[Kurzbesprechung] Kids on Bikes (Hunters Entertainment)

„Aus Gründen“ muss ich mir gerade Kids on Bikes von Hunters Entertainment genauer ansehen – und es ist sowas von „die Antithese zur OSR“ und so weit aus meiner Komfortzone raus, dass es einfach Spaß machen muss. Den Schnellstarter, den ich mir hier angesehen habe, könnt ihr euch bei DrivethroughRPG kostenlos runterladen und falls ihr noch mehr zu dem System hören wollt lauscht mal bei Grasis Kopfkinocast rein.

Das Cover – (Co) Hunters Games

Wie ihr am Cover schon erkennen könnt, spielen wir zwar Jugendliche (oder Kids oder Erwachsene), aber nicht im Stile einer Jugendbande à la TKKG, sondern eher wie in Stranger Things, ET oder Stand by me. Ich liebe ja die letzteren beiden, aber an Stranger Things musste ich mich erst einmal gewöhnen und Summer of 84 hab ich mir begeistert auf BluRay gekauft, aber noch nie angesehen.

Die Rückseite

Wenn ich mir das System ansehe, kommt es auf den allerersten Blick sehr traditionell daher. Es gibt Fight, Brawn, Flight, Grit, Brains, Charm 6 Hauptwerte, auf die die Würfel W4, W6, W8, W10, W12 und W20 verteilt werden, um Stärken und Schwächen des Charakters abzubilden. Mit diesen Würfeln wird dann in Konflikten gewürfelt, um einen Zielwert zu treffen oder zu übertreffen. Identisch läuft es im Kampf, wo je nach Narrativ zwei Attribute aufeinanderprallen. Das ist noch sehr klassisch. Und okay, ich bin kein Fan explodierender Würfel, aber – come on – so richtig modern ist das auch nicht mehr.

Ihr fragt was explodierende Würfel sind? Tschuldigung. Das bedeutet, dass ein Würfel, der sein jeweiliges Maximum würfelt, nachgewürfelt werden darf, wobei die Werte addiert werden. Das geht so lange, wie erneut der Höchstwert getroffen wird.

Innen-Titelblatt

Das war es aber auch schon an „traditionellen“ Mechanismen, denn alles andere ist sowas von NICHT-OSR, das habt ihr noch nicht erlebt.

Alleine ein Blick auf die Charaktere zeigt, dass hier einiges an Player Empowerment läuft. So bekommen sie Token, wenn sie Proben vergeigen und diese Token können sie nutzen, um Boni auf spätere Würfe zu erhalten (langweilig) oder um ihre jeweiligen Stärken auszulösen (zu aufregend). Mit diesen Stärken können sie Gegenstände erscheinen lassen oder Boni für ihre Freunde erhalten. Nicht flammneu, sondern schon oft gesehen, aber weitab von allen OSR-Gedanken.

Insgesamt sind die Charaktere sehr interessante Gebilde, die neben den 6 Werten noch durch einige Fragen definiert werden und zu Beginn des Spiels ihre Rucksäcke gefüllt bekommen – nicht nur materiell, sondern auch psychologisch. Wäre ich jetzt nicht verbohrt und altmodisch, wäre das hier ganz sicher mein liebstes Elements des ganzen Spiels.

Auch zu Beginn des Abenteuers können die Spieler*innen schon Einfluss auf die Welt und das Spiel nehmen, indem sie je ein Gerücht in die Welt setzen, das sich später als wahr erweisen kann oder doch nur Kokolores war.

Abenteuer sind hier nicht festgelegt, sondern es werden einzelne Elemente angeboten, die die Gruppe anspielen kann oder auch nicht. Falls ich als SL nicht weiterweiß, soll ich dann die Spieler*innen einfach fragen, was sie denken, wie es denn weiter gehen wird – um dann damit weiterzuspielen. Niiiiiicht mein Stil, aber hey, ausprobieren kann ich es ja mal.

Am krassesten un-old-schoolig finde ich das Konzept des Powered Characters, einer Spielfigut, die im Laufe des Spiels dazukommt, irgendwelche besonderen Fähigkeiten besitzt und von der Spielleitung und den Spieler*innen gemeinsam mit Leben gefüllt und im Spiel geführt wird. Abgefahrener Shit. Bon gespannt, wie das im Spiel fluppt.

Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die Runde – das wird ganz sicher cool werden. Nach der Runde Space Pirates auf dem Twitch-Kanal des Retrocast Ende letzter Woche wird es nun die zweite interessante Indie-Runde innerhalb weniger Tage. Wenn alles glatt läuft, werdet ihr euch in Bälde vom Ergebnis dieses Experiments überzeugen können. Was denkt ihr, mit wem ich Kinder auf Fahrrädern spielen werde?

[Theorie] Turnierabenteuer – Beim Rollenspiel gewinnen!

Ich erinnere mich noch gut an unsere SL-Battle bei Orkenspalter TV. Am Gratisrollenspieltag redeten „Blechpirat“ Karsten und ich – unter der gar gestrengen Moderation von Mhaire – über SL-Stile. Und spätestens, als es um Turnierabenteuer ging, war Karsten ebenso hellhörig wie interessiert, da diese Idee weitab von seinem Spielstil lag. Gestern habe ich mit ihm wegen anderer Dinge Mails ausgetauscht, ich fragte ihn nach einem Thema für die Seifenkiste und er hat sich „Turnierabenteuer“ gewünscht. Nun denn. Mal sehen, was mir da spontan zu einfällt.

Vorerst sei einmal etwas Werbung gemacht, denn mit der „irgendwann“ beginnenden Vorbestellaktion zu Swords & Wizardry wird eine neue und erweiterte Fassung von „Die Festung des Bergkönigs“ erscheinen – inklusive eines kleinen Kapitels über Turnierabenteuer. Nur mal so als kleiner Hinweis.

Für diesen Artikel bin ich aber erst einmal in den Keller spaziert und habe mir die AD&D 1-Abenteuersamlung Realms of Horror genauer angesehen, denn die enthält einige der berüchtigtsten Turnier-Module der Rollenspielgeschichte:

  • S1: Tomb of Horrors
  • S2: White Plume Mountain
  • S3: Expedition to the Barrier Peaks
  • S4: The Lost Caverns of Tsjocanth

Aber fangen wir vorne an. In den späten 70er Jahren wurden auf den (Rollenspiel-)Conventions Abenteuer angeboten, die von mehreren Gruppen unter „genormten“ Bedingungen gespielt wurden. Innerhalb einer bestimmten Zeit galt es, im Abenteuer besonders viel zu erleben, Monster zu töten oder zu umgehen, Fallen zu entkommen, Schätze zu sammeln …

Diese „Erlebnisse“ wurden dann am Schluss auf einem vorher festgelegten Bewertungsbogen abgehakt und jedes Abenteurer*innen-Team hatte am Schluss eine bestimmte Punktzahl. Das Team mit den meisten Punkten war das Sieger-Team. So einfach ist das. Aber es gab auch von den aktiven Spielleitern eine Wahl, um die*den wertvollste*n Spieler*in zu bestimmen. Ihr alle habt sicher schon das nette Anekdötchen gehört oder gelesen, dass Joe Dever, der leider schon verstorbene Autor der Einsamer Wolf-Spielbücher 1982 die offenen amerikanischen AD&D-Meisterschaften gewonnen hat.

Vom Ablauf her muss natürlich gewährleistet sein, dass die Umstände für alle Teams möglichst exakt gleich sind und so gibt es vorgefertigte Charaktere, gleiche Ausrüstung, gleiches Abenteuer und eine feste Spielzeit.

Tipps für die Spielleitung

Schon an diesen Voraussetzungen erkennt man, dass diese Abenteuer eine ganz spezielle Natur haben müssen. Es ist nämlich nicht das (primäre) Ziel das Abenteuerin seiner Gänze zu erleben und zwangsläufig zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen, da mir ja nur ein bestimmter Zeitrahmen zur Verfügung steht. Schon gar nicht geht es um immersives Rollenspiel. Das ist hier reine Zeitverschwendung. Charaktere ausspielen? Papperlapapp!

