ETW0 – Ein Mythos wird entmystifiziert!

Ich lese immer wieder in Foren wie bescheuert und sowieso völlig unverständlich dieser ETW0 eigentlich ist – ein Relikt aus Tagen, in denen Rollenspiel wegen Werten wie diesem gar nicht funktionieren KONNTE…

Forschen wir doch mal etwas nach – wofür steht er eigentlich?
Erforderlicher Trefferwurf um RK 0 zu treffen

Im englischsprachigen Bereich ist es übrigens der ThAC0 – To hit Armor Class 0 – auch nicht viel eingängiger.

Immerhin haben wir geklärt, was dieser Wert will – er gibt eine Zahl an, die geworfen werden muss, um einen Gegner mit Rüstungsklasse 0 zu treffenWie aber ergibt sich dieser Wert, der erstmals in ADVANCED DUNGEONS & DRAGONS 2E aufaucht?
Er is in einer Tabelle abzulesen, die sich beispielsweise im Spielerhandbuch der 2. Edition auf Seite 96 findet. Netterweise wird der Mechanismus in unmittelbarer Nähe (Seiten 94 und 95) geduldig erklärt – und zwar absolu idiotensicher, es besteht also kein Grund ihn nicht verstehen zu wollen oder zu können:

„Der erste Schritt bei der Abwicklung eines Kampfes ist die Ermittlung des Wertes, der erreicht werden muss, um den jeweiligen gegner zu treffen. Dazu zieht man die Rüstungsklasse des Gegners vom ETW0 des Angreifers ab (bei einem negativen RK-Wert wird dieser natürlich zum ETW0 addiert). Der Angreifer muss den so errechneten Wert mit 1W20 mindestens erreichen, um zu treffen.“

Gar nicht so schwer, oder? Hier ist es auch völlig Wurscht, ob ich jetzt einen traditionellen Rüstungsklassewert habe, oder einen mit aufsteigender Rüstungsklasse, das ist reine Gewöhnungssache – PRIMA! Da habe ich ja gleich noch gegen die Mechanismus-einheitlich-Gestalter geschossen, die immer von „gebrochenen“ und „unspielbaren“ Regeln faseln. Der Blog-Eintrag lohnt sich ja wirklich!

Gut, der Ausdruck tauchte erstmals in der 2. Edition von AD&D auf – aber was, bitte sehr, haben denn D&D/AD&D-Spieler vorher gemacht?!?

Genau das Gleiche! Es hieß nur nicht so!

Gehen wir mal zu AD&D 1E – hier hatte der Spielleiter die Kontrolle über die sogenannten Angriffsmatrizes (ich hoffe mal das ist der Plural von „Matrix“.) Diese Marix ist vom Prinzip her völlig identlisch mit den Tabellen, die den Spielern in der 2E zur Verfügung stehen, um ihren EW0 zu errechnen.
Es sieht halt nur deutlich unübersichtlicher aus, wenn man pro Charakterklasse eine Tabelle mit den Achsen „Rüstungsklasse des Gegners“ und „Stufe des Charakters“ hat. Diese Matrix sieht zwar jeweils beeindruckend aus, aber sie sind auch für mahematisch weniger begabte Spieler und Spielleiter praktisch, da hier direkt der Wert abgelesen werden kann, der erforderlich is, um einen Gegner zu treffen – aber auch damals haben wir uns für jeden Charakter einfach den Wert auf den Charakterbogen geschrieben, den er werfen muss, um Rüstungsklasse 0 zu treffen, da wir zu faul waren, um jedes Mal in den Tabellen nachzuschlagen.

Diese Matrix für jeden Charakter finden wir auch bei Classic D&D, ja sogar in der ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1974 – ich habe extra für diesen Eintrag nochmal meine „Weiße Box“ geöffnet und Book 1 durchgeblättert.

Um es also mal auf den Punkt zu bringen: Der ETW0 war als Erleichterung gedacht, da man so nur einen einzigen Wert auf dem Charakterbogen notieren muss, mit dessen Hilfe man für jeden Gegner errechnen kann, was geworfen werden muss, um ihn zu treffen. Eigentlich genial einfach, oder?

15 Gedanken zu „ETW0 – Ein Mythos wird entmystifiziert!“

  1. Eigentlich genial einfach, aber für Einsteiger nicht sonderlich intuitiv. Und wenn man so was nicht auf Anhieb kapiert, kann es schnell sein, dass man es für eine doofe/komplizierte/schlechte Regel hält. Mir ging es nach meinen ersten Schritten in AD&D genauso.

