[Sonntags-Interview] Das Goldene Kamel (Youtuber und professioneller Foren-Troll)

Bei Facebook habe ich dem gesuchtesten und scheuesten Tier der Youtube-Landschaft aufgelauert und war erfolgreich, aber lest selbst, wie sich das Goldene Kamel die Rollenspiel-Weltherrschaft vorstellt…

1. Herr Kamel – schildern Sie doch mal bitte kurz Ihren Weg ins Rollenspiel.
Mir wurde das Rollenspiel quasi anerzogen. Als ich noch nicht lesen konnte, hat mein Vater mir statt Gute-Nacht-Geschichten Solorollenspiele vorgelesen, bei denen ich dann die Entscheidungen getroffen habe. Die Dinger nannten sich damals noch „Abenteuer-Spiel-Bücher“. Das erste war „Der Forst der Finsternis“. Und auch Spiele wie Heroquest wurden in der Familie fleißig gespielt. Ich hatte also gar keine andere Wahl. Und dafür bin ich wirklich dankbar.
Mein erster Kontakt mit Pen-and-paper-RPG war „Das schwarze Auge“. Mein damaliger bester Freund kam in der 6. Klasse mit der „Abenteuer-Basis-Spiel“-Box an und meinte, dass wir das unbedingt mal ausprobieren müssten. Und seitdem bin ich im Hobby und ruiniere mich finanziell für meine Spielsucht.

2. Wie ging es dann nach dem Schwarzen Auge bis zum heutigen Tage weiter?
Erst einmal ganz lange gar nicht. Ich war von DSA so geflasht, dass ich gar kein interesse daran hatte, mich nach weiteren Rollenspielen umzuschauen. Außerdem gab es mit DSA auch genug Angebote. Die Welt von Dere war für mich noch absolut unbekannt und es gab eine ganze Menge zu entdecken. Damals noch formschön in Boxen. Wir haben vor allem in der Schule gespielt. Nicht nur in festen Spielgruppen aus Mitschülern, die in Waldhütten ganze Wochenenden durchgesuchtet haben, sondern auch auf Klassenfahrten, bei Ausflügen im Bus und teilweise sogar in den Pausen oder im Unterricht, wenn man eine Gruppenarbeit in einem lehrerfreien Raum erledigen sollte. Pen and Paper war erstmal eine echte Offenbarung und DSA war vorerst genug, um sich auszutoben. Vorschläge, sich mal mit anderen Genres zu beschäftigen, kamen zwar auch immer wieder, aber ich hatte eigentlich gar kein Interesse daran. So bin ich dann mit DSA 3 sehr lange rumgedümpelt, bis ich nach der Schule irgendwann das Hobby etwas aus den Augen verloren hatte. Zivildienst und FSJ wurden gänzlich ohne Rollenspiel verlebt. Wobei das nicht ganz richtig ist, denn während dieser Zeit hatte ich einen intensiven Auflug/Absturz in Richtung Azeroth und habe mir World of Warcraft gegönnt. Zurück zum „richtigen“ Rollenspiel ging es dann, als eine Klassenkameradin in der Erzieherausbildung zu mir meinte, ich würde zu viel am PC hängen und ob ich nicht Lust hätte mit ihr mal eine DSA-Gruppe zu suchen. In dieser wurde ich vom „Meister“ immer mal wieder in Richtung Vampire the Masquerade geschubst. Ich bekam Illustrationen oder kurze Buchtexte präsenntiert, die mich anfixen sollten. Das klappte sogar ganz gut, nur dummerweise kannte ich bis dahin nur den Regelmoloch von DSA und hatte entsprechend wenig Lust, mir ein weiteres Rollenspielsystem anzueignen. Dafür verfluche ich DSA bis heute! Denn als ich dann endlich mal (Achtung, Wortwitz!) mit Vampire und dem Storytellersystem Blut geleckt hatte, wollte ich erstmal gar nichts anderes mehr. Nach einer Weile wurde ich dann auf immer mehr kleine verrückte Sachen aufmerksam. Zum Beispiel Ratten!, oder aber auch Sachen wie Paranoia Troubleshooter und Malmsturm. Die nächste große Liebe, die ich neben der World of Darkness immer noch pflege, ist das Warhammer 40k Rollenspiel. Der Schritt dahin war nur logisch, da ich das Setting liebe, aber zu faul und zu untalentiert und auch schlicht zu geizig bin, Heerscharen von Figürchen zu basteln und zu bemalen. Also ist der aktuelle Stand (neben „Eigenentwicklungen“) nostalgisches DSA, World of Darkness (bevorzugt die neue) und Warhammer 40k. Und selbst diese drei sind schon zu viel, um regelmäßig bespielt werden zu können.
3. Okay. Damit ist dein Rollenspiel-Hintergrund ausreichend beleuchtet. Wie spielt jetzt dein Youtube-Kanal in die eben geschilderte Entwicklung hinein?
Mein Youtubekanal ist entstanden, als ich mir ein halbes Jahr gediegene Arbeitslosigkeit geleistet habe. Ich hatte viel Zeit mir Gedanken zu machen und habe natürlich auch den einen oder anderen ans Rollenspiel verschwendet. Ursprünglich war die Idee, einen Kanal aufzumachen, um eigene Ideen zu Universalsystemregeln zur öffentlichen Diskussion zur Verfügung zu stellen. Und ich wollte schon immer mal eine Rollenspielrunde über Google-Hangouts probieren. Meine Entwicklung hat mein Kanal dahingehend bereichert, dass ich über Youtube mit vielen tollen Menschen in Kontakt gekommen bin, mit denen ich sonst nie etwas zu tun gehabt hätte. Ich bin dann auch sehr schnell am Nerdpol gelandet. Auch wenn ich da nicht mehr (offiziell) zugegen bin, habe ich da doch die wichtigsten, cleversten und nettesten Leute im Hobby kennengelernt. Und ich habe Runden mit Leuten spielen können, die sonst aufgrund der großen räumlichen Distanz nie so zusammengekommen wären. Außerdem habe ich so natürlich eine tolle Plattform, um meine unterhaltsamen Störungen zu präsentieren und wahllos Leute zu provozieren. Von dem Fame und dem Money will ich mal gar nicht anfangen…
Eine Tischrunde, erst recht meine schwer vermisste Superrunde aus Kassel, kann, konnte und wird mir Youtube aber nie ersetzen können.

