[Theorie] Ein (Investigativ-)Abenteuer von der Idee bis zur Veröffentlichung

Ich sitze gerade daran mein Troubleshooters-Abenteuer „M’r losse der Dom en Kölle“ publikationsfertig machen und es könnte ja sein, dass der gesamte Prozess von 0 auf 100 einige hier interessiert.

Vorab müsst ihr natürlich wissen, dass das kein König*innenweg ist, sondern einfach die Methode mit der ich Abenteuer entwerfe und dann einem Verlag übergebe. Es klappt also für mich, vielleicht ist ein anderer Workflow ja für euch sinnvoller.

UND ich spreche gerade wirklich von einer ganz speziellen Art von Abenteuer. Und zwar einem investigativen Abenteuer für ein System, das es ermöglicht Actiongeschichten zu spielen und zu erleben, wie wir sie aus frankobelgischen Comics kennen. (An einen Dungeon oder ein Hexcrawl-Abenteuer gehe ich völlig anders heran.)

Okay. beginnen wir ganz vorne! Ich hatte den Cast des Mühlenhof-Podcasts breitgeschlagen mit mir ein Troubleshooters-Abenteuer im Stream zu spielen. Ein Abenteuer musste her.

Der erste Schritt war die Suche nach einem geeigneten Ort. Ich habe etwas hin- und her überlegt und wollte in Deutschland bleiben. Die Überlegungen waren etwas mit Moselburgen zu machen oder im Schwarzwald. Das geht immer. Aber dann wurde es Köln. Da kenne ich mich aus, die anderen waren zumindest auch schonmal da und mit dem Dom gibt es auf jeden Fall ein Merkmal, das auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt. Da kam dann der Titel von alleine. Klar: „M’r losse der Dom en Kölle“! Ein Klassiker. Bekanntes Lied- Merkmal. Stadt. Alles enthalten. Top.

Die nächste Überlegung besteht darin die Art des Verbrechens festzulegen. Bei Troubleshooters ist das immer sehr einfach. Der Oktopus als böse Organisation ist eingeführt und die wilde Technologie der späten 60er erlaubt unglaublich viel. Vom simplen Banküberfall mit schwarzen Mercedes-Karren bis hin zur Entführung des Doms mit Hilfe einer Schrumpfkanone ist hier alles möglich.

An dieser Stelle steht bei mir Recherche. Sowohl im Regelwerk und eventuellen Quellenbänden, als auch im Internet. So bekomme ich ein Gefühl dafür, was zur relevanten Zeit in Köln vor sich geht und wie das das Verbrechen beeinflussen könnte. Interessantes Rechercheergebnis hier: Zu dieser Zeit wird die Domplatte gebaut. Da geht doch was.

Nächster Schritt: Wer ist der Bösewicht? Soll er klassisch werden. Also böse, um des Böseseins willen? Eine eher unauffällige Nebenfigur; eine Sekretärin, die sich im großen Finale als Oberschurkin erweist? VIelleicht auch schon mit Manierismen, Eigenheiten…?

Jetzt kommen wir zum eigentlichen „Abenteuer“. Ich überlege mir in Bezug auf das Detektivabenteuer an welche Orte es die Gruppe verschlagen könnte – und welche Hinweise und Informationen dort zu finden sein mögen, um dem großen Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Jetzt kommt mein Schwachpunkt. Karten. Das sind meist eher hässliche Skizzen – aber come on. Der Verlag darf da später eine nette Person dafür bezahlen das schöner zu machen. Und außerdem sind Karten in den Troubleshooters-Szenen weniger wichtig als präzise Dungeon-Karten in OSR-Abenteuern.

Zusammenhängend mit den Orten ist die parallele Überlegung, welche Personen sich wo befinden, was sie für Informationen haben und vor allem, welche Hinweise sie geben können, was sie antreibt und wie sie zur Gruppe stehen.

An dieser Stelle steht der Kern des Abenteuers. Ich versuche möglichst viele Szenen (mit Orten und Personen) vorbereitet zu haben, zu denen die Gruppe gehen könnte. Ja, hier habe ich eigentlich immer mehr Optionen vorbereitet, als die Gruppe nutzen wird, aber das passt schon. Mein Ziel ist es ja, ein möglichst freies Spielgefühl zu ermöglichen. Und je mehr da vorbereitet ist, desto „ehrlicher“ komme ich mir beim Spielleiten vor.

Jetzt erst versehe ich die Orte und Personen mit Spielwerten. Zu den Überlegungen an dieser Stelle gehört auf jeden Fall, welche Proben wann wo wie abgelegt werden könnten und wie schwer sie sein sollten, um das jeweilige Ziel zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt versuche ich es nicht zu einfach zu machen, damit das Abenteuer einfach so durchrauscht, aber auch nicht so schwer, damit es zum Stehen kommt. Aber hey, genau werdet ihr das wirklich erst nach zwei oder drei Spieltests wissen.

Schlussendlich überlege ich, ob das Abenteuer einfach irgendwie organisch endet, oder ob alles auf eine große Schlussszene hinauslaufen soll. Bei klassischen OSR-Fantasy-Abenteuern ist es bei mir meist Ersteres, aber bei Troubleshooters ist es nur passend, wenn die wilde Hatz wirklich in einem großen Knall endet, den ich auch schon zumindest in den Grundzügen vorbereitet habe.

  • Ort
  • Titel
  • Verbrechen
  • Recherche
  • Bösewicht
  • Orte (und Hinweise)
  • Karten
  • Personen (und Hinweise)
  • mögliche Szenen (aus Orten und Hinweisen)
  • Spielwerte
  • Finale?

