[Rezension] Piratoons (Brettspiel)

Die Heidelberger schicken mir ja in jüngerer Vergangenheit nicht mehr zwangsläufig Fantasy-Klopper zu, sondern wagen es auch mal, mir „andere“ Spiele unterzuschieben – hier haben wir schon vom Aussehen her etwas Französisches auf dem Spieltisch, und zwar Piratoons – scheint etwas mit Piraten zu tun zu haben…

Das Cover – (Co) Heidelberger Spieleverlag
Name: Piratoons – An die Schiffe, fertig, los!
Verlag: Heidelberger
Autoren: Olivier Grégoire, Thibaut Quintens
Illustratoren: Olivier Bogarts, Nina Clauzel, Amandine Flahaut, Antoine Petit
EAN: 4015566033696
Preis: ca. 35 Euro
Alter: 8+
Spieler: 2-4
Dauer: 30 min
Genre: Worker Placement, Hektik, Piraten, Puzzle, Sets
BGG-Ranking: 4100
Aufmachung
Ich schrieb eingangs bereits, dass es sich einfach um ein französisches Spiel handeln muss, denn gerade unsere westlichen Nachbarn brillieren ja immer wieder mit tollen Grafiken und prächtiger Ausstattung.
Die Box enthält:
– 2 Truhenplatten
– 48 Ausrüstungsteile
– 24 Schiffsteile
– 40 Dublonen
– 32 Punktemarker
– 1 Sanduhr
– 4 Bugteile und 4 Heckteile
– 2 Übersichttafeln
– 1 Spielregel
– 24 Holzpiraten-Meeples (die die Aufzählung auf der Schachtel uns unterschlägt)
Die mittelgroße Spielschachtel ist also wirklich prall gefüllt mit vielen dick gearbeiteten Pappteilen und Holzmeeples die sich sehr „wertig“ (Ach, ich liebe dieses Wort) anfühlen und sagte ich schon, dass alles super aussieht? Wie ihr schon vermuten konntet, haben wir es hier mit einer Kombination der Worte „Piraten“ und „Toons“ (=Zeichentrickfiguren) zu tun.
Die Anleitung ist ebenfalls sehr schön gestaltet und bietet einige Beispiele, war aber tatsächlich bei der ersten Spielrunde ein Quell ewiger Fragen und Nachblätterei, weil ich einige Dinge gerne noch expliziter geklärt hätte. Beispielsweise stellten wir uns die Frage, ob es eine Gröénbegrenzung für die Schiffe gibt (beispielsweise auf ein Teil mit Höhe 1, eines mit Höhe 2 und eines mit Höhe 3 oder so), aber das scheint nicht der Fall zu sein. Auch die Auktionsphase haben wir zuerst missverstanden, aber es kann sein, dass ich da schluderig gelesen habe – da will ich mal nicht so sein…
 