4. Ich bin von den Positionen, die du vertrittst, fast immer sehr begeistert. Von der Form her ließe sich da aber noch einiges herauskitzeln. Denkst du nicht, deine Message ließe sich freundlich verpackt und mit besseren producrion values nicht optimaler unters Volk bringen?
Ja das stimmt. Ich habe anfangs aber gar nicht erwartet, jemals ein halbwegs großes Publikum anzusprechen. Ich hätte niemals gedacht die 100 Abonnenten zu knacken. Von Rollenspielstreams, die tausende Aufrufe haben, hätte ich nie zu träumen gewagt. Bis ich gemerkt hatte, dass man mich tatsächlich beachtet, hatte sich schon etwas als Markenzeichen etabliert, was nicht jedem gefallen kann. Der Spagat zwischen Rotzpunk und Hofnarr kommt bei mir aber auch einfach authentischer rüber als freundliche Sachlichkeit. Es gibt viel klügere Leute, die ihre Ideen weit besser verkaufen können, als ich. Aber denen hört (zu Unrecht!) kein Mensch zu. Ich glaube, ich fahre schon ganz gut damit. Ich rede mir gerne ein, dass es sich dabei um einen „Heiteren Anarchismus“ im Sinne Paul Feyerabends handelt. An der Produktionsweise könnte man sicherlich arbeiten. Da hatte ich auch immer mal Versuche unternommen. Das scheiterte jedoch oft an meinem … Bewegten Leben? Das könnte sich aber vielleicht endlich mal ändern.

