Heute hätte Gary Gygax, der Vater des „modernen Rollenspiels“ Geburtstag und würde heute 73 Jahre alt. Das gibt mir kurz die Gelegenheit über seine Verdienste und die „Heldenverehrung“ der Rollenspielpioniere in Deutschland zu kommentieren.
Im englischsprachigen Raum (man muss sich nur die „Gastrolle“ – siehe links oben – in Futurama ansehen) sind sich viele noch der Verdienste eines der beiden Urväter (neben Dave Arneson) bewusst, während einem in Deutschland selbst dann, wenn sich das Gegenüber schon jahrelang mit Rollenspiel befasst, meist entgegnet wird: „Gary wer?“ oder im schlimmsten Falle: „Klar, aber was hat der Kerl schon für mich und meine Runde getan?“
Schade eigentlich, denn Gary hat nicht nur im Jahr 1974 die ersten „modernen“ Rollenspielregeln veröffentlicht, die im Prinzip auch heute noch die Grundlage, sprich: die Idee hinter, unser aller Hobby ist. Er war auch ein überaus netter Kerl, der sich zwar seiner Rolle irgendwie bewusst war, sie aber immer mit einer gewissen Bescheidenheit hingenommen hat. Wurde er nach Regelerklärungen gefragt, hat er zwar immer nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet, aber auch darauf hingewiesen, dass es im Prinzip völlig egal ist, was er zu der Regel zu sagen hat, denn entscheidend ist, was der jeweilige Spielleiter es hält.
Zudem war er echt ausgesprochen freundlich, wie ich aus etlichen E-Mails aus erster Hand weiß, und bis kurz vor seinem Tode war sein Haus während diverser in Lake Geneva stattfindender Cons – zuletzt die Troll Con – Anlaufpunkt für interessierte Rollenspieler (auch völlige „Niemande“ wie ich es gewesen wäre) und es wurde gespielt, gefeiert und gequatscht.
Hier ist ein schickes Tribute-Video…
Doch zurück zur Ignoranz gegenüber den „Gründervätern“ in Deutschland – so sind nicht nur Gygax und Arneson vermutlich 98% der Rollenspieler unbekannt, sondern auch die erste Welle der deutschen Rollenspielschaffenden (seien es Kiesow oder die Frankes), erhalten irgendwie nicht den Respekt, der ihnen meiner Meinung nach zusteht. Okay, einer hat mit dafür gesorgt, dass das größte System in Deutschland immer den leicht schalen Nachgeschmack von „Spieler erziehen“ und „Geschichte nachspielen“ hatte und die anderen haben das erste deutsche Rollenspiel für Oberstudienräte über die Jahrzehnte nicht so entwickelt, wie es vielleicht angemessen gewesen wäre, aber sie alle sind dafür verantwortlich, dass Mitte der 80er das Rollenspiel in Deutschland geboomt hat und dass er jetzt zahllose Mitt- bis End-Dreißiger gibt, die weiterhin die Fahne des Rollenspiels hochhalten und an den Spitzen der Verlage und als Autoren weiter dafür sorgen, dass die Rollenspiellandschaft heute in Deutschland so vielfältig ist, wie noch nie.
Auch wenn man diese nicht von der amerikanischen D&D-Seite oder der deutschen DSA/Midgard-Seite her kommen, sondern sich eher auf Stolze, O’Sullivan, Wick oder sonstwie heißen, berufen, so kann man sicher sein, dass Letztgenannte ihre coolen Ideen ganz sicher nicht aus dem All empfangen haben, sondern ältere Systeme gespielt haben und aus diesen Elemente oder Strukturen (und mögen es auch noch so wenige sein) übernommen haben und andere Teile als für ihr Spiel unpassend empfunden und rausgeworfen haben.
Die rhetorisch mit „Gar nix!“ beantwortete Frage: „Was hat denn Gygax für mich und meine Spielrunde getan? Wir spielen doch FATE?“, ist also etwas kurzsichtig und somit umso ärgerlicher.
In diesem Zuge finde ich es auch etwas schade, dass Ulisses sich dazu entschlossen haben, in den neueren DSA-Publikationen die Kiesow-Widmung rauszunehmen. Ich bin wahrscheinlich der Letzte, der in irgendeiner Form Kiesow klasse findet, aber ich fand diese Widmung immer eine schnuffige (aber absolut ehrliche) Verneigung vor einem der Gründerväter des Rollenspiels in Deutschland.
In diesem Sinne: Vielen Dank dafür, dass du die Grundlagen für ein tolles Hobby geschaffen hast, Gary!