[Rezension] Everyone is John (Pro Indie)

Puh! Endlich mal kein Raum für #dungeon23. Aber in zwei Tagen wird die Bestellung dieses grandiosen kleinen Erzählspiels freigeschaltet und auf der SPIEL in Essen könnt ihr es sogar direkt mitnehmen – der perfekte Zeitpunkt, um sich EVERYONE IS JOHN genauer anzusehen, das der Verlag Pro Indie uns in deutscher Sprache kredenzt.

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[Kickstarter] Viva la QueerBar

Hey, Seifenkistler*innen. Darf ich – bevor es wieder um 12 Uhr in den täglichen Dungeonraum geht – eure Aufmerksamkeit auf ein kleines und taufrisches Krautfunding richten? Vom Thema her nicht zwingend meine Komfortzone, aber ich habe das kleine, feine Projekt von einem kleinen, feinen Verlag direkt mal unterstützt, da ich finde, es kann nie schaden, spielerisch neue Positionen einzunehmen. Die Finanzierung begann am 22.02.23 und endet am 17.03.23 eine Minute vor Mitternacht. Ihr habt also Zeit, es euch zu überlegen. Erfreulicherweise ist die Chose schon zum derzeitigen Zeitpunkt komplett finanziert, sodass ihr euch jetzt mit eurer Bestellung auf das Erreichen von coolen Goals konzentrieren könnt.

Im Titel konntet ihr ja schon lesen, dass es sich um Viva la QueerBar handelt, aber ihr wisst noch nicht, dass es sich um ein Spiel von Plotbunny Games handelt, die damit nach Fräulein Bernburg ihren zweiten Crowdfunder an den Start bringen.

Das Logo mit der Erfolgsmeldung – (Co) Plotbunny Games

Überraschenderweise spielt ihr in VlQB (habe ich mal eben so genannt – keine Angst, dass ist keine offizielle Abkürzung) das Team einer queeren Bar, wie der Titel schon andeutete. Der Fokus liegt im Spielen von One-Shots mit einer Dauer von etwa 2-4 Stunden (was mir sehr entgegenkommt) und ermöglicht auf Basis von Karten und Fragen das Erstellen der Bar, der Charaktere sowie weiterer Details, die mit der Bar zu tun haben. Es ist wie ihr schon vermuten konntet ein Erzählspiel, bei dem es weniger darauf ankommt die Figur auszuspielen, sondern eher, sich mit ihren Gefühlen, Gedanken und Taten auseinanderzusetzen.

Sehr sympathisch finde ich, dass ihr wieder (wenn ihr es euch erlauben könnt und wollt) ein paar zusätzliche Euro in das Projekt hineinbuttern könnt, um nach Abschluss des Projekts „community copies“ freizuschalten, die dann kostenlos heruntergeladen werden können. Saugut und sehr fair!

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass es nicht wieder zahllose Stufen gibt, die ihr buchen könnt und die sich in schwindelerregende Euro-Höhen schrauben. Maximal-Einsatz sind hier 25 Euro, wofür ihr aber dann auch das englischsprachige und das deutschsprachige Zine erhaltet sowie die PDF-Versionen. Handfest und keine albernen Backing-Lavels wie: „400 Euro – das Zine in Goldlettern mit 37 Lesebändchen und von den Entwickler*innen höchstpersönlich in der royalen Kutsche vorbeigebracht“ – sowas ist doch Tinnef.

[Kurzbesprechung] The Stygian Library (SoulMuppet Publishing 2020)

Mein Wochenende wird wohl rappelvoll, da nutze ich den Samstagvormittag, um euch dieses tollen OSR-Abenteuer zumindest kurz vorzustellen: The Stygian Library.

Da wir Gruftschrecken ja immer maulen, dass die OSR-Szene extrem männlich geprägt ist, werde ich mir mal den Namen der Autorin – Emmy „Cavegirl“ Allen – fett auf einen Notizzettel schreiben und mir vorbehalten, das gute Stück als potentiell zu besprechendes Abenteuer vorzuschlagen.

Aber beginnen wir ganz von vorne – denn das Ding sieht toll aus. Ein wunderschönes handliches Hardcover – irgendwie habe ich eines der 2000 im ersten Umlauf gedruckten Exemplare erwischt – momentan könnt ihr euch das Abenteuer immerhin als PDF auf Drivethrough bestellen.

Die drei Fotos geben euch schonmal einen Eindruck wie toll dieses Abenteeur aussieht, dann kann ich ja mal direkt für euch reinblättern.