Das Spiel
Die Hintergrundgeschichte ist schnell erzählt. Wir sind Piraten, beracken uns in einer Schänke und müssen bis zum nächsten tag das tollste Schiff mit der besten Besatzung zusammenstellen. Wie mittlerweile üblich unterstützt uns die Anleitung beim Spielaufbau und zeigt auf einer Doppelseite genau, was man wohin legen muss und wer was bekommt. Wichtig für jeden Spieler sind aber vor allem seine 6 Piraten, 3 Dublonen und Bug und Heck seines Schiffs.
Das Spiel geht über 8 Runden. In jeder Runde wird eine Schatztruhe aufgedeckt, die immer 3 Schiffsteile enthält und 6 Aufbauten oder Crewmitglieder. Nach festgelegten Regeln (immer nur 1 Meeple, nur einhändig, nix umstoßen…), die in den Statuten des IPC (Internationaler Piraten Codex) festgehalten sind, werden nun eine Sanduhrlänge lang Crewmitglieder auf den Teilen platziert, um sich diese zu sichern.
Sagte ich „Sanduhrlänge“? Das ist nur bedingt richtig, denn die Phase endet nicht, wenn die Sanduhr abgelaufen ist, sondern es ist so, dass die Spieler nach Ablauf der Zeit Stop rufen dürfen. Es ist also ein strategisches Element, schnell zu setzen und direkt mit dem letzten Sandkorn die Runde zu beenden. Diese Regelung ist sowieso ein absoluter Knaller und für mich das Highlight des Spiels, denn die Entscheidung, wann eine Runde endet, wird bei zunehmender Qualität der Piratenspieler immer wichtiger und eröffnet ungeahnte Strategien. Und ich kann euch sagen – ich war zu Beginn schockiert, wie unfassbar schnell dieser Sand durchrieselt. Ich hatte gerade einen Plan geschmiedet, die Teile kurz angesehen und meinen ersten Piraten gesetzt, da war das Ding auch schon durchgelaufen.
Hat also jemand die Phase durch „STOOOOOOOP!“ beendet, so wird überprüft, wer welche Teile erhält. Total mies ist die Regelung, dass Spieler mit gleich vielen Piraten negieren und für dieses Teil nicht in Frage kommen. So können zwei Spieler je 4 Pöppel gesetzt haben, der dritte Spieler hat einen gesetzt – Spieler 3 erhält aber den Zuschlag. Ein grandioser Mechanismus für Freunde des gepflegten Mitspieler-Ärgerns. In Kombination mit der Stop-Regel wird es da echt herrlich, wenn sich zwei Spieler gegenseitig beharken, der dritte Spieler die Uhr im Auge behält und in dem Moment Stop ruft, wenn einer der beiden Streithähne auf die Piraten-Anzahl seines Kontrahenten gesetzt hat. 
Ganz vergessen – zwischendurch hat man noch für jedes nicht gesetzte Crewmitglied eine Dublone erhalten.
Anschließend findet noch eine Auktion statt, bei der der Sieger der Auktion (der also, der die meisten Dublonen geboten hat) sich einen Gegenstand aus der Schatztruhe nehmen darf. Wahlweise kann es auch ein Element sein, das im Wasser treibt – was der Fall ist, wenn ein Spieler ein Teil bekommt, das er nicht anbauen oder sonstwie verwerten kann.
Tja, das war’s auch schon, was die Regeln angeht. Nun muss man nur noch die Auswertung kapieren (die nicht mit Hilfe einer Kramerleiste, sondern mit kleinen Punktechips unterstützt wird) und schon kann der frisch gekührte Sieger den begehrten Platz an Bord der Pelikanzunge einnehmen.
Bei der Auswertung gibt es immer 5 und 2 Punkte für die Spieler mit den meisten und zweitmeisten Segeln, Dublonen und Fässern im Wasser. Zusätzlich erhält man 2 Punkte pro korrekt verbundenem Schiffsteil und 2 Punkte Abzug für jede Schiffsverbindung, die man vergeigt hat.
Auch jeweils zwei Punkte abziehen muss man sich, wenn man die meisten  leeren Deckfelder, die meisten leeren Quartiersteile, die meisten leeren Bullaugenfelder und die meisten zusammengezählten leeren Felder sein eigen nennen „darf“. Abschließend gibt es noch Punkte für komplettierte Anbauteile-Sets (ohne Segel, für die wurde man schon belohnt).
 
Fazit
Alter Kreisverwalter! Da müssen die Synapsen aber wirklich gut verdrahtet sein. Nur wer hier einen Plan verfolgt, schnell reagiert und gleichzeitig seine Gegner richtig einschätzt (und immer noch ein Nüsschen mehr versteckt hat) kann hier erfolgreich sein. Nach den ersten Partien, in denen es völlig normal ist, dass alle etwas im Trüben fischen, werden die Matches immer härter und die wirklich wichtigen Plättchen werden immer heißer umkämpft. Großartig sind hier die Regeln für Ehrenhaftes Verhalten gemäß des IPC, die einen zu Fairness und präzisem Platzieren der Pöppel zwingen.
Die Altersangabe von „8+“ finde ich sehr gewagt – klar können Kinder unter 10 Jahren das Spiel spielen, aber ob sie wirklich planerisch an die Sache herangehen, wage ich glatt zu bezweifeln. Als „Spiel für die ganze Familie“ würde ich Piratoons eher nicht sehen, denn wenn ich als Erwachsener gegen ein jüngeres Kind antrete, muss ich mich schon ganz schön verbiegen, um es nicht total platt zu machen. Unter gleichaltrigen Kindern mag es aber ausgezeichnet funktionieren, das will ich nicht in Abrede stellen.
Ist etwas für…
Fans von Fluch der Karibik, dem Piraten-Zeichentrickfilm und Confusion.
Bewertung
4 von 5 hektische Strategie-Piraten