aufgefallen. Die steht nämlich nicht einfach so im Buch, sondern es werden drei weitere Alternativregeln angeboten.
Das Cover – (Co) System Matters
Außerdem bietet sich diese Regel an, die es sich bei ihr um ein einzeln stehendes Regelelement handelt, das man problemlos austauschen oder anpassen kann. Schauen wir doch mal:
Die „offizielle“ Methode
1. Überraschungswurf (nur, wenn die Möglichkeit besteht, dass eine Seite überrascht ist)
2. Zauber ankündigen (nur, wenn die Gruppe nicht überrascht ist)
3. Initiativewurf (Gruppen-Initiative mit 1W6)
4. Bewegung und Fernkampf (und zwar erst Ini-Gewinner*innen, dann die Gegner*innen)
5. Nahkampf und Zauber (wieder nacheinander – Zauber nur, wenn nicht im Nahkampf)
6. Die Runde beenden (von vorne beginnen, ohne Überraschungswurf)
Eine sehr kleinteilige, aber nicht zu kleinteilige Variante (zum Beispiel gibt es keine Einzel-Initiative). Mir gefällt das Zauber-Ansagen direkt zu Beginn sehr gut. Aber dass sich Fernkämpfer*innen so nicht in der gleichen Runde mit dem Schuss bewegen können, ist nicht intuitiv. Und dass die beiden Gruppen in den Phasen 4 und 5 jeweils nacheinander agieren, ist mir tatsächlich dann zu aufwändig. Dann doch lieber alle Aktionen einer Gruppe am Stück.
Alternative 1
Sehr ähnlich, minimal einfacher. Es wird (nach der Überraschung) pro Seite auf Ini gewürfelt. Die Siegergruppe kann sich bewegen oder angreifen (oder verzögern).Die Verliere*innen dürfen sich bewegen und dann ihrerseits angreifen (sie dürfen nicht verzögern). Dann sind alle Charaktere an der Reihe, die verzögert haben und die nächste Kampfrunde beginnt.
Schon etwas intuitiver. So habe ich noch nie gespielt, aber ich erwäge gerade, das vielleicht in Zukunft zu tun. Ist mir sehr sympathisch.
Alternative 2
1. Überraschung und Entfernung (kann auf Würfelwurf oder „gesundem Menschenverstand“ basieren)
2. SL bestimmt Monster-Geschicklichkeit (hier gibt es mehrere Ini-Varianten inklusive Einzel-Initiative)
3. Vorbereitete Zauber wirken oder werden wirksam (wirken in Reihenfolge der Geschicklichkeit und zwar gemeinsame Ini-Reihenfolge von Monstern und SC)
4. Fernkampf (in Reihenfolge der GES)
5. Nahkampf (in Reihenfolge der GES)
6. Bewegung (in Reihenfolge der GES)
Puh. Schon insgesamt recht träge.
Alternative 3
Ini wird zu Beginn nur einmal für den ganzen Kampf ausgewürfelt. Jede Kampfrunde hat 10 Segmente zu je 10 Sekunden. Jetzt wird erwürfelt in welchem Segment jedes einzelne Monster und jeder Charakter an der Reihe ist. Also besser niedrig würfeln. Das Wurfergebnis kann dann noch durch Rüstungen, Zauber oder Ähnliches verändert werden. Wenn das Segment festgestellt ist. darf der jeweilige SC oder das jeweilige Monster in diesem Segment eine Aktion und eine Bewegung ausführen.
Das läuft insgesamt sehr auf etwas wie ein Tick-System heraus, das ich bisher noch in keinem System als besonders elegant oder schnell spielbar erlebt habe.
Gut gefällt mir aber schon die Grundidee, dass leicht gerüstete oder mit schnelleren Waffen bewaffnete Charaktere so öfter an die Reihe kommen, was den geringeren verursachten Schaden und die größere Gefahr getroffen zu werden, etwas ausgleicht.
…
…
Alternative 4
Die Steffi Graf-Methode. Wenn ich LL leite, gibt es bei mit meist diese superultraregelleichteschnelleaberhaltsehrunspezifische Variante:
1. Initiative (nur einmal zu Beginn des Kampfes und für jede Gruppe nur ein Wurf mit W6)
2. Kampfrunde Die Partei, die die Ini gewonnen hat, kann sich bewegen angreifen – egal, ob mit Zauber, Pfeil oder Axt. Die Mitglieder der Gruppe bestimmen selber in welcher Reihenfolge. Dann ist die andere Partei an der Reihe.
Fertig!
Gerade bin ich sehr versucht, mal Alternativmethode 1 zu testen. Die ist nur unwesentlich komplizierter und zeitaufwändiger, aber scheint noch gut machbar zu sein.
Seit Oktober bastle ich an einem Megadungeon, einem Genre, welches ja gerade langsam wieder salonfähig wird und ich möchte euch hier vorstellen (natürlich ohne Spoiler – der Feind liest sicher mit) wie ich dabei vorgehe. Als Regelwerk wird im tatsächlichen Spiel Labyrinth Lord verwendet werden – aber ich werde auch immer Werte für Swords & Wizardry hinzufügen (vielleicht lässt sich das ausgearbeitete Abenteuer ja später einmal irgendwo versilbern – System Matters, ich blicke in eure Richtung). Gespielt wird mit einer festen Gruppe auf meinem Discord mit der Option immer wieder Gastspieler*innen dazu zu nehmen oder Nebenabenteuer in One Shots anzubieten.
Hey, habe ich schon gesagt, was für unfassbar tolle Bücher die limitierte und die normale Ausgabe von Swords & Wizardry geworden sind. Huiuiuiuiui, macht es Spaß in denen zu blättern. Aber ich schweife ab…
Zuerst einmal habe ich mir einen schicken Block gekauft und… nun ja… „künstlerisch“ verziert. Außerdem habe ich mir schicke Lackstifte gekauft, mit denen im Block die Überschriften gut aussehen werden.