An dieser Stelle habe ich genügend Informationen, um das Abenteuer wirklich mit der heimischen Gruppe oder mit den Kolleg*innen vom Podcast im Stream zu spielen. Also ab an den Spieltisch mit unseren zwei Schmierzetteln:

Okay. Jeder Spieltest zeigt, dass jede noch so gute Vorbereitung irgendetwas nicht bedacht hat. Ich überprüfe also Was hat gefehlt? Im Kölle-Abenteuer was mir zum Beispiel nicht klar, dass es zu Problemen führen könnte, wenn in der Gruppe kein Charakter der deutschen Sprache mächtig ist und so habe ich schnell den blonden schürzenjagenden Übersetzer Oscar Halvarsson ins Spiel gebracht, der der Gruppe von der schwedischen Armee zur Verfügung gestellt wird. Wichtiger Punkt! Der muss unbedingt im fertigen Abenteuer (das ja als Kaufabenteuer von allen gespielt werden können muss) in einem Infokasten vorkommen.

Ebenso hat die Gruppe einen Ermittlungsansatz gewählt, den ich nicht bedacht hatte und den ich spontan improvisieren musste – auch den habe ich dann für weitere Spieltests und die finale Publikation ausgearbeitet – ihr wisst schon: völlige Freiheit durch gute Vorarbeit.

Auch sehr wichtig ist es, sich klarzumachen, was gut funktioniert hat, denn auch das baue ich dann gerne noch weiter aus, denn genau diese Elemente, die schon in der „Rohbauweise“ gut funktionieren haben das Potential mit etwas mehr Liebe und Arbeit im fertigen Abenteuer so richtig zu rocken.

Jetzt steht das Abenteuer. Aber welche Kleinigkeiten werden noch gebraucht? Ein typisches Beispiel ist hier das Verhalten oder die Marotten von NSC, die sich m Laufe des tatsächlichen Spielens ergeben haben. Wenn da etwas gut funktioniert hat, sofort notieren, um es später ins Abenteuer zu schreiben.

Oder aber irgendwelche Proben, die ich vorab nicht bedacht hatte. Da kann ich jetzt die Schwierigkeitsgrade festlegen, um beim nächsten Spieltest alles noch etwas reibungsloser ablaufen zu lassen.

Und auch jetzt stehe ich noch bei 2-3 Seiten mit Füller auf Schmierpapier.

Was hat gefehlt?

  • Was hat funktioniert?
  • Welche Details müssen hinzugefügt werden?

Jetzt. Und erst jetzt öffne ich ein Word-Dokument und lege los.

Beim finalen Schreiben des Abenteuers beginne ich immer mit dem Abenteuerskelett. Also der Struktur. Überschriften, Szenen, Anhang mit Personennamen…

Jetzt notiere ich bei den einzelnen Abschnitten die Stichworte, die ich auf meinen Schmierzetteln finde. (Dieser Schritt lässt sich mit etwas Übung auch überspringen.)

Diese Stichworte formuliere ich jetzt aus zu einem kohärenten Text. Die Orte und Personen werden genau beschrieben. Der Text enthält nun alle Informationen, die benötigt werden um das Abenteuer leiten zu können. (Und mal ganz ehrlich. Ich bin kein Autor – ich will ein spielbares Abenteuer präsentieren – also versuche ich erst gar nicht um den Literaturnobelpreis mitzukämpfen, sondern versuche eine präzise Gebrauchsanleitung abzuliefern. Wenn die sich noch dazu gut liest, umso besser!)

Um die „Leitbarkeit“ zu verbessern kommen jetzt wichtige Informationen in Boxenform dazu. Ihr erinnert euch sicher an Oscar Halvarsson. Hier können auch noch Hinweise zum Leiten an passender Stelle eingefügt werden.

Jetzt schreibe ich die Einleitung zu meinem Abenteuer. Eine kurze Zusammenfassung was geschieht und was geschehen könnte. Das mache ich nicht früher, weil ich ja jetzt erst genau weiß, was alles im Abenteuer vorkommen könnte.

In die Anhänge kommen alle Figuren der Einsatzleitung (NSC), vielleicht noch krude gezeichnete Karten. Benötige ich irgendwelche Zusatzregeln? Dann hier rein damit.

So. Hetzt wird nochmal alles gecheckt, ich will mich ja bei Testspieler*innen oder Lektor*innen/Korrektor*innen ja nicht komplett lächerlich machen.

  • Abenteuerskelett aufschreiben
  • Fleisch hinzufügen in Form der Stichworte
  • Stichworte ausarbeiten
  • Infoboxen?
  • Abenteuereinleitung (ja, die kommt jetzt erst)
  • Anhänge
  • Werte und Texte checken

So. Das Abenteuer ist nun aufgeschrieben und euer Job als Autor*in ist zuerst einmal erledigt. Das, was von jetzt an passiert, wäre noch einmal ein Thema für einen weiteren Blogeintrag.

Wollt ihr das gute Stück im Selbstverlag veröffentlichen? Soll es bei einem Verlag erscheinen?

Bei mir geht es jetzt für das Köln-Abenteuer so weiter:

  • Anderen SL geben, damit sie es spielen
  • Feedback sammeln
  • Feedback einarbeiten
  • Nochmal alles korrigieren und gegenchecken
  • Zum Verlag schicken
  • Vorschläge für Titel-Illu und potentielle Innen-Illus machen
  • Nochmal ansehen, wenn es gesetzt ist und bevor es gedruckt wird (jammern, dass nicht alle Illu-Wünsche erfüllt wurden)
  • 5 Millionen Euro kassieren
  • Fertig!