Finsterland
Autoren: Georg Pils, Gregor Eisenwort
Verlag: Eigenverlag
Seiten: 168 (gebunden)
Erscheinungsjahr: 2010
Preis: 25 Euro
ISBN: 978-3-200-02332-1
Zuerst sei einmal im Voraus bemerkt, dass ein Hardcover im Eigenverlag immer eine sehr lobenswerte und idealistische Sache ist, denn die Produktionskosten sind doch schon recht amtlich. Alleine dafür gebührt der österreichischen Crew um Georg Pils schon einmal ein respektvoller Schlag auf die Schulter. Der nächste Schlag ist dafür, dass sich hier ein „Kleinverlag“ auch von der Auflagenhöhe her in die Karten blicken lässt und ich veröffentlichen darf, dass die erste Auflage von 100 Exemplaren schon ausverkauft ist und wir uns derzeit in der zweiten Druckauflage von erneut 100 Kopien befinden. Es wurde also schonmal ein Schritt getan, der den meisten anderen Heartbreaker-Systemen nicht gelingt.
Allgemein kann man an dieser Stelle sagen, dass die Produkte vieler „Hobbyisten“ an Aussehen und Qualität vielen „Profi-Produkten“ in nichts nachstehen. Das ist eine Entwicklung, die ich als sehr positiv ansehe.
Aufmachung: Respekt! Wenn ich das Teil in einem Händlerregal zwischen D&D, DSA, Hollow Earth Expedition und Rolemaster sehen würde, würde es auf den ersten Blick nicht gegen die „Profis“ abstinken. Das Cover ist schön „darque“ und auf den ersten Blick schick viktorianisch. Der Untertitel „Abenteuer in der Welt der Magie und des Fortschritts“ wird aber durch den merkwürdig auf einem Geländer hockenden Magier unterstrichen, zu den üblichen viktorianischen leicht steampunkigen Elementen, haben wir es hier also auch mit einer magischen Welt zu tun. (An dieser Stelle schnell noch ein Lesetipp zum Thema: Die Trilogie Magierdämmerung von Bernd Perplies)
Die s/w-Illus im Inneren, die vom gleichen Autor sind, wie die Cover-Illu, gefallen mir ausgesprochen gut, auch wenn der Stil wohl noch etwas ausgefeilt werden könnte, aber leider gibt es auch ein paar Lückenfüller-Illustrationen anderer Zeichner, die dann doch etwas abfallen. Besonders brutal schlägt einem da der am Cmputer erstellte Palast auf Seite 91 ins Genick.
Ansonsten sieht alles sehr gefällig aus – zweispaltiges Layout, schicke steampunkige Zierleisten an den Seiten, gute Gliederung durch die ersten Seiten der Kapitel und Überschriften. Da bleibt wenig zu meckern.
Inhalt: Die Gliederung ist sehr klar mit: Einleitung, Erstellen einer Figur, Spezialmanöver, Hintergründe, Handlungen, Kämpfe, Spielwelt, Spielleiter, Gegner und Beispielabenteuer.
Eine gute Idee ist es, dem Werk die Inspirationen der Autoren voranzustellen. Da hat der Leser direkt einen Eindruck, auf was er sich einstellen darf UND er bekommt Tipps, wie er sich selber auf die Stimmung des Spiels vorbereiten kann.
Die Charaktererschaffung ist einfach und mit Ausschnitten aus dem Charakterbogen schön optisch untermalt – das kriegt tatsächlich auch ein Neuling hin. Schön gemacht. An Charakterklassen (hier „Charaktermodelle“ genannt) gibt es Machinatoren, Ritter, Soldaten, Magier, Detektive, Dilettanten, Räuber, Diebe und Ingenieure.
Würze erhält der Charakter nun duch sogenannte Spezialmanöver (von Kampf über Körper bis zu Magie und Sozial) und Hintergründe wie zum Beispiel Machinatorensekte, Ritterorden oder Magischer Zirkel.