Im Prinzip ist es ein Spielstil, den ich sehr schätze, aber ins Extrem durchgezogen. Ich mag es ja gerne, wenn die Abenteuer ihre Herausforderung nicht an die Charaktere, sondern an die Spieler*innen richten, die versuchen, sie mit ihren Charakteren als Werkzeuge zu bestehen. Und das ist hier wirklich auf die Spitze getrieben. Natürlich spielt das Glück eine gigantische Rolle, sei es bei den Würfelwürfen oder beim Treffen der richtigen Entscheidung, aber bei diesen Turnieren haben sich dann doch immer Teams durchgesetzt, die auf diese Art und Weise an Abenteuer heranzugehen gewöhnt waren. Es geht darum, als Spieler*in im Team die Spielleitung zu bezwingen. Ihre Fallen zu durchschauen, ihre Monster clever zu umgehen, ihre verborgenen Schätze zu finden. Nüchtern betrachtet ist das eine stark metageprägte Form an das Thema Rollenspiel heranzugehen und das Ausspielen der Rollen fällt hier fast komplett flach, aber prinzipiell geht es darum zu erahnen „wenn ich das Abenteuer geschrieben hätte, was würde sich dann hier befinden“? Und es ist sehr befriedigend, wenn es gelungen ist, hinter die Stirn der Spielleitung zu sehen und einer tödlichen Falle entgangen zu sein oder eine durch Magie verborgene Superwaffe zu finden, die das ganze Abenteuer erleichtern wird.

Hefte mit Handouts und Illustrationen

Ein großer Unterschied zwischen normalen Abenteuern, die ich gerne spiele und Turnierabenteuern liegt natürlich in der Fairness der Herausforderungen. Auch in meinen normalen Abenteuern will ich die Spieler*innen herausfordern, aber es muss immer eine gute Chance bestehen, dass sie die Hindernisse überwinden und das Abenteuer „abschließen“. Bei Turnierabenteuern ist das nicht notwendig. Die Gruppen haben ja ohnehin hur einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung, da kommt es vor allem darauf an, während dieser Zeit ordentlich auszusieben.

Sehe ich mir beispielsweise die Legende „Tomb of Horrors“ an, so kann eine Abenteurer*innen-Gruppe schon in den ersten Räumen dezimiert werden, ach, was sage ich – schon bevor sie den eigentlichen Dungeon überhaupt betreten hat:

So gibt es drei potentielle Eingänge. Eingang 1 führt in einen Gang, der sehr schnell endet. Dafür kommt die Decke runter und verursacht pro Nase 5W6 Schaden. Nicht gut. Der zweite falsche Eingang ist noch mieser. Hier wird im schlimmsten Fall die komplette Gruppe zerquetscht – und hier ist exakt geschildert, wie das vonstatten geht und wie ich als Spielleitung das ganz genau verwalten muss. Mir gefällt hier sehr gut, dass es für so ziemlich jeden Raum ein Bild gibt, wo sich die Gruppe genau ansehen kann, was sie erwartet. Das ist natürlich im Turnierablauf schneller zu verarbeiten, als jedes Mal alles exakt beschreiben zu müssen- So werden die Raumbeschreibungen kurz gehalten und durch die Bilder unterstützt. Auch auf eventuelle Probleme wird hier öfter hingewiesen, wenn nur genau genug hingesehen wird. Spiele ich das Abenteuer, muss ich mich also schon vorab gut umsehen und Vermutungen anstellen und Schlussfolgerungen ziehen, wo ich mich hinwagen kann und wo lieber nicht.

Ich stelle gerade fest, dass es gar nicht so leicht ist, das zu beschreiben und in Worte zu fassen. Wir haben ja zuletzt auf der RPC 2010 „Die Rückkehr des Bergkönigs“ mit einem Turnierabenteuer beglückt – vielleicht sollte ich mal ein kleines Abenteuer für Online-Turniere schreiben. Das sollte das perfekte Medium für diese Art von Spiel sein.

Hmmm … war das alles halbwegs verständlich ausgedrückt, oder muss ich einen weiteren Anlauf machen?

[Historie] Der Griff nach unseren Kindern

Vor Jahren habe ich mal dieses großartige Machwerk in einem Bücherschrank gefunden, drübergeblättert, gekichert und es dann ins Regal gestellt. Vorgestern bei einer Podcast-Aufnahme mit Michael vom Fantastische Antike-Podcast habe ich nach langer Zeit mal wieder daran gedacht.

