[Sonntags-Interview] Michael Mingers (Ulisses)

Das Sonntags-Interview kommt heute mal pünktlich am Montag, da wir gestern länger unterwegs waren als geplant. Dieses Mal habe ich Michael Mingers erwischt – seines Zeichens „stellvertretender Verlags-Dingenskirchen“ bei Ulisses!

1. Michael – schildere doch mal bitte kurz deinen Weg ins Rollenspiel.
Ich bin Anfang der 1990 herum zum Rollenspiel gekommen, fast unmittelbar nach meiner Ankunft am Gymnasium. Der neue Klassenkamerad, neben den ich zu Sitzen kam, erzählte von Battle Trolls, NES-Spielen und anderem heißem Scheiß, den wir damals eben so hatten. Und irgendwann erzählte er dann auch von diesem Rollenspiel, das sein älterer Cousin mit ihm spielen würde. Ich war völlig fasziniert davon und in meinem Kopf spielten sich nur Szenen von Game Boy Rollenspielen ab. Davon hatte ich in den damaligen Videospielzeitschriften gelesen, PnP-Rollenspiel war mir völlig fremd.
Dann legten wir los und eroberten zu zweit mit der DSA-Basisbox Gareth und Umgebung. Und zwar wirklich, wir haben Dörfer eingenommen und dortige Herrscher gemeuchelt oder alle Wachen erschlagen. So stellten wir uns damals vor, dass man die Kontrolle übernimmt.
Mein Waldelf Romualdo (Name aus der Fernsehserie Fantaghiro übernommen) kämpfte aber auch effektiv mit Kettenhemd und Ochsenherde (höchster Schaden!) und beschwor auch mal gerne ein Skelett zur Unterstützung. Aber wir hatten dann später auch Lichtschwerter, F-Zero-Flitzer und Cyberware, einfach weil wir alles übernommen haben, was wir damals cool fanden.
Es war total wildes Gonzo-Rollenspiel, dass ich auch später wieder sehr schätzen gelernt habe.
2. Hört sich wirklich wild an. Genau so muss Rollenspiel sein. Wie verlief den der Weg von diesen „wüsten Tagen“ in die Industrie?
Nachdem wir dann viele Jahre am Gymnasium und im Freundeskreis zockten, lernte ich dann irgendwann über dieses Internet den Herrn Michalski von der DORP kennen. Das erweiterte meinen Bekanntenkreis in die Eifel und ich lernte doch neue Rollenspieler und Spielarten kennen. Ich stieg bei den Nasen auf der DORP ein und wurde Rezensent für den ganzen Kram, den die Magus-Stimmungsspieler da unten doof fanden, also vor allem d20-Material. Irgendwann nachdem ich die GamerZero-Videos von WotC gesehen hatte, wollte ich dann so etwas auch in Deutschland machen. Weniger ein journalistisches Format, sondern eine Möglichkeit für Rollenspielschaffende, auf Cons ihre Nase in die Kamera zu halten und von ihren Produkten zu erzählen. Damit auch Leute zu Hause mal die Leute hinter den Büchern sehen und hören konnten. Das hat mir über die Jahre einige Kontakte eingebracht und als ich dann 2012 die Stellenausschreibung bei Ulisses für einen Redakteur sah, habe ich mich formell beworben, wurde eingeladen und bekam nach einem Einstellungsgespräch den Job. Ich denke mal, dass meine vorherige Arbeit als Fan in der Szene, mein breit angelegtes Wissen über verschiedenste Systeme, aber auch mein Studium der Geisteswissenschaften und Praktika in Redaktionen da auch geholfen haben.
Oh, und dass ich DSA4 nicht mochte, denn man suchte gezielt auch nach jemandem, der die DSAler in Ruhe lässt und sich um die anderen Reihen bei Ulisses kümmert, zu dieser Zeit also vor allem BattleTech und Pathfinder.