Insgesamt kommt bei den hier zu erschaffenden Charakteren die Magie etwas zu kurz, aber das bereitet mir nur wenige Sorgen, denn ich habe hier noch den „Almanach der Zauberkunst“ liegen, da dürften alle weißen Flecken auf der Charaktererstellungslandkarte gefüllt werden.
Der Spielmechanismus sieht etwas aus wie eine Heartbreaker-Version von WoD, was natürlich nicht schlecht sein muss. Es gibt ein W10-Poolsystem sowie 5 Eigenschaften und 15 Fertigkeiten, auf denen die Würfe basieren. Sehr geil finde ich hier die „Titel“ der jeweils 5 Stufen – Beispiel gefällig?!? Bei „Aufmerksamkeit“ haben wir beispielsweise: Betrunkener – Vogelkundler – Lehrer – Gefängniswächter und Adlerauge.
Schick ist auch, dass es nicht nur Kampfregeln gibt, sondern auch Regeln für solziale Interaktion oder körperliche Handlungen. Nicht sonderlich komplex, aber sieht auf den ersten BLick funktional aus. Ich hoffe doch sehr, dass ich die Macher mal auf einer größeren Veranstaltung wie der RPC sehen werde und dort ein Ründchen mit ihnen spielen kann.
Wichtigstes Merkmal von Finsterland ist aber das Setting – eine Art Bismarck-Steampunk-Magie-Melange (mein Gott, meine Zeit mit den Zillertaler Schürzenjägern hlt mich wieder ein). Gefällt mir gut, ist kurz und knapp dargestellt und liest sich absolut spielenswert.
Der Abschnitt für Spielleiter ist der Abschnitt, der mir insgesamt am merkwürdigsten vorkommt. Die Tipps, die man hier findet sind auf hohem humoristischem Niveau, weshalb ich nicht ganz sicher bin, ob sie ernst gemeint sind, oder ob sich hier ein Dieter Nuhr des Rollenspiels in Druckfassung verweigt hat.
Beispiel gefällig?
„Spieler trennen nicht zwischen Spieler- und Charakterwissen.
Sehen Sie dem Spieler tief in die Augen und sagen Sie: „Das weiß deine Figur nicht!“ Wahlweise können Sie mit den Augen rollen.“
Abschließend findet sich nach einigen schicken Monstern (Ich habe noch nie einen Salamander im Frack gesehen!!!) noch ein kleines Szenario „Das Geheimnis der Eisenmeister“, das zeigen soll, wie eine Finsterland-Spielrunde aussehen kann. Es ist sehr einfach gehalten und recht geradlinig, aber was solls. Es wird ein kleiner Ausschnitt der Welt gezeigt und gegen Ende zeigt sich sogar, dass selbst dieses kleine Abenteuer hohe politische Brisanz in sich birgt. Schick.
Fazit: Ein System, das eine absolute Daseinsberechtigung neben den Rollenspiel-Größen hat und im deutschsprachigen Bereich in einen Sektor vorstößt, der derzeit ganz schwach bis gar nicht besetzt ist. HEX mit Abstrichen ist da so ziemlich das einzige Systrem, das mir einfällt. Wenn 2012 SPACE 1889 erscheint, wird sich Finsterland wenigstens eine ernsthafte Konkurrenz in den Weg stellen.
Äußerst positiv ist, dass man an vielen Stellen merkt, dass das Produkt für absolute Rollenspielneulinge geschrieben wurde, so gibt es in der Einleitung wichtige Hilfen und gerade im Regelteil findet sich eigentlich überall ein Beispiel für die Anwendung der jeweiligen Regel.
Eine kleine Besonderheit an Finsterland ist auch die Sprache, an der ich großen Spaß habe. Ich habe ja vor zwei Wochen schon „
Destiny Dungeon“ korrekturgelesen und zuerst die ganzen „Austrizismen“ (gibt es das Wort?!?) geändert, bis mir auffiel, dass sie einen Großteil des Charmes ausmachen. Gleiches gilt hier für Finsterland, das einen sehr trockenen Witz hat, der oft unauffällig aus der Hüfte abgeschossen wird. Alleine die Lektüre des Hintergrundteils ist echt lohnenswert.
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