Dungeon des Todes – Mein Spiralblock
Als ersten „echten Schritt“ habe ich dann besagte Überschriften in den Block geschrieben – und zwar:
Hintergrund
Fraktionen
Gerüchte
Die Stadt Traumfurt
Zugangspunkte
Übersichtskarte
Ebenen 1-15
Dann habe ich kurz den Hintergrund skizziert, mir die ersten Fraktionen ausgedacht und mich dann zuerst an das Erarbeiten der Stadt gemacht, denn jedes größer angelegte Abenteuer benötigt ja den oft beschworenen „sicheren Hafen“. Als nächsten Schritt habe ich dann angefangen die Übersichtskarte zusammenzustellen – dabei immer Ideen und Verbindungen im Kopf, die ich direkt in der Stadt als Aufträge oder auf die Seite mit den Gerüchten geschrieben habe. So kamen dann 15 Ebenen zusammen, die ich jeweils mit einer Überschrift und einem Thema versehen habe, damit ich mich später daran erinnere, was ich hier vorhatte. Die unterirdischen Ebenen haben dann schnell Gestalt angenommen und ich habe mir neben dem „klassischen“ Zugang in Traumstadt noch zwei weitere Orte ausgedacht, an denen man in das riesige Unterreich gelangen kann.
Die drei Zutrittspunkte
Der nächste Schritt bestand dann darin, die Zugangsorte sowie die direkt darunter liegenden Ebenen genauer zu beschreiben, denn das sind ja die Orte, die die Charaktere zuerst aufsuchen werden, wobei ich mich schon auf den direkten Zugang in Traumstadt konzentriert habe und die anderen möglichen Ebenen etwas steifväterlich behandelt habe – aber grob beschrieben sind sie.
Dann konnte ich die Gruppe auf den Dungeon loslassen und tatsächlich reichten für die erste Sitzung die Orte und Personen in der Stadt sowie die ersten 5 Räume auf der ersten Ebene des Dungeons. Von diesem Punkt an weiß ich ja immer grob, wo es die Abenteurer*innen hintreiben wird und kann ihnen da immer 10-15 Räume voraus bleiben. Und ich freue mich schon auf die nächste Spielrunde – es kann weitergehen…
Derzeit gibt es ja ein kleines Hexcrawl-Hypechen. Und so ist es nur recht und billig, wenn ich euch DAS D&D Classic-Explorationsabenteuer kurz vorstelle. Ich habe es im Laufe der Jahre bestimmt 4 oder 5 mal gespielt und es ist immer ein Erlebnis – aber das letzte Mal ist schon etwas ich denke fast, dass ich heute einiges zu Nörgeln habe. Mal schauen.
Cover auf Englisch und Französisch, Backcover und Spieler*innenkarte – (Co) TSR, WotC
Wie ihr seht finde ich gerade meine deutsche Ausgabe nicht. Und auch die erste US-Fassung mit blauem Umschlag-Hintergrund verbirgt sich gerade geschickt in den Tiefen meiner Sammlung – aber immerhin habe ich die englische und französische Fassung gefunden und kann sie euch zeigen.
Nach einem kurzen Intro, das sich damit befasst, wie die Insel in die Welt (Known World – später Mystara) eingebettet ist und wie die Gruppe auf die Insel gelangen kann, wird die eigentliche Insel dann auf 13 Seiten geschildert, dazu kommen zahlreiche Karten und ein Anhang mit neuen Monstern, einer Handreichung für das Erstellen von humanoiden Begegnungen und – was ich bisher immer ignoriert habe – 6 alternativen Szenarien.
Diese Szenarien sind unterschiedliche Aufträge, um der Gruppe einen Fokus zu geben – traditionell landen sie ja unverrichteter Dinge an der Südküste und dann beginnt der ganze Schlamassel.
Ein erster Blick auf die Insel – (Co) TSR, WotC
Schauen wir uns doch mal eben jene 13 Seiten, die den gesamten legendären Ruf des Abenteuers begründen an.
Es beginnt mit Regeln für Zufallsbegegnungen und drei unterschiedlichen Tabellen für eben jene Begegnungen, je nachdem wo sich die Gruppe befindet. Yupp. Genau so muss das.
Die Spieler*innen erhalten die oben gezeigte farbige Karte und beginnen an der Südecke der Insel. Jetzt kann also exploriert werden, wobei das Dorf der Tanaroa (He, war das nicht ein Cthulhu-Abenteuer von Michi Jaegers?!?) als eine Art Basis dienen kann.
Clever, wie Tom Moldvay so war, können die Eingeborenen (Hossa, die 7 Dörfer werden matriarchalisch regiert, aber ansonsten werden blind Voodoo-Zombie-Klischees verwurstet.) die Gruppe einige Hexe ins Landesinnere führen bis zu den Teer-Gruben. Weiter wagen sie sich selber nicht, kennen aber Gerüchte über alle möglichen Dinge, die eine Gruppe dort erwarten könnten. Von hier an geht es dann blind oder auf der Jagd nach kleineren Handlungsbögen quer über die Insel oder gar auf kleinere Nachbarinseln und zusätzlich zu den Zufallsbegegnungen gibt es insgesamt 29 Locations, an denen etwas Geplantes geschieht. Gut gemacht ist beispielsweise auch ein Hex, wo festgelegt ist, dass sich in seiner Umgebung besonders viele Monster herumtreiben . sodass hier immer Begegnungen stattfinden und nicht nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Guter kleiner Mechanismus. AAAAAAAAllerdings hätte ich dann in diesem Hex etwas Besonderes platziert, oder die Möglichkeit diese erhöhte Gefahr auszuschalten, was die Eingeborenen sicher sehr gut fänden, befindet sich der Bereich doch noch da, wo sie sich auch hinwagen.
Aber sonst macht diese Sandbox einfach alles richtig und ich kann echt nicht meckern, abgesehen davon, dass ich heutzutage mehr Hexe mit besonderen Inhalten versehen und vor allem noch mehr Verbindungen der verschiedenen Orte untereinander herstellen würde, um das Ganze noch etwas organischer zu gestalten. Das macht beispielsweise Undying Sands ganz ausgezeichnet, auch wenn das natürlich völlig unplanbar und arbiträr ist.
Neben dieser kleinen Kritik gibt es viel, viel Lob und große Begeisterung von meiner Seite. Hier findet ihr einfach alles. Ein Hochplateau mit Dinosauriern. Troglodyten. Eine Goldader. Ein Hochplateau mit Dinosauriern. Einen Berg voller Baumherren (Ents). Ein Hochplateau mit Dinosauriern. Eine verbotene Insel auf der Insel der Schrecken (Wie meta!). Einen Indiana Jones-style Tempel…
Auch hier habe ich sofort wieder Lust auf eine Rundreise auf der Insel der Schrecken – hey, System Matters – machen wir die Podcastfolge noch? Ich besitze jetzt ein Mikro und weiß in welche Seite ich sprechen muss.