Ihm war gar nicht so klar. mit welchen Widerständen das Hobby Rollenspiel in den 80er Jahren, aber in geringerem Maße auch bis heute zu kämpfen hat. Mittlerweile beginnt dieser Zeitvertreib durch Fernsehserien wie Stranger Things, Community oder Big Bang Theory, langsam einen Weg in die Mitte der Gesellschaft zu finden. Es wird immer mehr erkannt und akzeptiert, dass es sich einfach um eine Art Brettspiel handelt, nicht um den Versuch, wirklich und wahrhaftig Dämonen zu beschwören oder sich mit einem Schwert durch reale Gegner zu schnetzeln.

Schauen wir uns also Der Griff nach unseren Kindern – Einblicke in ein (un)heimliches Erziehungsprogramm aus dem Jahr 1988 ein wenig genauer an. Das Ding ist echt aufschlussreich – und dabei geht es auf das Rollenspeil überhaupt nicht ein. Wissen um diese diabolische Bewegung hätte die beiden Autor*innen sicher um den Schlaf gebracht.

Das Cover – (Co) Verlag Schulte und Gerth

Schon das Cover wird es schaffen, alle besorgten Eltern der späten 80er Jahre in Alarm zu versetzen. Das beginnt beim Titel. Hey, irgendwer oder irgendwas will nach unseren Kindern greifen. Alaaaarm! Gut, dass uns hier jemand Einblicke gewähren kann. Und dann sind es noch Einblicke in ein Erziehungsprogramm! Ein Programm! Da hat jemand einen Plan. Den setzt er durch. Und er greift nach meinen Kindern! Alaaaaaaarm! und dieses Programm erzieht. Verdammt. Das ist doch meine Aufgabe. Die da oben oder wer auch immer soll aufhören, meine Kinder zu erziehen. Und dann findet das noch heimlich statt. Dann sollen die doch wenigstens dazu stehen. Puh. Ganz schön unheimlich. Toller Titel, aus meiner Sicht vielleicht eine Spur tendentiös. Schade, dass die beiden Autor*innen nicht noch Doktortitel haben, das hätte sich noch viel besser gemacht und hätte noch seriöser gewirkt.

Und was ist mit der Illustration? Was geht da ab? Uh. Komische Dinge kriechen aus dem Fernseher. Ah. Fernseher. Ja, dem misstraue ich ohnehin. Da glotzt meine Sabine ohnehin schon zu viel rein und Markus will immer dieses bescheuerte Raumschiff sehen. Völlig ohne Copyrights zu verletzen werden hier schon einige Figuren der Popkultur bezichtigt, „unheimlich“ nach meinen Kindern zu greifen. He-Man (der aussieht wie Hulk Hogan), Battlecat und das Sams sind schon aus der Glotze geflüchtet, auch Pippi Langstrumpf ist schon entkommen. Gerade kriechen ET und ein wilder Kerl aus der Röhre, irgendein Grim Reaper und ein Regenbogen sind noch im Fernseher, aber die entkommen sicher auch bald.

Den Regenbogen finde ich besonders spannend. Der könnte mehrere Dinge bedeuten. Er könnte ganz vulgär für die Gummibärenbande stehen. Er könnte für das Gute stehen, das sich der ganzen Sache entgegenstellen muss. Aber er könnte auch symbolisieren wie schleichend und „heimlich“ dieses Erziehungsprogramm durchgeführt wird.

Schauen wir doch mal auf die Rückseite.

Die Rückseite

Ooooookay! Der Text rockt schonmal alles weg und verstärkt nicht nur meinen Eindruck vom Cover, sondern ballert direkt aus allen religiös-fundamentalistischen Rohren. Und das sage ich, als von der Kirche legitimierter Lehrer für evangelische Religion. Bisher gab es in Kinderzimmern also brav-biedere Püppchen und harmlose Würfelspiele. Heute sind es Kinderbücher, Hörspielkassetten, Filme, Comics und „sogar“ Würfelspiele.

Und diese sind randvoll mit „bestimmten“ Botschaften.

Und hey, das ist doch vielleicht nicht nur Zufall, das muss doch jemand orchestrieren.