Laut Selbstbeschreibung haben wir es hier mit einem bibliophilen Abenteuer für sämtliche OSR-Systeme und für Charaktere aller Stufen zu tun. Das ist ja schonmal vollmundig – ich bin gespannt, wie die Autorin das hinbekommen wird.

Schon im Impressum wird dem guten Terry Pratchett gedankt und das kann ich vom Lesegefühl (gespielt habe ich es noch nicht) sehr gut nachvollziehen und möchte aus deutschsprachiger Sicht noch Walter Moers und seine Stadt der träumenden Bücher-Geschichten erwähnen (erscheint da eigentlich irgendwann mal Teil 3, oder schreibt George RR Moers da noch dran?). Logisch, bei einem Bibliotheks-Abenteuer, oder? Und muss ich extra erwähnen, dass ich Bücher in jeder Form liebe? Mensch, bin ich gespannt auf diese spezielle Bibliothek.

Das Impressum – (Co) SoulMuppet Publishing

Schon auf den ersten Seiten stelle sogar ich Anti-Blitzmerker fest, dass wir es nicht mit einem vorgefertigten Abenteuer zu tun haben, sondern mit einem Werkzeugkasten, mit dem ich mir mein bibliophiles Abenteuer zusammenstellen kann. Erstmal eine gute Idee, mal schauen, ob sie auch gut ausgeführt ist. Wie ist das Buch denn strukturiert?

  • Einleitung
  • Haupt-Tabellen
  • Orte
  • Details
  • Monster
  • weitere wichtige Tabellen
  • Der mumifizierte Weise (das geschieht mit SC, die in der Bibliothek sterben)
  • Der neurovore Feinschmecker (eine neue Charakterklasse – etwas … äh … gewöhnungsbedürftig)

Alleine schon die Einleitung zu lesen macht wirklich Spaß und ich hoffe sehr, dass es der Autorin gelingt, sich in der OSR-Szene festzusetzen und weitere tolle Sachen zu erdenken. System Matters – ist eine deutschsprachige Fassung schon in der Mache? Ich würde das sonst glatt machen wollen. Außerdem habe ich gerade in der Einleitung der Einleitung etwas von Gardens of Ynn gelesen, einem älteren Werk. Da bin ich doch glatt interessiert.

Auch die Gebrauchsanweisung wie das Abenteuer zu verwenden ist, gefällt mir gut. Zuerst einmal müssen die Charaktere über irgendeine weltliche Bibliothek oder Ansammlung großen Wissens die Stygian Library betreten. Von da ab gilt Folgendes:

  • 1. Auf der Ortstabelle auswürfeln, wo sie gelandet sind.
  • 2. Auf der Detail-Tabelle auswürfeln was diesen Ort besonders macht.
  • 3. Auf der Tabelle für Zufallsbegegnungen auswürfeln, was nun geschieht

Danach gibt es nur noch drei Optionen: STAY HERE. GO DEEPER. GO BACK.

Coooool. Gefällt mir sehr gut und auch hier bin ich wieder sooooo kurz davor, Leute für eine Online-Runde zusammenzutrommeln.

Äh, ja – der SHEOL-Computer – (Co) SoulMuppet Publishing

Das wichtigste Element der Bibliothek ist der SHEOL-Computer. Da können die Charaktere allerlei komische Dinge mit anstellen. und sollten sie ihn beschädigen, ziehen sie sich die Feindschaft aller Wesen der Bibliothek zu – keine gute Idee also.

Die Neurovoren – (Co) SoulMuppet Publishing

Exemplarisch für die 35 (FÜNFUNDDREISSIG!!!) neuen Monster zeige ich euch die Neurovoren, böse Mensch-Oktopus-Mischwesen. Ja, mit der Kombi machst du einfach nichts verkehrt. Diese recht klassischen Bösewichte sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade dieses Monster-Kapitel unglaublich kreativ-meta-moersig ist. Wenn ich alleine ein paar Monster nenne, wie Animate Books, Archivist Liches, Bandersnatches, Conceptual Walls, Educated Rodents … wisst ihr genau, in welche Richtung wir uns hier bewegen. Einfach wunderbar, wenn ihr euch wie ich für schöne Bücher interessiert.

Zusammenfassend denke ich, dass sich das Abenteuer trotz ( oder gerade wegen) der Andersartigkeit in Welt und Präsentation im Spiel ausgezeichnet schlagen wird. Dieses Einfach-Hineingeworfen-Werden (von SL wie auch Spieler*innen) gefällt mir super. Poah, ich habe gerade echt Bock, eine kleine Expedition in die Stygian Library zu leiten …

[Kurzbesprechung] Kids on Bikes (Hunters Entertainment)

„Aus Gründen“ muss ich mir gerade Kids on Bikes von Hunters Entertainment genauer ansehen – und es ist sowas von „die Antithese zur OSR“ und so weit aus meiner Komfortzone raus, dass es einfach Spaß machen muss. Den Schnellstarter, den ich mir hier angesehen habe, könnt ihr euch bei DrivethroughRPG kostenlos runterladen und falls ihr noch mehr zu dem System hören wollt lauscht mal bei Grasis Kopfkinocast rein.