„Kampagne? Datt iss doch so wie die Pathfinder Abenteuerpfade. Ein paar aufeinander aufbauende Abenteuer. Charakteraufstige bis Stufe 20. Bäm. Fertig.“
Ja. das kann es sein, wie zahllose andere Formen, wie Kampagnen gespielt werden können. Schauen wir uns doch mal an, ob wir hier wieder etwas uraltes Wissen ausgraben können.
Eine Frage und anschließende Diskussion im System Matters-Discord hat mich mal wieder auf die Seifenkiste gescheucht. Anlass ist mal wieder Ben Milton, von dem ich noch keine Minute selber gesehen oder kein Wort gelesen haben – außer in den Fällen, wenn mich mein Gruftschrecken-Kollege dazu zwingt, mich mit seinen Sachen auseinanderzusetzen.
In diesem Fall ist es ein Video von Ben, der schildert, wie „einst“ (TM) Kampagnen durchgeführt wurden und ich weiß gar nicht, ob ich auf diese Praxis hier schon ausreichend eingegangen bin. Vielleicht gar dergestalt, dass auch normale Interessierte etwas damit anfangen können, die nicht damals dabei waren oder sich gerne durch alte Folianten der Weisheit wühlen.
Beginnen wir doch mal mit ein paar alten Seifenkisten Artikeln zum Thema – schaut mal, ob euch da etwas den Einstieg erleichtert:
Aber wovon reden wir hier überhaupt? Wie ich es für old-schoolige immer predige ist eine „Kampagne“ erst einmal eine Hintergrundwelt, die ich als Spielleitung in allen ihren Facetten (gerne auch in großen Teilen basierend auf Zufallstabellen) vorbereite und den Charakteren meiner Spieler*innen als freie Spielwiese zur Verfügung stelle. Diese Welt sollte nicht statisch sein, sondern sich sowohl auf einer politischen Ebene entwickeln als auch durch die Taten der SC mit geprägt werden. Wobei da die Einflussbereiche bedingt durch den Machtzuwachs der Charaktere ganz organisch immer größer werden.
Rettet die Gruppe zu Beginn einem fahrenden Händler das Leben, könnte dieser in Zukunft zum mächtigen Händler aufsteigen und ein wichtiger Verbündeter werden. Bricht sie nicht zur Rettung eines von Amazonen bedrohten Ortes auf, so kann es sein, dass der Ort von der Landkarte getilgt wird oder sich beim nächsten Besuch in der Hand der wilden Kriegerinnen befindet. Herrschen die Charaktere über Baronien oder kleinere Grafschaften, hat ihr Tun Auswirkungen auf die benachbarten Regierungsgebilde. Und so weiter, bis im wirklich hochstufigen Spiel die Zustände auf der gesamten Welt auf dem Spiel stehen.
Aber das nur mal so als Einleitung zum Begriff Kampagne. Wir sind nämlich immer noch nicht da, wo ich hinmöchte und wo viele Spielrunden gerade der 70er Jahre schon waren. Zu dieser Zeit war es nämlich nicht so, dass ich meine Hintergrundwelt ausformuliert und dann mit meinen drei bis vier immer gleichen Freund*innen bespielt habe. Neeeeeeeeeein! Eine solche Kampagne war eine Sache, die der gesamten Rollenspielcommunity im weiteren Umkreis zur Verfügung stand.
Und zwar auf zwei verschiedene Arten und Weisen:
Zum Einen war die Spielwelt offen für alle Charaktere, die am Spieltag zugegen waren. Ihr habt vielleicht schonmal gelesen, dass irgendwelche Kampagnen von Gygax oder Arneson 50 Leute mitgespielt haben. Klar, die waren nicht immer alle gleichzeitig am Spieltisch, aber wenn ihr euch Fotos von Gygax‘ Spieltisch anseht, sei es bei ihm zu Hause oder auf Conventions, so sitzen da gerne mal 10-15 Spieler*innen am Tisch. Weit jenseits dessen, was wir im Jahr 2022 so gewöhnt sind. Es gab also einen großen Pool an Charakteren – und wer bei einer Spielsitzung anwesend war, spielte mit, wer keine Zeit hatte, kam halt zur nächsten Sitzung wieder oder zur übernächsten und musste einfach damit leben, was bis dahin geschehen war.
Das führt natürlich zu Problemen und es gibt die unterschiedlichsten Abstufungen, wie mit nicht anwesenden Charakteren umgegangen wird und wurde. Ich persönlich finde es elegant, eine Art Hub zu haben – also ein Dorf oder eine Abenteurer*innengilde oder so, wo dann zu Beginn des Abends geschaut wird, welche Held*innen heute ins Abenteuer ziehen, und wer heute nicht mit dabei ist – aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht ist der Charakter gerade auf einer Pilgerreise, muss sich Ausrüstung besorgen, oder oder oder. Natürlich lassen sich immer Gründe dafür finden, dass Charaktere nicht am Start sind, aber ganz ehrlich? Das finde ich persönlich noch nicht einmal nötig. Dann fehlt halt eine Person, ist für die Welt und die sich entwickelnde Gesamtnarration völlig unwichtig. Außerdem könnte es ein Anreiz sein, möglichst wenige Spielsitzungen zu verpassen, denn sowohl mir als Spieler*in fehlt dadurch Weltwissen – selbst wenn es zu Beginn jeder Runde eine grobe Zusammenfassung gibt – aber auch meinem Charakter fehlen wichtige EP – und somit Stufen und ganz allgemein gesprochen: Macht.
Denn EP-technisch wird da natürlich eine Kluft entstehen zwischen den Charakteren der Spieler*innen, die immer bei den Sitzungen sind und denen derer, die es nur selten schaffen. Aber zum einen spielt die Stufe innerhalb der Gruppe im Old School-Bereich ohnehin eine eher untergeordnete Rolle, da es kein explizites Balancing gibt. Zum Anderen gibt es natürlich Methoden, wie das Ganze zumindest halbwegs angepasst werden kann – so können nicht anwesende Charaktere wenigstens die Hälfte der EP bekommen, die die anderen verdient haben oder es gibt zwischen den Sitzungen Eins-gegen-Eins-Spiele der Spielleitung mit einem Charakter, um beispielsweise jene Pilgerfahrt auszuspielen, für die es dann natürlich auch EP gibt.