    Vielleicht ist auch das Problem der Kritiker nicht die Grundmechanik, sondern die Integration der Boni. Die Rüstungsklasse zieht man vom ETW0 ab, aber den Stärkebonus von +2 und das Langschwert +1 zieht man entweder vom ETW0 ab, was unintuitiv ist, weil die Vorzeichen was anderes sagen, oder man rechnet sie auf den Würfelwurf drauf, was aber dazu führt, das man bei zwei Zahlen Zuschläge und Abzüge einberechnen muss.

    Ich denke, dass man etwas von einem Wert abziehen muss, um einen besseren Wert zu erhalten, ist eine psychologische Hürde, die der Regel viele Kritiker beschert hat.

  2. Dieses "inuitiv/unintuitiv" ist auch wieder so ein Wort, das mir nich besonders passt. Klar hast du mit deiner gesamten Aussage recht, aber wo ist das Problem, wenn ein Spielleiter, der sich die Regeln kurz durchgelesen hat, dies seinen Spielern kurz erklärt?
    Und die gesamten Kampfregeln von D&D/AD&D sind ein Kindergeburtstag gegen das, was ein Spielleiter bei D&D 4E bei einem kleinen Kämpfchen beachten muss.

    Ich habe schon in etlichen Con-Runden in nur 10 Minuten bis zu 7 Spielern die Grundregeln von Lab Lord erklärt – es gab nicht die geringsten Probleme.

    Im Übrigen habe ich die psychiologische Hürde bisher noch nie beim Sprechen über die Regeln an sich feststellen können, die meisen schalten schon bei der ABkürzung "ETW0" ab und behaupten das ganze Kampfkonzept sei völlig unspielbar.

  3. Die Stümperei am ETW0 ist, dass er eine unnötige komplizierte Regel für einen simplen Sachverhalt präsentiert. Dies liegt mitunter daran, dass bei dem ETW0-Mechanismus zwei Werte, die jeweils sinken gegeneinander verrechnet werden.

    Besonders absurd die RK, die für einen ungepanzerten Gegner bei 10 anfängt. Das kann man man wirklich kontraintuitiv nennen, denn aus dem Erfahrungsschatz der Echtwelt erschließt es sich eben nicht direkt, warum RK 0 besser sein soll als RK 10.

    Der nächste Schritt ist die Substrahierung. Natürlich kann man eine solche verwenden, aber in für viele Leute stellt Subtrahierung von zwei Werten bereits ein Problem dar, vor allem wenn sie eine negative Zahl subtrahieren müssen.

    Und zuletzt ist BAB +5, Stärkebonus +2 und Waffenbonus +3 gg. AC 20 (W20+5+2+3 >= 20) genau dasselbe wie ETW0 15, Stärke +2, Waffe +3 gg. AC 5 (W20 >= 15-5-(+2)-(+3)). In beiden Fällen muss eine 10 gewürfelt werden. Nur ist der erste Fall schlicht simpler.

    Natürlich funktioniert der ETW0, aber er ist einfach ein Zeichen von schlechtem Design seitens Gygax.

  4. Tschuldigung, aber der ETW0 ist einfach miserabel erklärt und umständlich, besonders im Vergleich zu BAB und aufsteigender Rüstungsklasse.

    Der ETW0 funktioniert so: Einen positiven Wert ziehe ich ab, einen negativen addiere ich. Eine niedrige Rüstungsklasse ist gut, eine positive schlecht. (Sonst ist es allerdings größtenteils umgekehrt: Ein hoher Wert ist gut) Oh ja, und ich muss hoch würfeln, während ich sonst eher niedrig würfeln muss.

    Bei der aufsteigenden Rüstungsklasse hingegen ziehe ich negative Werte ab und addiere positive. Es reiht sich zudem elegant in die restliche Mechanik ein: Ein hoher Wert ist immer besser, egal, ob es jetzt Rüstung, Attribute oder Rettungswürfe sind.

    Der BAB ist also wesentlich intuitiver und eleganter als der ETW0. Ich brauche mir für Rettungswürfe, Angriffswürfe, Attributswürfe immer nur einen Mechanismus merken: W20 + Boni.

    Sowohl Basic Fantasy, Castles & Crusades als auch Sword & Sorcery zeigen ja deutlich, daß der ETW0 gar nichts mit "old-school" zu tun hat, sondern dass man den BAB bruchlos in old-schoolige Spiele einfügen kann.

    Der ETW0 war ein Relikt, dass aus den Wargames mitgeschleppt wurde, bis jemand auf die Idee kam, man könne es wesentlich machen, indem man ihn auf den Kopf stellt.