Die Kurz-Bios der Autor*innen weisen da schonmal die Richtung. Katrin Ledermann hatte einst eine Karriere, rutschte dann ab, gab den Guru, stieg dann aus der New-Age-Bewegung aus und ist jetzt natürlich prädestiniert, davor zu warnen. Ulrich Skambraks ist Medienkritiker mit dem Schwerpunkt Fantasy und Okkultismus. Schade, dass er damals noch nicht an der Youtube-Universität studieren und später lehren konnte.

Aber Boshaftigkeiten beiseite – das Buch ist schon auf dem Umschlag eine gute Mischung aus vorgeblicher Kompetenz des Autor*innen-Teams und einer ganz klaren Warnung an alle Eltern, die jetzt im Inneren ausgeführt werden wird.

Ich habe Angst, freue mich und grusele mich gleichzeitig, also schauen wir mal ins Inhaltsverzeichnis.

Da wird echt aufgefahren. Und wir erfahren direkt wo das Problem liegt – die Gedanken der New Age-Bewegung sollen ins Kinderherz transportiert werden. Und das geschieht subtil und schrittweise. Ich will da jetzt echt nicht auf die einzelnen Kapitel eingehen – ihr könnt euch selber diese wunderbar manipulativen Einzelpunkte ansehen. Ich kann mir gerne auf Wunsch mal einzelne Elemente genauer ansehen. Mein Favorit da wäre das Brettspiel „Die drei Magier“. Da sehe ich auch eine große Gefahr, dass ich von einem simplen Brettspiel in den Okkultismus gestürzt werde.

Es gibt im ganzen Buch nur sehr wenige Illustrationen (ich meine drei gesehen zu haben), aber eine muss ich euch unbedingt zeigen.

Glücksbärchis – Presseheft

Ah. Okay. Jetzt wissen wir auch, was es mit dem Regenbogen auf dem Cover zu tun hat. Er ist die Verbindung zwischen der Menschenwelt und der Welt der Geister. Ja, genau. So ist das. Hätte ich als Religionslehrer jetzt von der Bibel her symbolisch anders gesehen, aber come on, so passt das viel besser in die Bangemacherei. Ist notiert: Regenbogen = gefährlich.

Lesen wir mal rein…

Bibel und Jenseits

Ha. Die Person, die das Buch vor mir besessen hat, hat schon genau die Schlüsselstelle des gesamten Buchs für mich unterstrichen. Ich will für sie hoffen, dass sie das Ganze kritisch gesehen hat und nicht den Autor*innen aus der Hand gefressen hat. Klar. Auch ich finde, dass New Age Konzepte keine Antworten auf Diesseits und Jenseits geben – mal ganz abgesehen davon, dass der New Age-Begriff im Jahr 2021 schlichtweg überhaupt keine Rolle spielt. Aber das Zwischenfazit, das die beiden Schlawiner ziehen, ist genau so abenteuerlich. Ich finde die Bibel ein großartiges und spannendes Buch, in dem es sich lohnt (kritisch) zu lesen, aber dass sie „Fakten über die Beziehung von Diesseits und Jenseits“ enthält, ist – nun ja – wie soll ich es sagen? Gewagt. Das mit solcher Sicherheit zu behaupten ist echt ein Kracher und macht es mir schwer, mich weiter mit dem Buch auseinanderzusetzen.

Wie gesagt – ich sehe mir auf Wunsch gerne Teile genauer an, zum vorläufigen Abschluss sollt ihr noch etwas über den finalen Anhang erfahren, der ist einfach sehr repräsentativ für das gesamte Werk.

Der kleine Text heißt „Mut zum Anderssein – auch in der Schule“ und beginnt damit, dass die Autorin in der 9. Klasse im Deutschunterricht einen kurzen Aufsatz schreiben „Als welches Tier möchte ich wiedergeboren werden?“ Das kann sie natürlich nicht mit ihrem festen Glauben an Gott vereinbaren. Hui. Ich bin gespannt, wie sie diesen Konflikt lösen kann. Okay, die Eltern wissen auch erstmal nicht weiter. Aber der Bruder, ein engagierter Jungscharführer, beharrt darauf, dass sie den Text nun wirklich nicht schreiben kann. Sie könne doch den Kindern in den Andachten nicht von Gott erzählen und sich nicht ehrlich zu ihm bekennen. Gut. Sie betet. Ihre Eltern beten für sie. Jetzt ist alles klar. Sie wird das nicht schreiben, sie kann ihren Auferstehungsglauben nicht leugnen. Aber was nun? Beim Schreiben des Aufsatzes betet sie nochmal. Gott gibt ihr Kraft. Sie schreibt irgendwas über Delfine, aber erklärt im Aufsatz, warum sie den Aufsatz nicht so schreiben kann, Gott gibt ihr Kraft, sie fühlt sich toll, der Lehrer gibt wegen Thema verfehlt ne schlechten Note, aber sie ist sich sicher, dass er sich mies fühlt, weil sie sich ihm widersetzt hat. Yada-yada-yada.