Aber eben jenes Beispiel vom Einzelspiel führt uns zum zweiten Punkt, an dem diese Art von Kampagne unglaublich an Dynamik und Kraft gewinnen kann. Und zwar, indem ich unterschiedliche Gruppen in verschiedenen Dörfern und Gilden auf die Welt loslasse. Vielleicht sogar Gruppen mit unterschiedlicher Agenda – also an einer Stelle größtenteils rechtschaffene, an anderer Stelle vor allem neutrale und an wieder zwei anderen Orten eher chaotische Charaktere. So werden die Gruppen zuerst auf ihre unmittelbare Umgebung Einfluss nehmen und kleinere Abenteuer bestehen, die das große Ganze nur unwesentlich berühren. Aber je mächtiger die Charaktere werden und je mehr sie ihren Einflussbereich ausweiten, desto eher kommt es dazu, dass die Handlungen der einen Gruppe die direkte Lebenswelt der anderen Gruppe beeinflussen. Im „besten Fall“ ist dann die böse Tyrannin Andromeda im Nachbarkönigreich Weldur eine Spielerin einer anderen Gruppe oder der weise Einsiedler ist der Charakter von Franzi, die ihren Charakter immer mal wieder zwischen Abenteuern in Klausur schickt, um über seinen magischen Folianten zu grübeln. Ach, die Möglichkeiten sind mannigfaltig und ich habe mich gerade selber total heiß auf diese Art von Kampagne gemacht.
Hmmm… Ich würde gerne einen Artikel von Settembrini dazu lesen. Er und die Berliner AD&D-Blase ist da meiner Einschätzung nach am ehesten nah dran, so in den vergangenen Jahren gespielt zu haben. Ich habe so oder ähnlich Mitte der 80er bis in die frühen 90er hinein gespielt – aber viel zu wenig die Chance genutzt, die Gruppen an anderen Orten der Karte spielen zu lassen – das stelle ich mir extrem lohnend vor. Okay, dazu hatte ich auch damals viel zu wenig Spieler*innen – die größte Runde, an die ich mich erinnere war mit 2 SL und 17 Spieler*innen. Aber da waren dann auch schon mehr oder weniger alle Rollenspieler*innen, die ich kannte, in einem Wintergarten versammelt.
Außerdem habe ich gerade unglaublich Lust, eine solche Kampagne zu leiten, Das bietet sich ja bei einem großen Netzwerk potentieller Spieler*innen wie auf meinem Discord-Server geradezu an. Dieses neumodische Internet bietet nicht nur Nachteile.
So. Und JETZT sehe ich mir auch mal das Video an, das den ganzen „fuss“ ausgelöst hat. 😉
Hier schlafen noch alle und ich bin an meinem Regal vorbeischlawinert, um zu schauen, was ich euch am heutigen Sonntag mal vorstellen könnte. Meine Augen blieben an dem nicht zwangsläufig „hübschesten“, aber auf jeden Fall grafisch auffälligsten Buch hängen und – was soll ich sagen – nun stelle ich euch kurz Mietling auf Abwegen vor, was 2020 als Vorbestelleraktion bei System Matters erschien. Ich schau aber extra für euch mal nach, ob es zumindest die Softcover-Ausgabe auch heute noch im Shop zu erstehen gibt …
Oh. Au contraire. Es gibt das Softcover nicht mehr – dafür aber die gebundene Ausgabe für 29,95 Euro und das PDF für 9,95 Euro. Und zwar genau hier.
„Grafisch auffällig“ ist direkt ein gutes Stichwort. Ich bin bei den Illustrationen von Maria Hecher immer irgendwie an osteuropäische Märchen erinnert, aber seht selbst:
Disclaimer: Selbst gekauft – ich werde es zerreißen!
Umschlag und Urkunde – (Co) System Matters
Übrigens ist MaA mechanisch keineswegs old-schoolig und die meisten Spiele der „kleinen Reihe“ passen nicht gut zur aktuellen Ausrichtung der Seifenkiste – aber in diesem Fall passt es dann doch irgendwie wie die Faust auf’s Auge, denn die core story dieses Spiels ist, dass die Spieler*innen Mietlinge spielen, die in der tiefsten Kammer des Dungeons zurückbleiben, nachdem die Held*innen, die sie angeheuert haben, eines fürchterlichen Todes gestorben sind. Tja – nun heißt es irgendwie lebend rauszukommen.
Konsequenterweise spielt ihr also nicht Kämpfer*in oder Magier*in – nein, hier heißen die Klassen: Bauer, Chronist, Fackelträger, Fallenpiekser, Fraßkoch, Narr und Wanderprediger. Hier – so schnell erstellt ihr beispielsweise einen Fallenpiekser. Und – das muss einfach gesagt werden: „Wir brauchen mehr Bort-Namensschilder!“
Der Fallenpiekser – (Co) System Matters
MaA ist ein stark in ein Korsett gepresstes Erzählspiel, das gewöhnlich über 8 Räume oder etwa 2 Stunden gespielt wird. Ich mag es bei solchen Systemen immer sehr, wenn ich mich auf eine bestimmte Länge einstellen kann. Es gibt zwar eine Spielleitung, aber die hat eher erzählerische und verwaltende Funktion, denn der Dungeon wird reihum mit Inhalt gefüllt, aber seht oder hört einfach selbst – in einer Kurzvorstellung will ich euch nicht alle Regeln vorkauen.
Zwei der zahllosen tollen Illus – (Co) System Matters
Das Spiel ist immer ein Riesenspaß. Die Handouts sind super, das Konzept ist super, der Regelkern ist eingängig und schnell erklärt. Wenn ihr also mal nicht ultramächtige 5e-Charaktere spielen wollt, sondern die Fußabtreter*innen, dann spielt MIETLING AUF ABWEGEN.
Beim ersten Fanzine-Wettbewerb von System Matters wurden ja unglaublich spektakuläre Sachen eingereicht, die für mich den Rahmen „Fanzine“ eigentlich schon deutlich gesprengt haben. Eines dieser Projekte, Die glorreiche Stadt, ist mir gestern wieder in meinem Regal in die Finger geraten und ich würde es euch gerne vorstellen.