3. „DORP“ ist ein gutes Stichwort. Sorry, aber ich muss einfach auch auf deine Eifel-Hollywood-Karriere zu sprechen kommen: Erzähl doch mal den Lesern irgendwas über deine Rolle als Xoro, was selbst ich nicht weiß.
Das ist bei dir als ausgewiesener Fachmann und Fan natürlich nicht leicht. Als die DORP-Kollegen meinten, dass sie einen Barbarenfilm drehen wollten und ich die Hauptrolle übernehmen sollte, sagte ich in der urigen Annahme zu, dass die das ja eh nicht durchziehen. Haben sie aber durchgezogen. Also gab es es ein paar Jahre später einen sehr, sehr trashigen No-Budget-Barbarenfilm, dessen Name auf Michalskis schrottigem DVD-Player beruhte. Den gab es in aller pixeligen 4:3 Herrlichkeit auf DVD samt Making-of und inzwischen auch auf Youtube. Wer also mal sehen möchte, wie ich mit Indianermädchenperücke, zehn Jahre leichter und 30 Kilo jünger aussehe, der kann da einen Blick riskieren.
Die halbe Stunde gibt euch aber niemals jemand wieder. Umso erstaunlicher, dass es 2016 mit Hilde und den Glocken der Amazonen sogar ein Spinoff-Prequel geben wird. Und irgendwann vielleicht ein Xoro 2 …
4. Okay, die Indianermädchenperücke lasse ich mal als neue Info durchgehen. Beschreibe doch mal bitte etwas genauer, was du bei der DORP so getrieben hast, wenn du nicht gerade mit einem Schwert in der Hand durch die Eifel gerannt bist, um dich dabei filmen zu lassen?
Ich habe vor allem sehr viel rezensiert. Hunderte von Buchbesprechungen auf der DORP sind von mir, vorrangig aus dem Bereichen d20 und D&D, aber auch BattleTech-Romane und mal was Abwegiges. Ein paar Downloads habe ich auch beigesteuert oder mitgeschrieben, etwa die Kastanienmännchenverschwörung als Abenteuer für die 1W6 Freunde, ein Abenteuer für Arcane Codex in der Region, in der ich auch das Quellenbuch für den Verlag schreiben durfte oder auch Stranded. Das ist ein Mini-Rollenspiel voller Zufallstabellen mit dem ich vor allem meine Abneigung gegen die Verarsche bei Lost zum Ausdruck bringen wollte. Es ist aber vermutlich eines der Spiele aus unserem Portfolio, dass man eher lesen statt spielen sollte …
Als ich dann mit DORP-TV vor der Kamera und als Redaktion (und Ralf Murk hinter der Kamera und am Schnittrechner) aktiv wurde, rückte ich dann auch mehr ins „Zentrum der Aufmerksamkeit“, obwohl der Kollege Michalski eigentlich die meisten Sachen schrieb und erledigte.
Als ich dann gen Waldems auszog, um den Leuten vom großen U zu dienen, konnte ich aber weder anderen Verlagen kritische Fragen im Interview unter die Nase reiben, noch Rezensionen zu Produkten schreiben. Das hätten dann zu viel Geschmäckle gehabt denke ich. Tom, Markus und Janine übernahmen DORP-TV und ich brachte irgendwann Thomas dazu, dass wir einen Podcast aufnehmen, um wieder mehr Inhalte auf die DORP zu bekommen. Und seit fast drei Jahren nehmen wir nun via skype den DORPcast auf, wo wir über Rollenspiel, Medien, Cons, usw. sprechen und das ins Netz stellen.

