Ist es ein deutsches Problem? Wohlmöglich gar in unserer Historie als Beamtenstaat begründet (sagte der Beamte)? Unser preußischer Hofrat könnte sicher mehr zu deutscher Obrigkeitshörigkeit sagen…
Ich schildere mal kurz die Situation, die mir in einem Thread bei den Blutschwertern aufgefallen ist. Seht mal nach – der Thread entwickelt sich zwar ineine andere Richtung, aber der Ursprung meines Gedankens liegt dort.
Spieler, die eine Hintergrundwelt gut kennen, verlangen, dass sie diese Hintergrundwelt genau so auch vorfinden. Wenn ein Verlag also eine Region auf der Landkarte mit Inhalt gefüllt hat, dann hat das auch in dem Spiel, bei dem ich gerade am Tisch sitze, gefälligst so zu sein.
Das bezieht sich sowohl auf Orte, wie auch auf historische Handlungsstränge.
Ich muss also mal wieder auf die Seifenbox klettern und meinem Unverständnis etwas Luft machen. Wenn ich schon das Setting und die Landkarte eines veröffentlichten Produktes für mein Spiel benutze, dann liegt es doch an mir als Spielleiter das Teil auf meine Bedürfnisse und die meiner Gruppe anzupassen. Passt mir also nicht, dass in der Wüste Anauroch in den Forgotten Realms die Überreste einer uralten, mächtigen Zivilisation schlummern, dann errichte ich dort halt meine eigene Zivilisation, die aus einem losen Zusammenschluss von Beduinenstämmen besteht.
Ist es jetzt ein Problem, wenn ein Spieler den Quellenband gelesen hat? Im Gegenteil! Er wird überrascht sein, dass alles anders ist, als er erwartet hat, was ihn immer im Ungewissen läst, was ihn jetzt schn wieder als Nächstes erwartet. Mal ganz abgesehen davon, dass er ohnehin versuchen sollte, Spielerwissen und Charakterwissen zu trennen – aber dazu habe ich ja schon des öfteren etwas gesagt – es ist wahnsinnig schwer!
Woher also könnte diese Thematik kommen, die ich so aus meinen eigenen Spielen überhaupt nicht kenne, und auf die ich auch in amerikanischen Rollenspielforen noch nie gestoßen bin?
Ich fürchte, dass ich als einen von zwei Faktoren ganz klar mal wieder den Sündenbock Nummer 1 hervorkramen muss. Das Schwarze Auge hat (spätestens in den End-Achzigern) damit begonnen, eine genaue Timeline vorzugeben und ordnet alle Produkte, die erscheinen diesem Kanon unter. Sie müssen genau nach Ort und Datum sortiert in die große Welt Aventurien einzubauen sein. Das führt bei Spielern und Spielleitern dazu, dass sie diese Produkte kaufen und sie als eine Art Bibel betrachten, die genau zu dieser zeit und genau an diesem ort stattzufinden hat, um „das große Ganze“ nicht durcheinanderzubringen.
Wir Deutschen haben uns hier irgendwie selbst zur Unmündigkeit erzogen.
Was sich hier negativ anhört, kann natürlich auch als großer Pluspunkt gesehen werden. Alle Parteien bekommen das große „Rundum-Sorglos-Paket“. Man erhält eine kompette, gut durchstrukturierte Hintergrundwelt, auf die man sich immer verlassen kann. Selbst schlechtes Material erhält noch eine gewisse Bedeutung, da es irgendeine Nische im großen Gang der Welt ausfüllt.
Mein Bösewicht Nummer 2 sind die Computerspiele, die in der Hintergrundwelt eines Rollenspieles spielen. Um nicht vorgeworfen zu bekommen, dass ich immer auf DSA herumhacke, nehme ich mal die Forgotten Realms als Beispiel. Jemand, der tage- und nächtelang mit seiner Gruppe durch Baldur’s Gate gezogen ist, kennt dort jede Häuserecke und jeden Kneipenwirt mit Vornamen. Die gesamte Schwertküste könnte er mit verbundenen Augen bereisen. Natürlich ist es da schwer für ihn, damit umzugehen,, wenn es Unterschiede zur Tisch-und-Pizza-Version seines Spielleiters gibt. Das ist nichts gegen die Spiele an sich! Ich habe selber Ende der 80er Pool of Radiance bis zum Erbrechen gespielt und kann mir vorstellen, wie schwierig es für mich wäre, in einer Kampagne zu spielen, die in der gegend zwischen Phlan und der Zhentil-Feste spielt, da ich das Spiel unfreiwillig mit meinem eigenen inneren Bild der gegend abgleichen würde.
In beiden Fällen entstehen Erwartungen, die wahrscheinlich nicht zu meiner Zufriedenheit erfüllt werden. Wichtig ist hier zu sehen, dass dies nicht am Spiel des Spielleiters liegt, sondern daran, dass ich als Spieler versuchen sollte, diesen Erwartungen nicht zu viel Raum zu geben.