… ach ja – falls ihr neugierig werdet und es gerne irgendwo kaufen würdet – da kann ich euch leider auch aktuell nicht weiterhelfen. Wenn ihr eine Quelle findet, schreibt sie bitte in die Kommentare.
Das Cover
Wenn ihr euch das Cover anseht, merkt ihr sofort in welche Richtung es hier geht und weshalb ich so über alle Maßen begeistert davon bin. Das Stichwort Sandbox ist ja immer einen Kauf wert, aber wenn wir es dann im Illustrationsstil noch mit Pixellook zu tun haben, dann bin ich endgültig hin und weg. Dungeon World ist jetzt nicht so mein bevorzugtes System, aber nach dem ersten Durchblättern ist klar, dass es nicht schwierig sein wird, das auf andere Systeme anzupassen.
Die Rückseite – Unendliche Weiten
Ich sagte eingangs bereits, dass wir hier hier über den Status „Fanzine“ hinausschießen, denn dieses Heft ist toll produziert. 42 Seiten auf einen toll dicken und griffigen Papier, dazu noch farbig und mit glasklarem Layout. Das kriegen einige professionelle Verlage nicht besser hin.
Den Inhalt des „Abenteuers“ für DW, ich setze das in Anführungsstriche, denn ein richtiges Abenteuer liegt hier gar nicht vor, kann ich hier unmöglich schildern, denn es gibt keinen linearen Verlauf, keinen großen Endbösewicht, keinen Dungeon …
Hier werden einfach nur, unterteilt in die Viertel und Gegenden der Stadt, alle möglichen Details geschildert, die der Stadt Leben einhauchen und die eine Abenteurergruppe mit zahllosen kleinen Abenteuern versorgen sollen. Für viele vielleicht sehr gewöhnungsbedürftig, aber „ich habe es ja gerne so“.
Antiquariat und Bildhauerin
An Vierteln werden hier geschildert:
Die glorreiche Stadt (Allgemeines)
Tempelberg
Hafen
Grünhain
Schattenmarkt
Unterstadt
Dazu kommen die Elemente:
Dramatis personae
Gefahren
Entdeckungen
Jede Location wird durch drei oder vier Adjektive in ihrer Stimmung charakterisiert und es gibt jeweils mehrere sehr fantasievoll gestaltete Unterorte, die aufgesucht werden können und die allesamt ihre eigenen kleinen Geheimnisse bergen. Ihr erkennt sicher schon an den unterschiedlichen Vierteln, was eure Gruppen da in etwa erwarten könnte und diese Erwartungen werden eigentlich niemals enttäuscht, sondern eher übertroffen.
Alte Sternenkarte
Beispielhaft zeige ich euch hier die mysteriöse Sternenkarte – hey? Ist das etwa ein Tie-In zum Purpurplaneten? Egal. Irgendwohin wird uns diese Karte schon den Weg weisen.
Ich kannte bis zum Lesen der Glorreichen Stadt die „Almanach-Struktur“ von Dungeon World nicht, aber sie gefällt mir spontan. Damit kann ich als SL gut arbeiten. Und wenn dann ein kleines Heftchen noch so viele tolle Ideen (siehe die abgedruckte Seite) hat, dann kann ich gar nicht anders, als es zu mögen.
„Aus Gründen“ muss ich mir gerade Kids on Bikes von Hunters Entertainment genauer ansehen – und es ist sowas von „die Antithese zur OSR“ und so weit aus meiner Komfortzone raus, dass es einfach Spaß machen muss. Den Schnellstarter, den ich mir hier angesehen habe, könnt ihr euch bei DrivethroughRPG kostenlos runterladen und falls ihr noch mehr zu dem System hören wollt lauscht mal bei Grasis Kopfkinocast rein.
Das Cover – (Co) Hunters Games
Wie ihr am Cover schon erkennen könnt, spielen wir zwar Jugendliche (oder Kids oder Erwachsene), aber nicht im Stile einer Jugendbande à la TKKG, sondern eher wie in Stranger Things, ET oder Stand by me. Ich liebe ja die letzteren beiden, aber an Stranger Things musste ich mich erst einmal gewöhnen und Summer of 84 hab ich mir begeistert auf BluRay gekauft, aber noch nie angesehen.
Die Rückseite
Wenn ich mir das System ansehe, kommt es auf den allerersten Blick sehr traditionell daher. Es gibt Fight, Brawn, Flight, Grit, Brains, Charm 6 Hauptwerte, auf die die Würfel W4, W6, W8, W10, W12 und W20 verteilt werden, um Stärken und Schwächen des Charakters abzubilden. Mit diesen Würfeln wird dann in Konflikten gewürfelt, um einen Zielwert zu treffen oder zu übertreffen. Identisch läuft es im Kampf, wo je nach Narrativ zwei Attribute aufeinanderprallen. Das ist noch sehr klassisch. Und okay, ich bin kein Fan explodierender Würfel, aber – come on – so richtig modern ist das auch nicht mehr.
Ihr fragt was explodierende Würfel sind? Tschuldigung. Das bedeutet, dass ein Würfel, der sein jeweiliges Maximum würfelt, nachgewürfelt werden darf, wobei die Werte addiert werden. Das geht so lange, wie erneut der Höchstwert getroffen wird.
Innen-Titelblatt
Das war es aber auch schon an „traditionellen“ Mechanismen, denn alles andere ist sowas von NICHT-OSR, das habt ihr noch nicht erlebt.
Alleine ein Blick auf die Charaktere zeigt, dass hier einiges an Player Empowerment läuft. So bekommen sie Token, wenn sie Proben vergeigen und diese Token können sie nutzen, um Boni auf spätere Würfe zu erhalten (langweilig) oder um ihre jeweiligen Stärken auszulösen (zu aufregend). Mit diesen Stärken können sie Gegenstände erscheinen lassen oder Boni für ihre Freunde erhalten. Nicht flammneu, sondern schon oft gesehen, aber weitab von allen OSR-Gedanken.
Insgesamt sind die Charaktere sehr interessante Gebilde, die neben den 6 Werten noch durch einige Fragen definiert werden und zu Beginn des Spiels ihre Rucksäcke gefüllt bekommen – nicht nur materiell, sondern auch psychologisch. Wäre ich jetzt nicht verbohrt und altmodisch, wäre das hier ganz sicher mein liebstes Elements des ganzen Spiels.
