Und wieder bin ich dazu gekommen, ein paar Sachen von meinem Rezistapel „runterzuspielen…
Vorgestern haben wir uns „Ja, Herr und Meister!“ in der grünen Edition vorgenommen – die rote teste ich demnächst, aber mehr dazu gleich.
JHuM ist ein witziges Erzählspiel mit Fantasy-Thema und das Regelheft enthält zwei Regelvarianten – einmal die freie „normale“ und dann gibt es noch eine etwas strenger reglementierte Variante „Ja, mein Gebieter!“. Diese werde ich dann mal die tage mit der roten Box ausprobieren und eine weitere kurze Besprechung schreiben.
Name: Ja, Herr und Meister! (Grüne Edition)
Autoren: Riccardo Crosa, Fabrizio Bonifacio, Massimiliano Enrico, Chiara Ferlito
Verlag: Truant, Pendragon
EAN: 3934282687
Preis: 19,95€
Alter: 8+
Spieler: 4-16
Dauer: 20-30 min
Genre: Partyspiel, Erzählspiel
BGG Ranking: 2569 (alte Version)
Aufmachung
Der Inhalt ist schnell geschildert. Wir haben eine (liebevoll gestaltet und sehr witzig geschriebene) Anleitung und 121 Hinweiskarten, 37 Aktionskarten und 7 Karten für „Vernichtende Blicke“. Fertig.
Schon die Lektüre des Regelheftchens macht wirklich Spaß – Sätze wie: „Um so richtig in Stimmung zu kommen, spricht nichts dagegen, wenn sich der Betreffende einen langen, dunklen Mantel um die Schultern wirft…“ gibt es hier im Dutzend billiger und ich habe ein paar Mal gekichert wie ein Schulmädchen.
Die Karten sind witzig illustriert und thematisch breit gefächert, was ein ebenso unbeschwertes wie sinnfreies Fabulieren gut unterstützt. Meine Lieblingskarte bisher ist die „abenteuerlustige kleine Maus“, die direkt aus Mouseguard oder Mice & Mystics entstiegen sein könnte.
Allgemein fällt schon auf, wie sehr sich die Illustratoren und Designer bemüht haben, ihre Klischees allüberall zusammenzustehlen, um den fantasyaffinen Spieler so manch Déjà-vu-Erlebnis zu bescheren. Zwischen einem cthuluesken House on the Hill bis zum Dr. Who-mäßigen Meister der Zeit wird hier alles durch den Kakao gezogen, was das Nerdtum zu bieten hat. Das bietet natürlich den großen Vorteil, dass man schon beim Ziehen der Karten oft Ideen hat, was man zu ihnen erzählen kann und in welche Richtung man die völlig wahnsinnige Geschichte treiben will…
Das Spiel
Okay, genug von den Karten gefaselt. In JHuM geht es darum, gemeinsam eine Geschichte böser Fantasyversager zu erzählen. Eine Person am Tisch ist der Dunkle Meister Rigor Mortis, dessen Schergen mal wieder einen Auftrag vermasselt haben und von den idiotischen Mächten des Guten besiegt wurden. Nun treten sie zum Rapport an und müssen sich rechtfertigen, warum sie schon wieder nicht das Steak vom Regenbogeneinhorn dabeihaben, das sie für die Grillparty des Dunklen Meisters organisieren sollten oder weshalb dieser dämliche Ring schon wieder in einem sauheißen Vulkan gelandet ist.
Dazu besitzen sie Handkarten, sogenannte Hinweiskarten, die sie ausspielen können, um ihr Scheitern zu begründen sowie Aktionskarten, mit denen sie andere Fieslinge bezichtigen können, wodurch sie selber erstmal aus dem Schneider sind. Auch gibt es eine EInspruchkarte, mit der man in die Erzählung des gerade vor Todesangst Stammelnden eingreifen und ihn noch tiefer in die Bredouille bringen kann. Im grünen, von uns gespielten, Set gibt es noch zwei zusätzliche Aktionskarten, die einen die Karten mit einem anderen Spieler tauschen lassen, oder die einen gegnerischen Spieler dazu zwingen, seine Aktionskarten abzulegen.
Das war es eigentlich auch schon an Regeln, wobei die Hauptregel eigentlich ist: „Piss den Dunklen Meister nicht an!“. Dieser hat es nämlich in der Hand, jedes noch so geringe Vergehen, und sei es auch nur ein frecher Blick, ein zu lautes Wort oder ein verschüttetes Wasserglas mit einem „Vernichtenden Blick“ zu bestrafen. Nach drei vernichtenden Blicken hat man noch die Chance, so richtig amtlich um Gnade zu flehen, und wenn das nicht kriecherisch genug war, ist Hängen im Schacht. Du hast verloren und das Spiel ist beendet! Es kann also nicht schaden, in Vorbereitung auf das Spielerlebnis mit JHuM vor dem Spiegel ein paar professionelle Winseleien einzustudieren.
Der eigentliche Spielmechanimsus hat in meinen Augen nur eine Schwäche – und zwar kann man nicht nur durch schlechtes Erzählen oder andere Kaspereien einen Vernichtenden Blick (TM) kassieren, sondern auch, wenn man keine Karte auf der Hand hat, mit der man die Schuld auf einen anderen Gehilfen schieben kann. Das ist echt mies. Okay, wenn man ehrlich ist, kann man diesen mangelhaften Mechanismus sogar noch als Plus verkaufen, denn er unterstützt die paranoide Grundstimmung des Spiels ganz exzellent. Es gibt nichts Füchterlicheres, als beim Blick auf seine drei gezogenen Aktionskarten festzustellen, dass man jetzt schon gekniffen ist. Jetzt heißt es, die Schweißdrüsen bestmöglich unter Kontrolle zu bringen und darauf zu hoffen, dass einen die anderen möglichst lange verschonen und sich schonmal ein ganzes Bündel Vernichtender Blicke einfangen, bevor es einen erwischt…
Fazit
Geniales Erzählspiel auf dem extrem schmalen Grat zwischen Brett- und Rollenspiel. Je nachdem wie intensiv der Meister seine Rolle interpretiert, geht die Waage mehr oder weniger in Richtung Rollenspiel. Gerade die sehr knappen Regeln – und die fast schon DSA-würdige Regel „Man denke, dass der Dunkle Meister immer das letzte Wort hat – egal um was es auch gehen mag“ ist hier auch absolut sinnvoll und erhöht die Furcht unter den permanent versagenden Untergebenen.
Da gibt es nicht viel zu mäkeln. Und wie vor einigen Zeilen erwähnt, gerade langjährige DSA-Spieler, die eine gewisse Toleranz gegenüber der sprichwörtlichen „Meisterwillkür“ entwickelt haben, werden gut damit leben können, dass es eigentlich sehr wenige Regeln für ein verdammt komplexes Spiel gibt. Wer also schnell denken kann und zudem das Einschleimen bestens beherrscht, der wird hier gewaltige Erfolge feiern können und großenj Spaß daran haben, wie sich seine Mitspieler ein ums andere Mal immer tiefer reinreiten, um schlussendlich dann doch den absolut verdienten Vernichtenden Blick“ zu kassieren.
Es gibt auch noch die Option die Karten der beiden Sets zusammenzuwerfen – das habe ich noch nicht getan (da mir so etwas immer widerstrebt) – ich wollte nur auf die bestehende Möglichkeit hinweisen.
Bewertung
4,5 von 5 kriecherische Diener des Bösen