5. Hast du mit deinem Kanal irgenwelche realen und völlig wahnsinnigen Ziele?
Oh ja! Beides! Ich möchte unbedingt mal eine schöne große Kampagne spielen. Von was, das ist mir eigentlich egal. Aber ich will endlich mal eine zu Ende bringen. Vielleicht gelingt mir das ja sogar mit den Schleiertanz-Streams. Da warten ja schon viele Leute auf die Fortsetzung und ich habe auch das Gefühl, dass wir bald endlich mal wieder zum Spielen zusammenkommen könnten. Ich möchte es auch endlich mal schaffen, eine regelmäßige Reihe anzubieten, in der im Livestream Sandboxes gebastelt werden. Das war ja das Prinzip die Idee meines allerersten Live-Streams und das hat wirklich Spaß gemahch und ich war etwas überwältigt von der Publikumsbeteiligung. Das wären dann die realistischen mittelfristigen Ziele. Ein halbwahnsinniges Ziel wäre, eine kleine Summe Geld per Crowdfunding zusammenzubekommen, das man dann möglichst unterhaltsam vor der Kamera durchbringt. Auf lange Sicht definitiv, dass man über Werbeeinnahmen das Hobby teilweise mitfinanzieren kann. Oder dass wenigstens das Gefilme kein Verlustgeschäft bleibt und man auf Null rauskommt. Völlig wahnsinnige Ziele? Mit Youtube-Werbeeinnahmen Ulisses die DSA-Lizenz abkaufen, mich dann lachend draufsetzen und das Spiel für tot zu erklären. Und natürlich jeden verklagen, der auf eigene Faust was dafür veröffentlicht. Vielleicht hätten dann andere und bessere Spiele mal endlich eine bessere Chance auf dem deutschen Markt.

6. Welches System würdest du denn ganz groß rausbringen, wenn du mit deinem Kanal die erste Milliarde verdient hast?
Zuerst würde ich am nächsten Gratisrollenspieltag Leute bezahlen, um sich vor jeden Games Workshop in Deutschland zu stellen und für lau das Grundregelwerk zu Dark Heresy zu verteilen.  Das wäre glaube ich ein Quantensprung für das Hobby und würde mir viele Freude beim Heidelbär einbringen. Dann würde ich Leute bezahlen, ein alternatives Regelsystem für Malmsturm zu kreieren und das am Gratisrollenspieltag in die Läden mitschicken. Denn das coolste Setting der Rollenspielgeschichte mit FATE-Regeln bespielt zu sehen, tut mir schon lange im Herzen weh. Wenn du dann irgendwann nochmal etwas Zeit zum Übersetzen hättest, würde ich dich anheuern, die neue World of Darkness noch mal komplett auf deutsch neu aufzulegen. Damit wären wir dann beide über Jahre hinweg beschäftigt. Nach den ersten zwei Aktionen für den GRT würdest du dich dazu bestimmt bereiterklären, oder?
Und dieses FUK!, von dem immer alle reden, verkauft sich ja zum Glück von alleine wie geschnitten Brot

7. Hört sich nach einem großartigen Plan an. Bin dabei. Ich weiß ja, dass du ein großer Fan von Mario T. bist. Was hältst du davon, dass er nun Fantasy Age und Titansgrave auf Deutsch herausbringt?
Als ich Super Mario auf der vorletzten Spiel in Essen gesehen habe, da hatte ich zittrige Hände. Ich dachte ja der Mann wäre weg vom Fenster. Aber ich fand es schön zu sehen, dass er da einen eigenen Stand hatte. Als jemand, der echt zu faul ist, sich Crunch auf Englisch anzulesen, freue ich mich sehr, dass es Fantasy Age auf deutsch geben wird. Ich habe bis jetzt nur Gutes davon gehört. Was das Spiel von Willyboy angeht… Ich habe jetzt schon genug geile Settings, ich brauche nicht noch eins. Zumal mir das Ganze wieder zu bunt und zu sehr durcheinadner ist. Und nur weil es von jemandem ist, der sich im Fernsehen selbst spielt (und das ist dann auch noch seine erste gute Rolle…), nein danke. Zu viel zu tun, um mich damit eingehend zu befasse. Aber Fantasy Age werde ich mir definitiv krallen und ich setze große Hoffnungen darin. Wäre ja vielleicht sogar was für Malmsturm.