Auch zu Beginn des Abenteuers können die Spieler*innen schon Einfluss auf die Welt und das Spiel nehmen, indem sie je ein Gerücht in die Welt setzen, das sich später als wahr erweisen kann oder doch nur Kokolores war.
Abenteuer sind hier nicht festgelegt, sondern es werden einzelne Elemente angeboten, die die Gruppe anspielen kann oder auch nicht. Falls ich als SL nicht weiterweiß, soll ich dann die Spieler*innen einfach fragen, was sie denken, wie es denn weiter gehen wird – um dann damit weiterzuspielen. Niiiiiicht mein Stil, aber hey, ausprobieren kann ich es ja mal.
Am krassesten un-old-schoolig finde ich das Konzept des Powered Characters, einer Spielfigut, die im Laufe des Spiels dazukommt, irgendwelche besonderen Fähigkeiten besitzt und von der Spielleitung und den Spieler*innen gemeinsam mit Leben gefüllt und im Spiel geführt wird. Abgefahrener Shit. Bon gespannt, wie das im Spiel fluppt.
Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die Runde – das wird ganz sicher cool werden. Nach der Runde Space Pirates auf dem Twitch-Kanal des Retrocast Ende letzter Woche wird es nun die zweite interessante Indie-Runde innerhalb weniger Tage. Wenn alles glatt läuft, werdet ihr euch in Bälde vom Ergebnis dieses Experiments überzeugen können. Was denkt ihr, mit wem ich Kinder auf Fahrrädern spielen werde?
Ich erinnere mich noch gut an unsere SL-Battle bei Orkenspalter TV. Am Gratisrollenspieltag redeten „Blechpirat“ Karsten und ich – unter der gar gestrengen Moderation von Mhaire – über SL-Stile. Und spätestens, als es um Turnierabenteuer ging, war Karsten ebenso hellhörig wie interessiert, da diese Idee weitab von seinem Spielstil lag. Gestern habe ich mit ihm wegen anderer Dinge Mails ausgetauscht, ich fragte ihn nach einem Thema für die Seifenkiste und er hat sich „Turnierabenteuer“ gewünscht. Nun denn. Mal sehen, was mir da spontan zu einfällt.
Vorerst sei einmal etwas Werbung gemacht, denn mit der „irgendwann“ beginnenden Vorbestellaktion zu Swords & Wizardry wird eine neue und erweiterte Fassung von „Die Festung des Bergkönigs“ erscheinen – inklusive eines kleinen Kapitels über Turnierabenteuer. Nur mal so als kleiner Hinweis.
Für diesen Artikel bin ich aber erst einmal in den Keller spaziert und habe mir die AD&D 1-Abenteuersamlung Realms of Horror genauer angesehen, denn die enthält einige der berüchtigtsten Turnier-Module der Rollenspielgeschichte:
S1: Tomb of Horrors
S2: White Plume Mountain
S3: Expedition to the Barrier Peaks
S4: The Lost Caverns of Tsjocanth
Umschlag und Inhaltsverzeichnis
Aber fangen wir vorne an. In den späten 70er Jahren wurden auf den (Rollenspiel-)Conventions Abenteuer angeboten, die von mehreren Gruppen unter „genormten“ Bedingungen gespielt wurden. Innerhalb einer bestimmten Zeit galt es, im Abenteuer besonders viel zu erleben, Monster zu töten oder zu umgehen, Fallen zu entkommen, Schätze zu sammeln …
Diese „Erlebnisse“ wurden dann am Schluss auf einem vorher festgelegten Bewertungsbogen abgehakt und jedes Abenteurer*innen-Team hatte am Schluss eine bestimmte Punktzahl. Das Team mit den meisten Punkten war das Sieger-Team. So einfach ist das. Aber es gab auch von den aktiven Spielleitern eine Wahl, um die*den wertvollste*n Spieler*in zu bestimmen. Ihr alle habt sicher schon das nette Anekdötchen gehört oder gelesen, dass Joe Dever, der leider schon verstorbene Autor der Einsamer Wolf-Spielbücher 1982 die offenen amerikanischen AD&D-Meisterschaften gewonnen hat.
Vom Ablauf her muss natürlich gewährleistet sein, dass die Umstände für alle Teams möglichst exakt gleich sind und so gibt es vorgefertigte Charaktere, gleiche Ausrüstung, gleiches Abenteuer und eine feste Spielzeit.
Tipps für die Spielleitung
Schon an diesen Voraussetzungen erkennt man, dass diese Abenteuer eine ganz spezielle Natur haben müssen. Es ist nämlich nicht das (primäre) Ziel das Abenteuerin seiner Gänze zu erleben und zwangsläufig zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen, da mir ja nur ein bestimmter Zeitrahmen zur Verfügung steht. Schon gar nicht geht es um immersives Rollenspiel. Das ist hier reine Zeitverschwendung. Charaktere ausspielen? Papperlapapp!
Im Prinzip ist es ein Spielstil, den ich sehr schätze, aber ins Extrem durchgezogen. Ich mag es ja gerne, wenn die Abenteuer ihre Herausforderung nicht an die Charaktere, sondern an die Spieler*innen richten, die versuchen, sie mit ihren Charakteren als Werkzeuge zu bestehen. Und das ist hier wirklich auf die Spitze getrieben. Natürlich spielt das Glück eine gigantische Rolle, sei es bei den Würfelwürfen oder beim Treffen der richtigen Entscheidung, aber bei diesen Turnieren haben sich dann doch immer Teams durchgesetzt, die auf diese Art und Weise an Abenteuer heranzugehen gewöhnt waren. Es geht darum, als Spieler*in im Team die Spielleitung zu bezwingen. Ihre Fallen zu durchschauen, ihre Monster clever zu umgehen, ihre verborgenen Schätze zu finden. Nüchtern betrachtet ist das eine stark metageprägte Form an das Thema Rollenspiel heranzugehen und das Ausspielen der Rollen fällt hier fast komplett flach, aber prinzipiell geht es darum zu erahnen „wenn ich das Abenteuer geschrieben hätte, was würde sich dann hier befinden“? Und es ist sehr befriedigend, wenn es gelungen ist, hinter die Stirn der Spielleitung zu sehen und einer tödlichen Falle entgangen zu sein oder eine durch Magie verborgene Superwaffe zu finden, die das ganze Abenteuer erleichtern wird.