Das Cover – (Co) Hunters Games

Wie ihr am Cover schon erkennen könnt, spielen wir zwar Jugendliche (oder Kids oder Erwachsene), aber nicht im Stile einer Jugendbande à la TKKG, sondern eher wie in Stranger Things, ET oder Stand by me. Ich liebe ja die letzteren beiden, aber an Stranger Things musste ich mich erst einmal gewöhnen und Summer of 84 hab ich mir begeistert auf BluRay gekauft, aber noch nie angesehen.

Die Rückseite

Wenn ich mir das System ansehe, kommt es auf den allerersten Blick sehr traditionell daher. Es gibt Fight, Brawn, Flight, Grit, Brains, Charm 6 Hauptwerte, auf die die Würfel W4, W6, W8, W10, W12 und W20 verteilt werden, um Stärken und Schwächen des Charakters abzubilden. Mit diesen Würfeln wird dann in Konflikten gewürfelt, um einen Zielwert zu treffen oder zu übertreffen. Identisch läuft es im Kampf, wo je nach Narrativ zwei Attribute aufeinanderprallen. Das ist noch sehr klassisch. Und okay, ich bin kein Fan explodierender Würfel, aber – come on – so richtig modern ist das auch nicht mehr.

Ihr fragt was explodierende Würfel sind? Tschuldigung. Das bedeutet, dass ein Würfel, der sein jeweiliges Maximum würfelt, nachgewürfelt werden darf, wobei die Werte addiert werden. Das geht so lange, wie erneut der Höchstwert getroffen wird.

Innen-Titelblatt

Das war es aber auch schon an „traditionellen“ Mechanismen, denn alles andere ist sowas von NICHT-OSR, das habt ihr noch nicht erlebt.

Alleine ein Blick auf die Charaktere zeigt, dass hier einiges an Player Empowerment läuft. So bekommen sie Token, wenn sie Proben vergeigen und diese Token können sie nutzen, um Boni auf spätere Würfe zu erhalten (langweilig) oder um ihre jeweiligen Stärken auszulösen (zu aufregend). Mit diesen Stärken können sie Gegenstände erscheinen lassen oder Boni für ihre Freunde erhalten. Nicht flammneu, sondern schon oft gesehen, aber weitab von allen OSR-Gedanken.

Insgesamt sind die Charaktere sehr interessante Gebilde, die neben den 6 Werten noch durch einige Fragen definiert werden und zu Beginn des Spiels ihre Rucksäcke gefüllt bekommen – nicht nur materiell, sondern auch psychologisch. Wäre ich jetzt nicht verbohrt und altmodisch, wäre das hier ganz sicher mein liebstes Elements des ganzen Spiels.

Auch zu Beginn des Abenteuers können die Spieler*innen schon Einfluss auf die Welt und das Spiel nehmen, indem sie je ein Gerücht in die Welt setzen, das sich später als wahr erweisen kann oder doch nur Kokolores war.

Abenteuer sind hier nicht festgelegt, sondern es werden einzelne Elemente angeboten, die die Gruppe anspielen kann oder auch nicht. Falls ich als SL nicht weiterweiß, soll ich dann die Spieler*innen einfach fragen, was sie denken, wie es denn weiter gehen wird – um dann damit weiterzuspielen. Niiiiiicht mein Stil, aber hey, ausprobieren kann ich es ja mal.

Am krassesten un-old-schoolig finde ich das Konzept des Powered Characters, einer Spielfigut, die im Laufe des Spiels dazukommt, irgendwelche besonderen Fähigkeiten besitzt und von der Spielleitung und den Spieler*innen gemeinsam mit Leben gefüllt und im Spiel geführt wird. Abgefahrener Shit. Bon gespannt, wie das im Spiel fluppt.

Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die Runde – das wird ganz sicher cool werden. Nach der Runde Space Pirates auf dem Twitch-Kanal des Retrocast Ende letzter Woche wird es nun die zweite interessante Indie-Runde innerhalb weniger Tage. Wenn alles glatt läuft, werdet ihr euch in Bälde vom Ergebnis dieses Experiments überzeugen können. Was denkt ihr, mit wem ich Kinder auf Fahrrädern spielen werde?