"… wo gute Sachen gut sind und schlechte weniger gut …"

Gerade habe ich beim Wandern mit einem unserer brutalen Kampfhunde auf dem iPod mal wieder ein paar Folgen des Jennisodes-Podcasts gehört – zusammen mit einem Programmpunkt auf der gerade laufenden RatCon muss ich mich nochmal spontan auf die Seifenksite schwingen.
Lasst mich erklären: Auf der RatCon leitet André Wiesler morgen nachmittag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Lust des Rollenspielers am Kritisieren„. Jeder, der seinen Kopf in der deutschen Rollenspiellandschaft aus der Menge gestreckt und irgendetwas produziert hat, hat auch schon einmal ordentlich auf die Mütze bekommen. Gerade im Bereich DSA kriegt ein Autor oder der Verlag eigentlich immer von irgendeiner Seite auf die Fresse.
Auf der anderen Seite ist das Motto des Jennisodes-Podcasts „… where good things are good and bad things are less good.
Irgendwo in diesem Spektrum wird sich jeder von uns finden, wobei mir persönlich die „amerikanische Version“ lieber ist, der ganzen Szene und ihren Produkten einfach mal positiv gegenüber zu stehen. Wie oft habe ich schon irgendwelche Dinge begonnen und bin (beispielsweise in Foren) auf so idiotische Reaktionen gestoßen, dass ich kurz davor war die ganze Sache bleiben zu lassen – schließlich ist es eine Art „privates Einsetzen“ für eine Sache, die ich toll finde. Reich wird damit in Deutschland ohnehin niemand. Natürlich soll man Dinge kritisieren, die einen stören, aber warum muss man versuchen auch allen anderen die Freude an etwas zu nehmen. Nur um aus meiner Sichtweise heraus Recht zu behalten muss ich nicht in Foren seitenweise über Produkte herziehen – vielleicht gefällt sie anderen Leuten ja trotz ihrer Mängel oder sie sehen etwas gar nicht als Mangel an, was für mich ein riesiger Fehler ist, der das Teil völlig unspielbar macht…

NACHTRAG:  Mir geht es in keinster Weise darum Kritik als etwas Negatives ansehen zu wollen, aber es ist wichtig, von welcher Position aus sie kommt und wie sie geäußert wird, denn bei Jenna merkt man auch, wenn sie etwas mies findet, es ist dann halt nur „less good“ und nicht „bad“.

20 Gedanken zu „"… wo gute Sachen gut sind und schlechte weniger gut …"“

  1. Ich sehe das eigentlich ähnlich, und bin über die Art und Weise mancher "Netzpersonen" wenn es um Kritik geht entsetzt.

  2. Bei Facebook hat Thomas drauf hingewiesen, dass es definitiv Sachen gibt, die man mehr oder weniger objektiv kritisieren kann und muss – wie z.B. Lektorat oder Diskrepanzen zwischen Ankündigung und Endprodukt. Da hat er Recht.

    Nichtsdestotrotz ändert es nichts an der Grundhaltung, mit der man an ein Prosukt herangeht.

  3. Das versuche ich bei meinen Rezis eigentlich schon auch so zu halten – wenn ich in einer Rezi wirklich anfange wie ein arsch zu klingen, dann hat mich das Produkt wirklich geärgert.

  4. "Die Lust des Rollenspielers am Kritisieren"

    Das ist doch mal eine Titelgebung aus dem die gesamte "Beleidigte Leberwurst"-Mentalität spricht, wie man sie kennt.

    Ich befürchte der Blick geht hier nur über die Oberfläche und bleibt dann bei einem "ihr seid doch alle nur doof und neidisch!" hängen. Das Phänomen, das hier so viele Egos kränkt und die Arbeit und die Mühe von Schreibern nicht zu würdigen weiß, hat weniger mit Rollenspielern zu tun als mit der Netzkultur als solches. Das Internet und speziell Blogs und Foren laden nunmal dazu ein die eigene Meinungsbekundung nicht mehr als Mittel zum sozialen Kontakt zu nutzen, sondern als Waffe zur Identitätsformung. Frei nach dem Motto: man erkennt mich daran, was ich alles nicht gut finde.

    In der deutschen Rollenspielszene online herrscht ein eher durchwachsener Ton (zumindest soweit ich das noch einschätzen kann). Das ist durchaus diskussions- und auch kritikwürdig. Aber dieses "der deutsche Rollenspieler an sich"-Ansatz, weil man hier und da mal auf einige besonders unflätige und schroffe Leute gestoßen ist, scheint mir keine Hilfe zu sein.

  5. Ich glaube, Moritz geht es mehr um die Art der Kritik, die Qualität, nicht darum das man nicht kritisieren soll

  6. Ich habe das Gefühl nicht nur bei der deutschen Online-Rollenspielszene, sondern bei der gesamten (deutschen?) Netzgemeinde.

    Schau dir nur die Shitstorms bei der Piratenpartei an.