5. Jau, den DORP-Cast wie auch DORP-TV kann ich auch nur jedem wärmstens ans Herz legen. Und dass du mittlerweile bei Ulisses gelandet bist, sollte auch mittlerweile jeder mitbekommen haben? Aber wie wird man innerhalb so kurzer Zeit vom Showpraktikanten, der nicht mal an DSA ran darf zum stellvertretenden Verlagsdingenskirchen? War da Sex im Spiel?
Würde man mit Sex weiterkommen, dürfte ich vermutlich heute noch BattleTech-Datenbögen von Hand einzeln eindeutschen. Ich hoffe mal, dass ich durch Einsatz und Kompetenz überzeugen konnte und deswegen heute eine höhere Position in der Firma habe, als noch drei Jahre zuvor. Es hat sicher auch geholfen, eben nicht bei DSA eingebunden zu sein, da wir uns immer breiter aufgestellt haben und ich längere Zeit alles betreut habe, was eben nicht DSA war. Das ist insgesamt eine Menge Arbeit und auch nicht immer Spaß, aber ich gehe in dem Job auf und es klappt mehr als schief geht. Allerdings steht bei unserer Branche bei allem was schief geht, dann jahrelang bei Leuten im Schrank …
6. Du hast ja in den letzten 3 Jahren ordentlich Kram über deinen Schreibtisch gehen sehen, gibt es irgendetwas, worauf du ganz besonders stolz bist?
Als negativer Mensch sehe ich leider immer vor allem die Produkte, die nicht gut funktioniert haben. Besonders stolz bin ich nicht mehr unbedingt auf einzelne Produkte, sondern darauf, dass wir es trotz immer wieder auftauchender Rückschläge geschafft haben, den Produktausstoß und auch die Qualität der Produkte zu vergrößern, die wir in den deutschen Rollenspielmarkt bringen können. 2016 wird da, auch dank des Crowdfundings noch eine ganze Menge Kram veröffentlicht werden, der den dt. Markt sicher bereichern wird. Und über dieses Medium kann ich dann auch Reihen realisieren lassen, die ich unbedingt im Markt sehen will, die es auf üblichem Weg aber schwerer haben dürften.
7. Denkst du da an bestimmte Reihen und kannst du schon irgendetwas dazu verraten?
 Ja und nein.
8. Hosen runter!
Die Kobolde König Torgs (Preiset König Torg!) sind ja schon dabei unsere Facebook-Seite nach und nach zu übernehmen, da wird es Anfang 2016 dann etwas zu geben. Danach versuchen wir noch Königreiche voller Mayonnaise für den deutschen Markt zu erschließen, vergessene Planeten eines zertrümmerten Imperiums wiederzuentdecken, unsere Welt auf verschiedene Arten zu vernichten und Dämonen auf eine barocke Welt zu entlassen.
Plus zahlreiche andere Sachen, Spiele, Bücher und Reihen … 2016 wird sehr spannend, auch international.
9. Na geht doch! Du bist zwar der Ulisses-Nicht-DSA-Typ, aber hast du mal irgendwie in den Redaktionshallen etwas dazu vernommen, was man sich vom englischsprachigen „The Dark Eye“ verspricht? Ich finde das persönlich ja äußerst cool, prognostiziere aber ein brutales Marktdebakel… 
Ich bin ja nicht mehr der Non-DSA-Typ. Gerade bei den ersten Produkten zu DSA5 war ich da noch tief drin und habe viel Layout übernehmen müssen. Und da ich inzwischen stellvertretender Verlagsleiter bin, kümmere ich mich zwar nicht um die Inhalte bei DSA, muss aber dennoch die Produkte auf den Weg bringen.
Bei The Dark Eye haben wir ja ein amerikanisches Studio, das die Reihe betreut und mit Paizo einen enorm starken Partner für den Vertrieb. Selbst wenn TDE im englischsprachigen Markt nur eine Nische bleibt, dann heißt Nische bei denen das, was bei uns in Deutschland in Zahlen eine äußerst stabile Reihe wäre. Und da wir den Kram ja eh erstellen, ist die Übersetzung dann nicht mehr so aufwändig. So viel Geld in ein Produkt zu stecken und es dann nur auf Deutsch zu veröffentlichen wäre eher eine Sackgasse, daher müssen wir international tätig werden. Und mit dem Feedback, das wir von den Kunden direkt auf der Gencon dieses Jahr bekommen haben, sollte da doch einiges gehen. Und es wird ja auch eine französische Fassung geben, die allerdings von den Kollegen von BlackBook Editions übersetzt und veröffentlicht werden wird. Und wenn man sich das Feedback bei denen alleine zur Ankündigung anschaut, rechne ich bei deren Fassung auch nicht mit einer Nische.
Mal ganz davon abgesehen, dass wir Anfragen oder bereits Umsetzungen von russischen, niederländischen und italienischen Fans haben, die den Schnellstarter übersetzen und sogar layouten. Hexenreigen als kostenloses Einsteigerabenteuer ebenfalls. Interesse ist auf jeden Fall da.
10. Okay. Das würde mich natürlich freuen. Danke schonmal für deine Zeit. Gibt es noch etwas, was du dem deutschsprachigen Rollemspielvolk in den Gehörgang tätowieren möchtest?
Versucht besser Leute für etwas das ihr mögt zu begeistern, als Leuten, die etwas anderes mögen als ihr, davon zu überzeugen das sie falsch liegen. 

3 Gedanken zu „[Sonntags-Interview] Michael Mingers (Ulisses)“

  1. Hätte mir etwas mehr konkretere Info zu 2016 vom stellvertretenden Verlagsdingenskirchen erwartet, er bleibt ja insgesamt doch eher vage.
    Wer genau wird wann die Übersetzung zu DSA5 auf dem US-Markt machen, ist das schon bekannt? Paizo macht ja nur den Vetrieb? (was ja auch schonmal sehr gut ist)

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