Überbeanspruchung der Würfel

Heute lasse ich mal Frank Mentzer, den Editor der roten D&D-Box, für mich auf die Seifenkiste steigen:

„Ein häufiger Fehler ist es, alles mit Hilfe von zufälligen Würfelergebnissen zu entscheiden. Ein ganzer Spielabend kann dadurch verdorben werden, dass beispielsweise eine ungeplante Wildnisbegegnung auf dem Weg zum Verlies böse endet. Der DM muss zusätzlich zu seinen Begegnungstabellen auch seinen gesunden Menschenverstand einsetzen. Begegnungen sollten auf die Stärke der Abenteurergruppe abgestimmt sein und zum Thema des Abenteuers passen.
Der DM kann eine Nummer innerhalb der angegebenen Würfelspanne bestimmen, um Schaden, die Anzahl auftauchender Monster oder Ähnliches festzulegen. Für ein befriedigendes Spiel kann dies notwendig sein. Schwere Verluste zu Beginn eines Abenteuers können viel von der Spielfreude verderben.“

Hört sich ziemlich modern an, von wegen „Anpassung der Spielstärke“, wurde aber von Frank im Jahr 1983 geschrieben, um im Spielleiterteil des Handbuches seiner Experten-Regeln zu erscheinen.
Ich bin hier mit Frank nicht ganz einer Meinung, da ich meine Würfelergebnisse am liebsten so nehme, wie sie kommen, aber wie käme ich dazu einem meiner großen Jugendhelden zu widersprechen.
Neuere Kommentare von Frank gehen sogar noch viel weiter, dass er einen Großteil seiner Würfelergebnisse „abwandelt“, wenn sie seiner erzählten Geschichte „in den Weg kommen“. Ihm ist nach etwa 35 Jahren Rollenspiel die Story entscheidend wichtiger geworden, als Regelmechanismen, die bei ihm nur eine untergeordnete, dienende Funktion haben. In seinem derzeit 269 Seiten langen Q&A-Thread im Dragonsfoot-Forum kann man mehr über diesen kauzigen und unendlich netten und klugen Kopf erfahren. Es lohnt sich, diesen Thread in kleinen Häppchen komplett zu verdauen!

Historisch betrachtet ist diese Aussage so einzuordnen, dass von den bis dahin existierenden Regelwerken für „alte Wargamer“, auf die die ursprünglichen Regeln von Gygax/Arneson abzielten, ein jüngeres Publikum erobert werden sollte. Dr. Holmes machte den ersten Versuch mit seinem 1977er D&D-Regelwerk, aber er schrieb nur Regeln für die ersten 3 Stufen und wies darauf hin, dann auf AD&D umzusteigen. Frank war dann der, der die D&D-Reihe bis zur 36. Stufe und darüber hinaus entstehen ließ.
Wie Mentzer in jüngster Zeit öfters in US-Foren angab war sein Auftrag von Gygax „eine D&D-Fassung zu editieren, die ältere Kinder und jüngere Jugendliche an das Spiel heranführte“.
Diese Aufgabenstellung fällt gerade in Mentzers Basis- und Experten-Set immer wieder auf, beispielsweise an der Art und Weise wie der Spieler mit Hilfe eines „Tutorials“ in die verschiedenen Spielmechanismen eingeführt wird.
An meiner Tochter (sie war damals 10 Jahre alt) habe ich gesehen, dass diese herangehensweise auch heute noch ein absolut gangbarer Weg ist, junge Spieler an das Spiel heranzuführen.

Ein Gedanke zu „Überbeanspruchung der Würfel“

  1. Wie immer, hochspannender Artikel! Ich mag es allerdings auch ganz gern, die Würfelergebnisse so zu nehmen, wie sie kommen – der blaue Drache muss ja nicht die Party angreifen, sondern reißt seine Beute (die zweite Zufallsbegegnung… ;)) in der Nähe und zieht am Abendhimmel vorbei…

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