    Grundlegend finde ich, dass ein neues Rollenspiel erstmal was tolles ist (auch wenn tief drin immer ein kleines „verdammt, noch mehr Konkurrenz“ mitschwingt, dem ich immer mal wieder sagen muss, dass es die Klappe halten soll).

    Und meine Erfahrungen mit unserem aktuellen Quellenbuch (Technophob) zeigen mir deutlich, dass es etwas ganz anderes ist, einen spannenden Hintergrund für die eigene Runde zu basteln oder aber ein Buch zu schreiben, in dem jeder Teil interessant sein muss – auch die Teile, die ich selbst sonst gerne einfach im Spiel improvisiere (oder übergehe).

    Daher finde ich, dass jedes Rollenspielregelwerk eine große Leistung ist, auch welche, die mich nicht sofort faszinieren und in eine fremde Welt ziehen.

    Wobei Hell on Earth echt Wahnsinn ist – ich wünschte, ich könnte schon so schreiben!

  7. @Georgios: Absolut richtig – daher schreibe ich auch, dass es da eine gewaltige Bandbreite gibt, wo man irgendwo seine persönliche Perspektive einordnen kann. Mir geht es einfach um die Grundhaltung, mit der man an sein Hobby herangeht.

  8. eine "Grundhaltung" sollte man schon haben.
    Und da gibt es mehr Dinge zwischen Shitstorm und Verharmlosung.
    Ich finde z.B: nicht jedes RPG TOLL, einfach nur, weil es DA ist. Aber ich mache es auch nicht ohne Argumente nieder.

    Leider denken die Leute immer in diesen zwei Extremen.

  9. Ich bin mir nicht so sicher, dass diese Grundhaltung wirklich so viel Auswirkung darauf hat wie man sich online zu Rollenspielen äußert.

    Sprachliche Fertigkeiten, soziale Kompetenz und schlicht Persönlichkeitstypen sind meiner Meinung nach viel maßgeblicher daran beteiligt wie sich Leute im Internet zum Thema Rollenspiel äußern bzw. wie sich Dialoge online entwickeln und zum Teil auch eskalieren.

    Es würde mich ehrlich gesagt nicht wundern, dass viele Leute, die sich online nicht unterhalten können durchaus vergleichbare "Grundhaltungen" zu ihrem gemeinsamen Hobby besitzen.

  10. Der Unterschied, ob man sagt/schreibt: "X gefällt mir nicht, das ist es weniger gut" oder "X gefällt mir nicht, das ist es 'schlecht'" ist doch nur die nur Ausdrucksweise. Georgios "beleigter-Leberwurst"-Ansatz passt da sehr gut. Verstärkt wird dieser Eindruck dann noch, wenn ehemals Gescholtene heute sinngemäß ansprechen, "sie dürften dazu was sagen, *weil* man schließlich wisse, wie man das macht". Sorry, aber um etwas 'schlecht' zu finden, muss ich kein Insider sein… und das sieht glücklicherweise auch nicht jeder Insider so.

    Andererseits muss ich, wenn mir etwas nicht gefällt, auch nicht in jedem Foren-Thread – und sei es auch noch so off-topic – erst einmal verkünden, wie schlecht dieses oder jenes doch sei. Genauso sollten sich dann aber auch Fans nicht über (oder in) Threads aufregen, wo gelästert wird. Diese zwei Arten von fanatischen 'Bekehrern' sind das eigentliche Problem dieses Hobbies und nicht die Meinungsäußerung der Hobbyisten an sich.

  11. Zwei Sachen – schön, dass die Sache hier diskutiert wird. Finde ich sehr interessant und spannend.

    Zweitens: Hoffentlich wird die Aktion auf der RatCon wieder mitgefilmt und online gestellt.

  12. Man darf und sollte bei einer Rezension, die für andere gemacht wird oder bei einer Meinungsäußerung, die sich in die Weiten des Netzes richtet, durchaus im Kopf haben, dass einfach nur eigene Vorlieben oder Befindlichkeiten (z.B. "Elfen finde ich SCheiße!") nicht ein Spile für jeden gleich schlecht machen.
    Aber "gut" und "weniger schlecht" klingt mir sehr nach Weichspülkriterium: Wieso nicht gleich "großartig" und "gut"? Oder "Superphantastische" und "großartig"? "Gut" und "großartig" sind dann das neue "Scheiße".
    Klar sind für die meisten das Entwerfen eines Spiels eher ein Hobby und wenn dann so ein Möchtegernhatnixgemacht ankommt und schludert da einen Selbstoffenbarungs-Befindlichkeitsverriss hin, dann wäre bei mir auch Polen offen.
    Aber ein (fiktives) Cyberpunk-Spiel, das zwar Elfen, aber keinen Punk hat, bei dem nichts cybert, dafür aber das Kampfsystem nicht funktioniert und bei dem der als "realistisch" gepriesene Hintergrund torgroße Logiklücken hat und wo die deutcshe Sprache sowohl grammatikalisch als auch orthographisch massakriert wird: So etwas ist nicht "weniger gut". Das hat Geld beim Kauf gekostet. Mein Geld. Wird von künftigen Käufern bezahlt werden.
    Da ist ein klares "Finger weg" PFLICHT des Rezensenten.