Himmelherrgottsakra, was für ein insgesamt völlig unrealistisches Setting. Da ist wirklich jedes einzelne Element erfunden und/oder so verfremdet, dass es zur Moral der Geschicht‘ passt. Aua.

Verdammte Axt, ich bekomme gerade fast wieder Lust wissenschaftlich-analytisch zu lesen, schreiben und arbeiten. Das habe ich doch schon vor 25 Jahren „for good“ hinter mir gelassen.

Attributswürfe in OSR-Systemen

„Diebesfertigkeiten sind das Ende des Rollenspiels!“

… so heißt es oft in Old-School-Kreisen. (Also jetzt WIRKLICH OlD-SCHOOL – die US-Grognards, auf die man in englischsprachigen Foren trifft) Das bezieht sich auf die Tatsache, dass in den Anfang 1974 erschienen OD&D-Regeln keinerlei Fertigkeitswürfe vorgesehen waren, dann aber durch das Greyhawk-Supplement etwa ein Jahr später der als unpassend empfundene Mechanismus der Diebesfertigkeiten eingeführt wurde.

Dazu muss ich vielleicht einen kleinen Schritt zurücktreten und kurz auf die Entstehung des Rollenspiels eingehen. Wie die Älteren unter uns wissen und die anderen jetzt erfahren, ist das Rollenspiel aus Tabletop-Schlachten heraus entstanden. Hier gab es natürlich ausschließlich Regeln für Kampf, andere Elemente der Welt waren da nicht interessant oder wurden beispielsweise bei klassischen Schlachtenszenarien durch reale Verhandlungen abgebildet.

Auch als dann die nächsten beiden Schritte gegangen wurden, und zwar nicht Armeen, sondern einzelne Figuren zu spielen sowie das Ganze in Fantasy-Settings zu versetzen, standen erst einmal die reinen Kampfregeln im Fokus.

Und so wurde auch in den späten 60er Jahren und größtenteils bis in die Mitte der 70er Jahre komplett ohne Würfelwürfe jenseits der Kämpfe gespielt. Das ist aus heutiger Sicht, wo wir bei der Charakter-Erschaffung, sei es bei D&D, bei DSA oder Cthulhu viel Hirnschmalz darauf verwenden, wie wir die Fertigkeiten unserer Charaktere entweder geschickt verteilen, oder sie ganz an unsere Vorstellung der Spielfigur anpassen, komplett unverständlich.

Wie wurde also damals gespielt, wenn es keine Fertigkeiten gab, auf die bei unsicheren Aktionen gewürfelt wurde?

Vielleicht kennt ihr die legendäre 10-Fuß-Stange noch. Die ist für mich der Inbegriff dieses Spielstils. Zusammen mit Murmeln, dem 1l-Wasserbeutel oder dem Ölfläschchen. Denn die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach. Die Situationen wurden komplett rollenspielerisch gelöst. Mit Hilfe von Gegenständen, die der Charakter besaß und präzisen Beschreibungen.

Da ist eine abgedeckte Fallgrube im Gang vor mir? Klarer Fall. Ich habe vor dem Betreten des Ganges beschrieben, wie ich den Boden und die Wände des Ganges vorsichtig mit meiner 10-Fuß-Stange abtaste, um ebensolche Probleme frühzeitig zu erkennen. Tat ich das nicht, fand sich mein Charakter schnell in der Fallgrube wieder und erlitt 1W6 Schadenspunkte. So war zwar vielleicht der Charakter tot, aber ich als Spieler*in hatte etwas Wichtiges gelernt und würde es beim nächsten mal anders machen. Schlauer.