Hefte mit Handouts und Illustrationen
Ein großer Unterschied zwischen normalen Abenteuern, die ich gerne spiele und Turnierabenteuern liegt natürlich in der Fairness der Herausforderungen. Auch in meinen normalen Abenteuern will ich die Spieler*innen herausfordern, aber es muss immer eine gute Chance bestehen, dass sie die Hindernisse überwinden und das Abenteuer „abschließen“. Bei Turnierabenteuern ist das nicht notwendig. Die Gruppen haben ja ohnehin hur einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung, da kommt es vor allem darauf an, während dieser Zeit ordentlich auszusieben.
Sehe ich mir beispielsweise die Legende „Tomb of Horrors“ an, so kann eine Abenteurer*innen-Gruppe schon in den ersten Räumen dezimiert werden, ach, was sage ich – schon bevor sie den eigentlichen Dungeon überhaupt betreten hat:
So gibt es drei potentielle Eingänge. Eingang 1 führt in einen Gang, der sehr schnell endet. Dafür kommt die Decke runter und verursacht pro Nase 5W6 Schaden. Nicht gut. Der zweite falsche Eingang ist noch mieser. Hier wird im schlimmsten Fall die komplette Gruppe zerquetscht – und hier ist exakt geschildert, wie das vonstatten geht und wie ich als Spielleitung das ganz genau verwalten muss. Mir gefällt hier sehr gut, dass es für so ziemlich jeden Raum ein Bild gibt, wo sich die Gruppe genau ansehen kann, was sie erwartet. Das ist natürlich im Turnierablauf schneller zu verarbeiten, als jedes Mal alles exakt beschreiben zu müssen- So werden die Raumbeschreibungen kurz gehalten und durch die Bilder unterstützt. Auch auf eventuelle Probleme wird hier öfter hingewiesen, wenn nur genau genug hingesehen wird. Spiele ich das Abenteuer, muss ich mich also schon vorab gut umsehen und Vermutungen anstellen und Schlussfolgerungen ziehen, wo ich mich hinwagen kann und wo lieber nicht.
Ich stelle gerade fest, dass es gar nicht so leicht ist, das zu beschreiben und in Worte zu fassen. Wir haben ja zuletzt auf der RPC 2010 „Die Rückkehr des Bergkönigs“ mit einem Turnierabenteuer beglückt – vielleicht sollte ich mal ein kleines Abenteuer für Online-Turniere schreiben. Das sollte das perfekte Medium für diese Art von Spiel sein.
Hmmm … war das alles halbwegs verständlich ausgedrückt, oder muss ich einen weiteren Anlauf machen?
Vor Jahren habe ich mal dieses großartige Machwerk in einem Bücherschrank gefunden, drübergeblättert, gekichert und es dann ins Regal gestellt. Vorgestern bei einer Podcast-Aufnahme mit Michael vom Fantastische Antike-Podcast habe ich nach langer Zeit mal wieder daran gedacht.
Ihm war gar nicht so klar. mit welchen Widerständen das Hobby Rollenspiel in den 80er Jahren, aber in geringerem Maße auch bis heute zu kämpfen hat. Mittlerweile beginnt dieser Zeitvertreib durch Fernsehserien wie Stranger Things, Community oder Big Bang Theory, langsam einen Weg in die Mitte der Gesellschaft zu finden. Es wird immer mehr erkannt und akzeptiert, dass es sich einfach um eine Art Brettspiel handelt, nicht um den Versuch, wirklich und wahrhaftig Dämonen zu beschwören oder sich mit einem Schwert durch reale Gegner zu schnetzeln.
Schauen wir uns also Der Griff nach unseren Kindern – Einblicke in ein (un)heimliches Erziehungsprogramm aus dem Jahr 1988 ein wenig genauer an. Das Ding ist echt aufschlussreich – und dabei geht es auf das Rollenspeil überhaupt nicht ein. Wissen um diese diabolische Bewegung hätte die beiden Autor*innen sicher um den Schlaf gebracht.
Das Cover – (Co) Verlag Schulte und Gerth
Schon das Cover wird es schaffen, alle besorgten Eltern der späten 80er Jahre in Alarm zu versetzen. Das beginnt beim Titel. Hey, irgendwer oder irgendwas will nach unseren Kindern greifen. Alaaaarm! Gut, dass uns hier jemand Einblicke gewähren kann. Und dann sind es noch Einblicke in ein Erziehungsprogramm! Ein Programm! Da hat jemand einen Plan. Den setzt er durch. Und er greift nach meinen Kindern! Alaaaaaaarm! und dieses Programm erzieht. Verdammt. Das ist doch meine Aufgabe. Die da oben oder wer auch immer soll aufhören, meine Kinder zu erziehen. Und dann findet das noch heimlich statt. Dann sollen die doch wenigstens dazu stehen. Puh. Ganz schön unheimlich. Toller Titel, aus meiner Sicht vielleicht eine Spur tendentiös. Schade, dass die beiden Autor*innen nicht noch Doktortitel haben, das hätte sich noch viel besser gemacht und hätte noch seriöser gewirkt.
Und was ist mit der Illustration? Was geht da ab? Uh. Komische Dinge kriechen aus dem Fernseher. Ah. Fernseher. Ja, dem misstraue ich ohnehin. Da glotzt meine Sabine ohnehin schon zu viel rein und Markus will immer dieses bescheuerte Raumschiff sehen. Völlig ohne Copyrights zu verletzen werden hier schon einige Figuren der Popkultur bezichtigt, „unheimlich“ nach meinen Kindern zu greifen. He-Man (der aussieht wie Hulk Hogan), Battlecat und das Sams sind schon aus der Glotze geflüchtet, auch Pippi Langstrumpf ist schon entkommen. Gerade kriechen ET und ein wilder Kerl aus der Röhre, irgendein Grim Reaper und ein Regenbogen sind noch im Fernseher, aber die entkommen sicher auch bald.
Den Regenbogen finde ich besonders spannend. Der könnte mehrere Dinge bedeuten. Er könnte ganz vulgär für die Gummibärenbande stehen. Er könnte für das Gute stehen, das sich der ganzen Sache entgegenstellen muss. Aber er könnte auch symbolisieren wie schleichend und „heimlich“ dieses Erziehungsprogramm durchgeführt wird.