  13. "Großartig ist das neue Scheisse".
    made my day 🙂

    Es scheinen doch einige so zu sehen, dass es nicht immer Sinn ergibt, eine Kritik zu "verschleiern". Oft fragt man sich als Kritisierter ja auch selbst: Was will der jetzt eigentlich von mir? Anschleimen, verarschen oder meint der das ernst?

    stimme Georgios zu. Einfach nur gut kritisieren "wollen" als Grundhaltung genügt nicht, man muss natürlich auch was mitbringen.

    Viele deutsche Rezis sind genau aus diesem Grunde für mich häufig unbrauchbar. Sie sparen mit echter Kritik, der Informationsgehalt geht gegen Null und meist bekommt man nur eine inhaltliche Zusammenfassung mit Fazit: Großartig.
    Aber da spielen natürlich noch andere erschwerende Faktoren rein: oft schreiben Fans die Rezis ihrer Lieblings RPGs und dann auch noch nicht selten mit einem Gratis-Rezi-Exemplar.

    ich hoffe schwer, das die Diskussion wieder aufgezeichnet wird.

  14. Das gratisexemplar sollte keine Rolle spielen – der Verlag will ja auch eine ehrliche Meinung (Naja, und Werbung, aber seien wir mal idealistisch für einen Moment). Ich rezensiere ja auch viel auf A!, und da muss man unterscheiden: eine Team-Rezi macht bei uns jemand der etwas rezensiert weil er es gut findet. Ich zum Beispiel mit meinen Asimiov-Rezis. Ich verplempere meine Zeit lieber damit leuten sachen zu zeigen die ich mag. Dann gibt es aber noch die – das sind dann reziexemplare die wir von den Verlagen bekommen, und die wir rezensieren "müssen". Da sollte zwar auch die ehrliche Meinung rauskommen, und bei mir tut sie das auch, aber ich kann hier nur für mich selbst reden.

  15. Ich finde den Ansatz, nur Dinge zu rezensieren, die gut oder besser sind, durchaus richtig: Man trennt vorher die Spree vom Weizen und erzählt den Leuten dann nur von den Gewinnern. Aber auch dabei darf und muss man auf, vielleicht auch "natürliche Einschränkungen" hinweisen, wenn z.B. das Setting einen ungewöhnlichen Ansatz hat – so in die Richtung: "Wenn man Star Wars UND Cthulhu mag – SUPER! Puristen der Genres: Bitte meiden!" Da hat man dann dem konsequenten Ansatz des Spieles "Jedis und Yogsothoth" genüge getan und (ent)täuscht niemanden, für den dieses Spiel eh nichts wäre.

  16. denn bei Jenna merkt man auch, wenn sie etwas mies findet, es ist dann halt nur "less good" und nicht "bad".

    Aber wenn etwas "bad" ist, warum sollte man es als "less good" bezeichnen? Warum sollte ein Rezensent seine Leser belügen?

    Mein Problem mit "Kritiken" an der deutschen Rollo-Szene ist sowieso eher, daß man glaubt, ein Produkt besprechen zu können, wenn man es einmal quergelesen hat. Ich mach das zwar auch, betone dann aber immer, daß es ein ERSTER EINDRUCK ist. Mein "erster Eindruck" von SaWo beispielsweise war nicht sehr positiv, und meine ersten Erfahrungen auch nicht. Heute ist es unser zweites Gruppensystem.

  17. Ist doch auch eine generelle Frage, welche Art von Rezensionen man bevorzugt. Übertrage ich mal meine Präferenzen von Videospielrezensionen (Rezensioinen von Pen&Paper-RPGs lese ich kaum bis gar nicht), dann möchte ich in erster Linie wissen was für eine Art Spiel das ist und ob das Spiel auch das umsetzt, was es dabei verspricht. Wie der/die Tester/in das Spiel letztlich für sich bewertet ist mir dagegen recht egal. In diesem Sinne ist es hilfreich zu wissen, was für ein Spiel das jeweilige System sein will und ob es durch die verwendeten Mechanismen das auch schafft. Darauf aufbauend dann eine Empfehlung, welcher Art von Spielerin und Spielern das interessant finden könnte. Ein System muss ja nicht "schlecht" sein oder "weniger gut", sondern einfach nur für das eigene Spiel weniger geeignet. Finde ich insgesamt eine bessere Herangehenseweise, als das System allein zu bewerten. So bewertet man das System in Abhängigkeit eines bestimmten Spielstils. Für Simulation-Fans ist SW weniger geeignet, aber das Spiel ist daher halt nicht "schlecht" oder "weniger gut".

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