Und ja – so hat das Spiel einen völlig anderen Fokus: Die Herausforderungen richten sich mehr an Spieler*in als an Charakter. Das ganze Spiel war eine Art Wettkampf, cleverer oder gerissener zu sein als die Spielleitung – alle ihre Schachzüge vorauszuahnen und zu kontern. Ein Streit der Intellekte. Vielleicht wird es jetzt etwas verständlich, dass viele das Hinzufügen von Fertigkeiten als den Untergang der abendländischen Kultur empfanden. Es ist ja immer schwer, sich an neue Dinge zu gewöhnen.

Kleine Randbemerkung: Ihr fragt euch sicher, was Murmeln, Wasser oder Ölfläschchen für tolle Nutzen haben? Da gibt es jede Menge unterschiedlicher Verwendungszwecke im old-schoolig geprägten Rollenspiel. Hier mal einige aus der Hüfte geschossen. Murmeln lassen mich Höhenunterschiede im Gang erkennen, können verfolgende Gegner ins Straucheln bringen oder irgendwohin geworfen, Wachen in die falsche Richtung jagen lassen. Mit meinem Wasserschlauch kann ich Wände besprengen und so die Spalten einer Geheimtür erkennen; auf den Boden gegossen könnte das Wasser eine Falltür sichtbar machen oder hilfreich gegen Feuer-Elementare sein. Öl ist der Universalgegenstand. Als Brennmittel für Laternen, um Dinge rutschig zu machen oder irgendetwas zu entzünden ist es immer gut.

Aber zurück zu Fertigkeiten, denn bevor es dann mit AD&D 2 ein geregeltes Fertigkeitensystem gab, war die Übergangslösung der sogenannte „Attributswurf“. Und seien wir ehrlich, das ist mit kleinen Anpassungen für mich immer noch die beste Lösung, die ich beispielsweise bei Labyrinth Lord oder Swords&Wizardry auch heute noch verwende.

Bei sämtlichen D&D-Klonen gibt es ja die klassischen 6 Attribute, deren Werte im Regelfall zwischen 3 (mies) und 18 (toll) liegen. Sämtliche Aktionen, die ein Charakter im Verlauf des Spiels durchführt, können auf eines dieser Attribute zurückgeführt werden. Also würfle ich einfach mit einem W20 und muss versuchen, kleiner/gleich den zutreffenden Attributswert zu würfeln, um Erfolg mit diesem Attributswurf oder der „Attributsprobe“ erfolgreich zu sein.

(Direkt mal ein heißer Tipp an dieser Stelle: Wir befinden uns hier in Rollenspielgewässern, in denen nicht alle Mechanismen vereinheitlicht sind so rate ich meinen Neulingen immer, auf ihren Charakterbögen einen Pfeil nach unten (neben die Attribute) und einen Pfeil nach oben (neben den Rettungswurf oder die Rettungswürfe) zu zeichnen, damit sie im Spielverlauf nicht durcheinanderkommen. Nichts zu danken.)

Ich verwende jetzt noch einen kleinen Kniff bei den Attributswürfen in meinem Spiel, denn zumeist tun Charaktere Dinge, die zu ihrer Klasse und ihrer Ausrichtung passen. Krieger machen Kraft-Dinge, Magier machen Intelligenz-Sachen, Diebe Geschicklichkeitskram. Dadurch sind wirklich viele, viele dieser Würfe erfolgreich, was sich auch wieder nicht ganz richtig anfühlt. Deswegen gebe ich persönlich noch Boni oder Mali aufgrund der Schwierigkeit der angegangenen Aufgabe:

  • (alltäglich – lasse ich gar nicht auswürfeln)
  • sehr leicht +1
  • leicht -1
  • normal -3
  • schwierig -5
  • sehr schwierig -7
  • episch -9

Falls das für euren Geschmack zu streng ist, könnt ihr die Abzüge natürlich auch mit -1/-2/-3/-4/-5 staffeln. Gar kein Problem. Das ist für mich das Gute an allen älteren D&D-Versionen und ihren Klonen – die Grundmechanismen sind einfach nicht kaputt zu kriegen und ihr könnt sie leicht auf eure Bedürfnisse anpassen.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass hier eine gewürfelte „20“ immer ein Misserfolg ist und eine „1“ immer ein Erfolg – völlig unabhängig von den Modifikatoren.

Wenn ihr Fragen habt, immer her damit!