Offen würfeln oder hinter dem Spielleiterschirm?

Heute morgen ist mir aufgefallen, dass ich lange nicht mehr die Seifenkiste erstiegen habe, um den „Zuhörern“ mal wieder so richtig altmodische Gedanken um die Ohren zu hauen…
Da bietet sich ein völlig undankbares Problem wie „Sollten Würfelwürfe offen getätigt werden?“ absolut an, um mal wieder richtig Flak aus dem Auditorium zu bekommen.

Das Aufmacherbild stammt übrigens von der KH-Con, wo ich die Chaoshöhlen aus „Festung im Grenzland“ als Hommage an den kurz vorher verstorbenen Gary Gygax geleitet habe. Den extrem schicken Spielleiterschirm zeige ich weiter unten noch in seiner vollen Pracht!

Zurück zum Thema! Ganz allgemein bin ich ein Fan davon für die Spieler offen zu würfeln. Das kann natürlich nicht für alle Würfe gelten – ich möchte mir zum Beispiel nicht die Freude nehmen lassen, dass ein Halbling, der versucht sich im Schatten zu verstecken, von Anfang an weiß, ob es ihm gelungen ist, oder nicht.
Die Möglichkeit, ihn im Unklaren zu lassen, habe ich als Spielleiter natürlich nur, wenn ich den Wurf selber vornehme und der Spieler nicht das Ergebnis sieht. Gleiches gilt für Diebe, die sich anschleichen. Es ist herrlich, wenn sie davon ausgehen, dass es ihnen gelungen ist und sie später eines Besseren belehrt werden.

Die absolute Tödlichkeit von Classic D&D ist natürlich ein Hinderungsgrund, wenn ich als Spielleiter tatsächlich Geschichten erzählen will und die Gruppe an Stellen in der Handlung scheitert, oder gar Charaktere sterben, bloß, weil die Würfel es nicht zulassen. Frank Mentzer, mein „geistiger Mentor“ plädiert hier absolut dafür, im Sinne der Story Würfelwurf Würfelwurf sein zu lassen – also verdeckt zu würfeln und völlige Würfelunglücke einfach zu ignorieren oder zu manipulieren. Heutzutage wird das wohl als „Betrug am Spieler “ angesehen und ich teile diese Position nicht komplett, aber es ist schon eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn die Spielergruppe alles richtig macht, gute Lösungswege findet, oder sinnvolle Strategien anwendet, um dann durch eine gewürfelte „1“ um die Früchte ihrer Arbeit gebracht zu werden.

Logischerweise darf dies nicht dazu führen, dass die Spieler sich sicher ihrer Sache so sicher sind, dass sie leichtsinnig werden und denken, dass sie schon aus jeder Situation durch „Meisterbeschiss“ wieder herauskommen, es führt aber dazu, dass ich meine Würfe lieber verdeckt mache, um mir die Möglichkeit zu lassen, einmal „eingreifen“ zu können, wenn tatsächlich einmal meine erzählte Geschichte durch einen einzigen missratenen Wurf aus den Fugen geraten könnte.

Da ich weiß, dass meine Spieler hier ab und zu mitlesen kann ich ja verraten, dass so etwas etwa in jeder zweiten Spielsitzung vorkommt – definitiv nicht häufiger.

Ein schön platzierter offener Wurf um Leben und Tod kann auch für Spannung sorgen. Ich erinnere mich an eine Situation erst vor wenigen Wochen, als ein Charakter aus eigener Doofheit vor eines dieser riesigen Holzungetüme aus „Herr der Wüstensöhne“ geraten war und es auf ihn zufuhr, während er langsam zu Bewusstsein kam. Der Rettungswurf, um der Gefahr eventuell doch zu entgehen, wurde zelebriert und der Spieler hat es mit großer Fassung hingenommen, als er ihn vergeigte.
Wohlgemerkt kam diese Situation nur dadurch zustande, dass er sich vorher absolut ungeschickt verhalten hatte.

Play it like it's 74!! (Und zwar gratis!)

„Original Edition Characters“ von Goblinoid Games ermöglicht es die Labyrinth Lord-Regeln so zu „frisieren“, dass man D&D noch „basischer“ spielen kann, als es mit Lab Lord ohnehin möglich ist.

Wie schon häufiger erklärt, emuliert Labyrinth Lord die D&D-Fassung aus dem jahr 1981, welche schon einige Unklarheiten der ursprünglichen Version bereinigt und die Charaktere etwas mehr ausdefiniert.

Dan Proctor hat richtig erkannt, dass der Hauptunterschied der Versionen von 1974 und 1981 in den Charakteren selbst besteht, die Regelmechanismen sind kaum geändert. Daher hat er ein Spielerhandbuch namens Original Edition Characters geschrieben, welches mit Labyrinth Lord gemeinsam verwendet absolut autentisches Gygax-Feeling vermittelt.
Ich kann die vorhandenen Regeln verwenden und muss lediglich die alte durch die neue Charaktergeneration ersetzen.

Ein paar Beispiele gefällig WIE einfach die Charaktere (von den Attributen her, denn jeder kann ja einen Charakter spielen, wie er will) sind?
Die Attribute haben kaum noch Einfluss auf Würfelwürfe, ihre Hauptfunktion ist lediglich einen mehr oder weniger gewaltigen Erfahrungspunktebonus herauszuholen.

Stärke hat gar keinen Einfluss mehr, es sei denn bei Stärkeproben.
Geschicklichkeit wirkt sich auf den Trefferwurf für Fernkämpfe aus – und zwar minimal (+1 bei 13-18 sowie -1 bei 3-6).
Einziger Zweck der Konstitution ist hier interessant für den „Systemschock“ – eine Art Rettungswurf ob der Körper eine Transformation erlebt.

Dan Proctor hat als größte Änderung zur weißen Box an Labyrinth Lord angeglichen, dass die Charaktere bis Stufe 20 aufsteigen können – zumindest wenn die Menschen sind. Halblinge, Elfen und Zwerge sind brutal eingeschränkt.
Richtig cool ist die Funktion, dass Elfen Abenteuer je nach Wahl als „Fighting Man“ oder „Magic User“ bestreiten können. Zwischen Abenteuern können sie hier frei wechseln. Geil, oder?

Jeder „moderne“ Rollenspieler stellt sich hier 2 Fragen:

1. Wie kommt man auf ein dermaßen undifferenziertes Rollenspielsystem?
Kurze Antwort: Die D&D-Regeln sind aus Wargaming-Regeln entstanden, Gygax hat für die Tabletopspiele vorerst nur nach einer Handvoll anzuwendender Modifikatoren gesucht, die auch in Massengefechten noch im Auge behalten werden können. Die einzelnen Charaktere gewannen erst im Laufe der Entwicklung an Wichtigkeit.

2. Warum sollte mich so etwas im jahr 2008 interessieren?
Kurze Antwort: Spieler und Spielleiter sollten die weit gefassten Regeln nicht als Mangel, sondern als Chance empfinden. Je weniger mein Charakter durch die Regeln geformt wird, umso mehr kann (muss?) ich selber in ihn hineinstecken, um ihn unverwechselbar zu machen.

Wo gibt es das Zeug denn zu kaufen? Wo man Labyrinth Lord „für umme“ herunterladen kann wisst ihr ja schon, die Original Edition Charakters kann man gratis als Word-Dokument hier finden oder sich für 5,89€ bei Lulu drucken lassen.