Schauen wir doch mal auf die Rückseite.
Die Rückseite
Ooooookay! Der Text rockt schonmal alles weg und verstärkt nicht nur meinen Eindruck vom Cover, sondern ballert direkt aus allen religiös-fundamentalistischen Rohren. Und das sage ich, als von der Kirche legitimierter Lehrer für evangelische Religion. Bisher gab es in Kinderzimmern also brav-biedere Püppchen und harmlose Würfelspiele. Heute sind es Kinderbücher, Hörspielkassetten, Filme, Comics und „sogar“ Würfelspiele.
Und diese sind randvoll mit „bestimmten“ Botschaften.
Und hey, das ist doch vielleicht nicht nur Zufall, das muss doch jemand orchestrieren.
Die Kurz-Bios der Autor*innen weisen da schonmal die Richtung. Katrin Ledermann hatte einst eine Karriere, rutschte dann ab, gab den Guru, stieg dann aus der New-Age-Bewegung aus und ist jetzt natürlich prädestiniert, davor zu warnen. Ulrich Skambraks ist Medienkritiker mit dem Schwerpunkt Fantasy und Okkultismus. Schade, dass er damals noch nicht an der Youtube-Universität studieren und später lehren konnte.
Aber Boshaftigkeiten beiseite – das Buch ist schon auf dem Umschlag eine gute Mischung aus vorgeblicher Kompetenz des Autor*innen-Teams und einer ganz klaren Warnung an alle Eltern, die jetzt im Inneren ausgeführt werden wird.
Ich habe Angst, freue mich und grusele mich gleichzeitig, also schauen wir mal ins Inhaltsverzeichnis.
Das Inhaltsverzeichnis
Da wird echt aufgefahren. Und wir erfahren direkt wo das Problem liegt – die Gedanken der New Age-Bewegung sollen ins Kinderherz transportiert werden. Und das geschieht subtil und schrittweise. Ich will da jetzt echt nicht auf die einzelnen Kapitel eingehen – ihr könnt euch selber diese wunderbar manipulativen Einzelpunkte ansehen. Ich kann mir gerne auf Wunsch mal einzelne Elemente genauer ansehen. Mein Favorit da wäre das Brettspiel „Die drei Magier“. Da sehe ich auch eine große Gefahr, dass ich von einem simplen Brettspiel in den Okkultismus gestürzt werde.
Es gibt im ganzen Buch nur sehr wenige Illustrationen (ich meine drei gesehen zu haben), aber eine muss ich euch unbedingt zeigen.
Glücksbärchis – Presseheft
Ah. Okay. Jetzt wissen wir auch, was es mit dem Regenbogen auf dem Cover zu tun hat. Er ist die Verbindung zwischen der Menschenwelt und der Welt der Geister. Ja, genau. So ist das. Hätte ich als Religionslehrer jetzt von der Bibel her symbolisch anders gesehen, aber come on, so passt das viel besser in die Bangemacherei. Ist notiert: Regenbogen = gefährlich.
Lesen wir mal rein…
Bibel und Jenseits
Ha. Die Person, die das Buch vor mir besessen hat, hat schon genau die Schlüsselstelle des gesamten Buchs für mich unterstrichen. Ich will für sie hoffen, dass sie das Ganze kritisch gesehen hat und nicht den Autor*innen aus der Hand gefressen hat. Klar. Auch ich finde, dass New Age Konzepte keine Antworten auf Diesseits und Jenseits geben – mal ganz abgesehen davon, dass der New Age-Begriff im Jahr 2021 schlichtweg überhaupt keine Rolle spielt. Aber das Zwischenfazit, das die beiden Schlawiner ziehen, ist genau so abenteuerlich. Ich finde die Bibel ein großartiges und spannendes Buch, in dem es sich lohnt (kritisch) zu lesen, aber dass sie „Fakten über die Beziehung von Diesseits und Jenseits“ enthält, ist – nun ja – wie soll ich es sagen? Gewagt. Das mit solcher Sicherheit zu behaupten ist echt ein Kracher und macht es mir schwer, mich weiter mit dem Buch auseinanderzusetzen.
Wie gesagt – ich sehe mir auf Wunsch gerne Teile genauer an, zum vorläufigen Abschluss sollt ihr noch etwas über den finalen Anhang erfahren, der ist einfach sehr repräsentativ für das gesamte Werk.
Der kleine Text heißt „Mut zum Anderssein – auch in der Schule“ und beginnt damit, dass die Autorin in der 9. Klasse im Deutschunterricht einen kurzen Aufsatz schreiben „Als welches Tier möchte ich wiedergeboren werden?“ Das kann sie natürlich nicht mit ihrem festen Glauben an Gott vereinbaren. Hui. Ich bin gespannt, wie sie diesen Konflikt lösen kann. Okay, die Eltern wissen auch erstmal nicht weiter. Aber der Bruder, ein engagierter Jungscharführer, beharrt darauf, dass sie den Text nun wirklich nicht schreiben kann. Sie könne doch den Kindern in den Andachten nicht von Gott erzählen und sich nicht ehrlich zu ihm bekennen. Gut. Sie betet. Ihre Eltern beten für sie. Jetzt ist alles klar. Sie wird das nicht schreiben, sie kann ihren Auferstehungsglauben nicht leugnen. Aber was nun? Beim Schreiben des Aufsatzes betet sie nochmal. Gott gibt ihr Kraft. Sie schreibt irgendwas über Delfine, aber erklärt im Aufsatz, warum sie den Aufsatz nicht so schreiben kann, Gott gibt ihr Kraft, sie fühlt sich toll, der Lehrer gibt wegen Thema verfehlt ne schlechten Note, aber sie ist sich sicher, dass er sich mies fühlt, weil sie sich ihm widersetzt hat. Yada-yada-yada.
Himmelherrgottsakra, was für ein insgesamt völlig unrealistisches Setting. Da ist wirklich jedes einzelne Element erfunden und/oder so verfremdet, dass es zur Moral der Geschicht‘ passt. Aua.
Verdammte Axt, ich bekomme gerade fast wieder Lust wissenschaftlich-analytisch zu lesen, schreiben und arbeiten. Das habe ich doch schon vor 25 Jahren „for good“ hinter mir gelassen.