Finsterland – Handbuch der Technologie

Jawollja! Ich war einer der ersten, die den dritten Finsterland-Band in Händen halten durften und nun bin ich auch einer der ersten, die ein paar Worte dazu verlieren … 
Zuvor habe ich mir schon das Regelwerk und den Magieband angesehen.
System: Finsterland
Autoren: Georg Hugo Donatus Pils, Gregor Eisenwort, Michael Prammer
Verlag: Eigenverlag
Seiten: 164 Seiten (gebunden)
Erscheinungsjahr: 2012
Preis: 25 Euro
ISBN: 978-3-9503270-1-4

Schon
seit langem freue ich mich ja auf das Technologiehandbuch – aber auf den
ersten Blick wurden meine Hoffnungen mehr als untertroffen. Ih rechnete
mit einem Buch voller cooler Cybertech-Gadgets auf Dampfmaschinenbasis,
den sich die Charaktere einbauen lassen können und bekam …

… etwas völlig anderes.

Aufmachung:

Schon
das Cover ist zwar wirklich cool – ich kann es immer nur gebetsmühlenartig wiederholen – für Amateuerverhältnisse ist die gesamte Finsterland-Kiste extrem
professionell aufgezogen – aber nicht das, was ich erwartet habe. Die
Illustration zieht sich über Vorder- und Rückseite und im Hintergrund
tobt irgendein Krieg mit Feuer und allem, was dazu gehört, aber die
eigentlichen “Helden” des Covers sind diverse Flugmaschinen von
Doppeldeckerflugzeug bis hin zu gewaltigen Zeppelinen. Aha! Ein Handbuch
der Flugtechnologie?
Das
Zentrum der Vorderseite nehmen zwei Männer ein, die sich in bester
Holmes- und Moriarty-Manier nicht gegenseitig die Rheinfälle von
Schaffhausen herunterstürzen wollen, sondern das Ziel verfolgen, ihren
Konterpart von den oberen Tragflächen eines Flugzeugs zu befördern. Auch
die sind nicht die Spur vercybert – bahnt sich da wirklich eine
gewaltige Enttäuschung an? Ich will Handgelenksklingen, die mit einer
Dampfmaschien im Rucksack betrieben werden und Computer, die aus
monströsen Zahnradkonstruktionen bestehen.
Ansonsten wirken die Illus nicht mehr so „zusammengewürfelt“ wie in den ersten beiden Teilen, ich meine da einen größeren Zusammenhalt im Gesamtprodukt erkennen zu können. Die einzelnen Köpfe der NSC im Beispielabenteuer lassen sogar etwas Pegasus-Cthulhu-Feeling aufkommen und das meine ich absolut positiv. 
Das Layout entspricht dem der beiden Vorgängerbände (zweispaltig, Zierleiste an der Seite und unten, wenige aber passende Illustrationen) – wobei ich da bei der Zierleiste am Rand endlich meine Zahnräder, Ventile und andere Maschinenteile bekomme. Geht doch! 😉
Zum Lektorat kann man nicht viel sagen, insgesamt finden sich echt wenige Fehler – im Gegenteil. Die Sprache („Österreichisch“) ist so „anders“ und irgendwie so passend zum Setting, dass es wirklich Spaß macht, sich durch das Buch zu pflügen.

An dieser Stelle sei festgestellt: Aus meiner Sicht ist die (aus Sicht des Durchschnittdeutschen äußerst exotische) Sprache das große Pfund, mit der die Finsterland-Reihe wuchern kann! Es macht einfach Spaß die 3 Bücher zu lesen – auch wenn man kein großer Fan des WoD-Heartbreaker-Systems ist. Das zweite große Plus ist das Setting, aber dazu später mehr …
Inhalt:
Ich sagte es schon vorweg – es gibt KEIN Dampfmaschinen-Cyber-Gear. Schade, aber irgendwas anderweitig Sinnvolles wird sich doch finden?
Absolut!

Man erfährt (nach der obligatorischen Intro mit Tipps zu Literatur, Musik und Filmen) mehr zur Geschichte und den Kriegen des Kaiserreichs – direkt in diesem ersten Kapitel ist mein Highlight des Bandes – die berühmten Einheiten sind einfach Weltklasse (und wie alle Texte zu Finsterland immer mit Abenteuerideen versehen).
Schon im ersten Kapitel fällt eine Sache auf, an der ich immer wieder reibe – es wird sehr, sehr viel regeltechnisch nicht untermauert und einfach fluff-mäßig geregelt. Nehme ich mal den Abschnitt zu den Fliegenden Festungen – geile Teile und auch schön beschrieben, aber dann keine einzige Zahl, keine Angabe zu Stärken/Schwächen, Preis, Komponenten …
Know what I mean?
Positiv daran ist natürlich, dass man das Regelwerk auch ohne größere Probleme mit anderen Systemen verwenden kann – eine Konversion auf das LL-Regelwerk wäre mal eine absolut verschärfte Sache, denn ich habe echt eine Schwäche für diese wahnsinnige Magie-meets-Steam (ohne -punk)-meets-crazy-Europe-Sache. Das war es dann auch schon zum vorher angesprochenen zweiten Plus. Ich mag einfach diese merkwürdige „alternate history Europe“-Masche, die absolut konsequent und bis in die kleinsten Details durchgezogen wird.