  5. Ich will doch gar nicht das System an sich verteidigen, das ist mir völlig Wurscht! Obwohl ich seit 3784651256 Jahren so spiele und ich keine Probleme damit habe. Für mich ist das genau so "intuitiv" wie die Tatsache, dass RK 10 auf einmal toller ist als RK 0.

    Ich finde es nur immer wieder witzig, wenn gerade dieses Regel als "gebrochen" dargestellt wird was völliger Unsinn ist, denn sie ist absolut gut spielbar. Wie du selber sagst, Sven, ist das Konzept ETW0 eigentlich identisch mit BAB (mit umgedrehten Voraussetzungen), wobei sich die Abkürzungen trefflich streiten können, welche von ihnen beknackter ist.

    Und hört mir mit "intuitiv" auf! Dann macht euch halt auf euren Charakterbogen ein kleines Pfeilchen, welches anzeigt "Ich würfle besser drüber", oder "Ich würfle besser drunter", dann ist ein riesengroßes Problem schnell gelöst.

  6. Dein Hinweis, man solle sich doch einen Pfeil machen, zeigt deutlich, dass der ETW0 kein intuitives "Interface" ist.

    Wäre der ETW0 intuitiv, bräucht man keine Pfeile und keine verschachtelte Erklärung.

    Natürlich funktioniert ETW0, aber BAB funktioniert ohne Um-die-Ecke-denken und ohne Subtraktion und damit ist er rein designtechnisch dem ETW0 überlegen.

    Der ETW0 bietet ja nicht mal gegenüber dem BAB irgendeinen Mehrwert, was einen komplizierteren Ansatz entschuldigen würde. Nein, es wird genau dasselbe getan, nur in schwieriger, weil:

    – Subtrahieren schwieriger ist als Addieren
    – Ein Wertebereich 10 bis -10 schwieriger handzuhaben ist, als ein Wertebereich 0 bis 50.

    Eine hitzig geführte Debatte bringt an dieser Stelle auch nichts. So etwas muss man nüchtern betrachten.

  7. Die ganze Idee des ETW0 ist Blödsinn und unnötig kompliziert. Plötzlich ist es besser, wenn ein Wert sinkt, obwohl im Rest des Systems Steigerungen gut sind. Man benötigt eine Tabelle, um das Ergebnis zu bestimmen. Den steigenden Angriffswert mit einem möglichst hohen Wurf gegen eine steigende Rüstungsklasse ist wesentlich einfacher, schneller und stärker am Rest des Systems ausgerichtet.

  8. Lies doch mal meinen Beitrag, Scorp! Man braucht KEINE Tabelle!
    Das Zitat aus dem Spielerhandbuch reicht!

    Ich verstehe dieses "Auf-Intuitiv"-Rumreiten nicht! Es behauptet niemand, dass es einen Mehrwert habe – alles, was ich sage, ist, dass es funktioniert. Ich habe kein Problem mit Ecken und Kanten an meinem Rollenspiel, solange es sich um solche minimalen mathematischen Kinkerlitzchen handelt, die sich letzten Ende nichts mit ihren moderneren Fassungen geben.

    In meinem Artikel ging es einzig und allein, charmant – wie es meine Art ist – darauf herumzureiten, dass viele Rollenspieler, die ich kenne, auf diesem Terminus "ETW0" rumhacken, ohne sich jemals damit befasst zu haben.

    Insofern wäre eigentlich der vierte Absatz von Svens erstem Posting schon der ideale Blog-Eintrag gewesen. Kurz auf die mathematische Formel reduziert gefällt mir das sehr gut.

  9. Kleine Klugscheißerei von meiner Seite: Der THAC0 kommt schon in einigen AD&D1-Abenteuer vor (z.B. Abdventure Pack 1 von 1987, vieleicht auch schon früher).
    Allerdings wurde er erst mit der 2. Edition "offiziell".

    Ich finde höher = besser auch einfacher, kann aber auch mit THAC0/ ETW0 oder den Tabellen gut leben.

  10. Hi,
    kann man sich nicht darauf einigen:

    Der BAB ist einfacher zu errechnen
    der ETW0 ist aber trotzdem spielbar und auch nicht so schwer zu verstehen, gerade da Rollenspieler eh alles Freaks sind die Mathe studieren :-).