8. Nur aus wissenschaftlichem Interesse: Was macht für dich gute Verlagsarbeit aus?
Gute Verlagsarbeit erkennt man am Ergebnis. Ein gutes Produkt, hochwertig, zu einem akzeptablen Preis, bei dem man sieht, dass sich da mehr als eine Person mehr als einen Moment Gedanken zu gemacht hat, ohne Versprechungen die vorher gegeben worden sind, die man dann nicht einhalten konnte, dessen Werdegang seiner Majestät König Kunde transparent gemacht wurde = Gute Verlagsarbeit. Wer im Hobby ist, der hängt wirklich mit seinem Herzen dran und steckt mehr Kohle rein als vernünftig wäre. Man hat es als Verlag nicht nur mit Kunden, sondern mit Fans zu tun. Und die erwarten die selbe Leidenschaft vom Produzenten. Das ist vielleicht unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar, aber es ist einfach so. Das ist so irrational wie Fußball. Man will keine Perfektion, nichts Fehlerfreies, man will sehen, dass da jemand Herzblut und Energie reingesteckt hat und man will irgendwie dabei sein und man will sehen, dass da jemand sein Bestes gegeben hat. Wenn das jemand schafft, dann ist das meiner Meinung nach gute Verlagsarbeit. Ein gutes Beispiel dafür ist Prometheus. Bei Los Muertos hatte ich das Gefühl immer gut und ehrlich informiert zu werden. Da hat sich aber auch der Autor fett mit reingekniet. Da war auch klar: Das ist sein Baby, da lässt er nix anbrennen, da lässt er alle dran teilhaben und da hat er sich nicht irgend einen x-beliebigen Verlag für gesucht. Und am Ende gab es dann ein tolles Produkt zu einem mehr als fairen Preis, eine Gratis-PDF für jedermann zum Reinschnuppern und tolle Standbetreuung und Beratung auf Messen. Da fühlte ich mich als Kunde gut behandelt und habe mein Geld gerne dagelassen. Um ehrlich zu sein hätte ich sogar noch mehr dafür ausgegeben.

9. Das wird die Jungs bei Prometheus freuen zu hören, die bekommen ka sonst oft Gegenwind! Apropos Los Muertos – Wie wichtig ist dir bei einem Rollenspielprodukt die graphische Darstellung?
Sehr wichtig. Das heißt nicht, dass es immer in Vollfarbe sein muss. Ganz und gar nicht. Aber es muss passend sein. Wenn die Illustrationen in einem Rollenspielprodukt die Stimmung des Spiels unterstützen und das Kopfkino anregen, dann beschäftige ich mich automatisch viel lieber/intensiver mit einem Rollenspielprodukt, als wenn ich nur Text vorgesetzt bekomme oder ich mich ständig wundern muss, warum man mir da unpassende Darstellungen anbietet. Aber mir darf es auch nicht zu bunt sein. World of Warcraft kann ich auch am Rechner haben. Los Muertos war da eher wie ein putziger Comic, aber ohne dem Spiel die ernsten Momente abzusprechen. Das war ziemlich gut. Aber auch schwarz-weiß gibt es schöne Sachen.

10. Vielen Dank für deine Zeit. Zum Abschluss darfst du noch den ungewaschenen deutschsprachigen Rollenspielhorden ein paar klare Worte entgegenföhnen.
Na aber immer gerne! Ungewaschen ist ein gutes Stichwort. Liebe Leute, seit The Big Bang Theory gilt Nerdtum als sexy. Verkackt das nicht! Unser Hobby wäre vielleicht attraktiver und dann auch größer, wenn ihr Kackspechte euch beizeiten mal duschen könntet, bevor ihr auf eine Con oder zum local dealer marschiert. Und auch zu schauen, ob man sich in den letzten 6 Wochen zufällig mal die Haare gewaschen hat, bevor man die Webcam anschmeißt, hat noch niemanden umgebracht! Zwingt mich nicht, ein Dusch-Tutorial-Video zu machen, das will doch wirklich niemand sehen…