Weiterhin wird Folgendes geboten: Technologie. Und zwar in Bezug auf Kommunikation, Verkehr, Industrie und Medizin. Schrieb ich eben „Details“? Zu jeder Technologie gibt es einige Unternehmen mit kurzer Beschreibung, die archetypisch für diese Technologie stehen. Ich würde ja gerne für „Dr. Obsthofers Pharmazie“ arbeiten. Zwischen meine Begeisterung für die kleinen Pflänzchen des Buches mischt sich immer wieder etwas Entgeisterung wie das Buch gegliedert ist. Beispiel gefällig? Mitten zwischen den Technologien mit Unternehmen verstecken sich ein paar „Neue Materialien“. Warum haben die kein eigenes Kapitel? Warum wurden sie nicht genauer ausgearbeitet? Warum haben die keine genauen Anwendungsgebiete und „Werte“? Auch gibt es nach dem Kapitel „Technologie“ etwas zur Politik und dann gibt es Infos zu „Technologie für Spieler“ und „Technologie für Spielleiter“. Warum zum Henker steht die Politik nicht als zweites Kapitel, passt sie doch eigentlich nicht übel zur Rubrik „Geschichte und Kriege“. Das war aber auch schon das zweite und gleichzeitig letzte Gemecker. Am Ende des Technologie-Kapitels gibt es dann etliche Akademien und Universitäten. Genial und inspirierend – aber warum versteckt man so etwas im Technologie-Kapitel? Das ist ein völlig eigener Stiefel, der ein eigenes Kapitel verdient hat. Merkwürdigerweise folgen dann nach den Unis wieder ein paar Unternehmen – Jungs (und Mädels), die hätten zur Technologie etwas weiter nach vorne gehört.

Die Politik-Abteilung ist dann eher kurz gehalten und ergänzt größtenteils die Infos, die man schon im Grundregelwerk erhielt.

Weiter geht’s im Schweinsgallopp mit Technologie für Spieler. Aber jetzt gibt es doch meinen Cyber…

Pustekuchen.

Das Kapitel beginnt damit, dass es neue Beispielcharaktere vorstellt und neue Spezialmanöver auflistet. Zwar noch kein „Steamcyber“, aber immerhin ein paar handfeste Regeln. Analog zum Regelwerk gibt es danach ein paar neue Organisationen und hier gibt es endlich die ersten Technologie-Infos: Meine liebste Organisation ist der „Automatistenverband“. Auch der kleine Abschnitt „Ausrüstung“ bietet nicht das, was ich mir erhoffte, sondern „moderne“ Waffen und besondere Kampfregeln.

Aber dann doch sicher in Technologie für Spielleiter

Nada! Zilch!

Aber ich werde für mein unerfülltes Verlangen dadurch entschädigt, dass es tolle Kampagnentipps zum großen Gebiet: Kriege, gibt und dass wieder schicke Details wie Untergrundbahnen und verseuchte Gebiete näher beleuchtet werden.

Bevor wir zum abschließenden Abenteuer kommen widmet sich noch ein ausführliches Kapitel neuen Gegnern, die ich meinen Charakteren entgegen schleudern kann. In Bezug auf technische Gadgets ist dies der heimliche Höhepunkt des Bandes, Automaten, Autonome Minen (die wie schnuffige Spinnen aussehen) und Kataphrakte sind ungefähr das, was ich erwartet habe und ich kann mir gut vorstellen, dass sie eine Finsterland-Kampagne schön ins Chaos stürzen können.

Die Höllenfahrt der Engel HX schließlich zeigt im Rahmen eines Abenteuers wie man die in diesem Band vorgestellten Elemente in eine FInsterland-Kampagne einbetten kann. All in all ist das Abenteuer (aufgrund der Zug-basiertheit) doch recht linear, aber immerhin gibt es interessante NSC, ein Geheimnis, viel Interaktion und Ideen zu Anschlussabenteuern.

 

Fazit: 
Tja… Am Schluss  kommt dann doch noch ein durchdachtes (wenn auch nicht immer perfekt strukturiertes) Rollenspielprodukt raus, das sich super liest und das uns weitere Einblicke in ein absolut ungewöhnliches und interessantes Setting gibt – mit der kleinen Schwäche, dass der Hintergrund nur sehr wenig regeltechnisch untermauert ist.
Ein fettes Plus gibt es allerdings für das weitere Ausarbeiten des wirklich interessanten Settings und eine wirklich hervorragend dazu passende Sprache.
Gut, das Abenteuer trifft erneut nicht so ganz meinen Geschmack – zu schwammig, zu wenig Alternativen, aber immerhin ist die erzählte Geschichte interessant. An den Abenteuern (auch an denen, die in regelmäßigen Abständen gratis in der Facebook-Gruppe zur Verfügung gestellt werden) erkennt man dann beispielhaft, dass das Augenmerk des Systems doch eher auf dem Erzählen schöner Geschichten liegt, als am Simulieren einer Welt.

Schlagt zu, ihr unterstützt ein tolles Projekt, das das Zeug zu Größerem hat. Ihr bekommt die Finsterland-Sachen beim Sphärenmeister oder in der allergrößten Not beim großen Bruder Amazon.

4 Gedanken zu „Finsterland – Handbuch der Technologie“

  1. Ich hatte mir erhofft, mehr über das Zusammenwirken von Magie und Technologie zu erfahren, oder zumindest darüber, wie die Dampfcyborgs denn eigentlich funktionieren bzw. gemacht werden. Vorhanden?

  2. Nicht so recht – und so richtige Dampfcyborgs gibt es ja auch gar nicht. Es gibt allerdings ein paar Basics im allgemeinen Technologiekapitel. Ich schaue gleich mal nach.

  3. Vielen Dank! Es freut mich, dass es Dir gefallen hat, ich möchte aber eine Sache hinzufügen: Auf S. 97-98 sind zusätzliche zehn Machinae beschrieben. Die kann man dann gerne in seinen Charakter einbauen.
    Auch die neuen Materialien sind im Spielleiterkapitel auf S.114-115 geregelt.
    Danke für die vielen konstruktiven Tipps. Wir werden uns verbessern!

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