    PS: in Svens Rechenbeispiel zum ETW0 ist ein Fehler, so wie die Zahlen dastehen muss man eine 5 Würfeln da
    15 – 5 = 10 und 5 + 2 + 3 = 10

  11. Wir haben jahrelang mit ETW0 gespielt, aber das der als kompliziert angesehen wird habe ich immer auf die RK geschoben, hatte immer das Gefühl das es eigentlich nicht am ETW0 liegt.

    Wir haben immer die RK als Bonus auf den W20-Wurf genutzt; d.h. mit w20+RK+Boni über den eigenen ETW0. würfeln. Ist mathematisch gesehen das gleiche, nur das man das Vorzeichen der RK nicht invertieren muss.

    BAB fühlt sich trotzdem intuitiver an als "mit Hilfe eines Wert des Gegners (RK), einen eigenen Wert (ETW0) zu überwerfen".

    Das in D&D>2 noch zig weitere variablen eingerechnet werden ist noch mal eine ganz andere Baustelle.

  12. Also zum einen wurden Rettungswürfe ebenfalls dadurch besser, dass sie sanken. ETW0 war nie ein solcher Bruch der Regeln, wie's gern dargestellt wurde / wird.

    Weiterhin haben qir nach 10 Jahren wieder mit einer AD&D 2nd Kampagne angefangen – und trotz dieser langen Pause kannte jeder am Tisch sofort dir Grundlagen von Trefferwurf und dem Berechnen von Boni und Mali auf Angriffe. Keine Schwierigkeiten, noch nicht mal Nachfragen. Und auch in den 90ern kann ich mich nicht daran erinnern, jemals Spieler in meiner Gruppe begegnet zu sein, die damit Probleme hatten. ETW0 war immer berechenbar – für mich ein klarer Vorteil gegenüber Systemen, wo immer wieder Tabellen zu Rate gezogen werden müssen.

    Und eine Regel, die nach 10 Jahren noch in den Köpfen vorhanden ist, muss wohl intuitiver gewesen sein, als der erste Blick es erahnen liess…

  13. Wie der Rote Baron richtig erwähnte, kam der THAC0 schon in First-Edition-Abenteuern vor, wobei ich mich nicht erinnern kann, ob er damals schon mit einer Regel verbunden war oder ob die Formulierung "THAC0 19" den Monster-Statblock nicht einfach nur kompakter machen sollte (und vom DM erwartet wurde, die Tabelle im tatsächlichen Spieleinsatz von AC0 aufwärts zu rekonstruieren).

    Es könnte sein, dass einige Leute (bei TSR oder sonstwo) erst in der Hitze des Kampfes bemerkt haben, dass sie mit diesem einen Wert ("gebt mir einen festen Punkt", usw.) die Tabelle gar nicht mehr brauchen.

    Meine Erinnerung ist etwas schummrig, aber ich meine, dass ich den THAC0 auch in D&D-Modulen gesehen habe (oder den Gazetteers, womit neben dem Skillsystem zwei BECMI-Elemente Eingang in AD&D2 gefunden hätten).

    Solange ich AD&D geleitet habe, habe ich die Tabelle immer rekonstruiert und nie mit der THAC0-Formel gearbeitet. (Obwohl Anonyms Formel w20+AC+attack bonuses vs. THAC0 eingängiger gewesen wäre, wenn ich sie damals entdeckt hätte.)

  14. Hui, das ist zugegebenermaßen schon lange her. Ich kam jetzt auf diesen Blog-Eintrag durch die Rezension des AD&D2ndEdGMG im Gate. Ob kompliziert oder nicht, kann ich gar nicht mehr sagen. Ich hatte mit D&D1 vor ca. 28 Jahren angefangen, und auf dem alten CPC (Konkurrenz zum C64) The Bard´s Tale gespielt. Dort war es lustigerweise genauso mit der niedrigen AC, die eben besser war. Mir ist das also nie in den Sinn gekommen, daß es schwierig sein könnte, denn ThAC0 zu verwenden. Offen gesagt ging uns das System so leicht von der Hand, daß es in keiner Weise irgendwie problematisch war, Boni oder Mali zu verrechnen. Intuitiv hin oder her, logisch hin oder her, hat es eben einfach einwandfrei funktioniert, und auch Spaß gemacht. Daß ein Hochrechnen immer besser und intuitiver ist, ist ja logisch – eine 6 ist in der Schule ja auch besser als eine 1, und das war schon immer… Nein, halt. Sehr unintuitiv das Schulnotensystem. Aber glücklicherweise lernt man auch schon in der Grundschule plus plus gibt plus. Minus minus gibt noch mehr minus, und plus und minus gibt – ach was solls.
    Spiel macht Spaß – reicht!

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