[Rezension] Everyone is John (Pro Indie)

Puh! Endlich mal kein Raum für #dungeon23. Aber in zwei Tagen wird die Bestellung dieses grandiosen kleinen Erzählspiels freigeschaltet und auf der SPIEL in Essen könnt ihr es sogar direkt mitnehmen – der perfekte Zeitpunkt, um sich EVERYONE IS JOHN genauer anzusehen, das der Verlag Pro Indie uns in deutscher Sprache kredenzt.

Disclaimer: Ich habe ein kostenloses Rezensionsexemplar von Pro-Indie erhalten.

  • Produkt: Everyone is John
  • Autor: Michael Sullivan
  • Illustrator: Marco Primo (und das KI-Tool Midjourney
  • Verlag: Pro Indie (im Original von Gamer Nations Studios)
  • Aufmachung: Softcover, s/w, 64 Seiten
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Preis: 14,95 Euro

Gestaltung

Ein wirklich klar gelayoutetes Heft, wo gut zu erkennen ist, dass da ein Fachmann die englische Fassung aufgehübscht hat. Alles ist übersichtlich, solide voneinander getrennt und gut lesbar.

Eine Spielgruppe – (Co) Pro Indie

Recht angenehm ist das Entgendern gelöst. Die meisten Begriffe wie „Spielleitung“ und Stimme“ sind ja ohnehin neutral, ansonsten wurde auf Gerundien zurückgegriffen: „die Spielenden“. Das ist angenehm unauffällig geraten und liest sich wirklich gut. Fieser Deutschlehrer, der ich bin, habe ich natürlich einige kleine Vertipper gefunden, aber ich habe es gelernt darüber hinwegzulesen und es nimmt wirklich nicht Überhand, also alles okay an dieser Stelle. Wir haben es insgesamt mit einem gut zu lesenden Text zu tun. Daumen rauf!

Schwer tue ich mich allerdings mit den Illustrationen. Die sind auch passend gewählt (ich habe euch mal zwei Beispiele geknipst und hochgeladen), aber sie sind mit dem KI-Tool Midjourney erstellt worden. Damit habe ich persönlich ein Problem, kann aber natürlich verstehen weshalb kleine Verlage diesen Schritt gehen, um die Kosten zu minimieren. Schwierig, schwierig. Auch sympathisch, dass der Verlag offen damit umgeht und einen Text auf seiner Homepage dazu veröffentlicht hat. Das ist schonmal gut. Aber… schwierig.

Schwierig.

Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass wir es mit einem gut verständlichen und gut aufgemachten Regelwerk zu tun haben, bei dem die Gliederung gut dabei hilft, die Regeln und den Spielablauf zu verstehen.

Inhalt

Das Buch besteht aus 5 Teilen und ein paar kleinen, aber sinnvollen Anhängen.

Der erste Teil erklärt uns die ungewöhnliche Ausgangssituation. Die Spieler*innen spielen keine Abenteurer*innengruppe, die gemeinsam gegen das Böse streitet. Alle am Tisch spielen eine (oder gar 2 oder 3 Stimmen) in Johns Kopf; voneinander unabhängige Persönlichkeiten, die nacheinander John übernehmen und ihre eigenen (oft völlig konträren) Ziele – genannt „Zwänge“ – verfolgen. Für das Erreichen dieser Ziele erhalten sie Punkte und die Person mit den meisten Punkten gewinnt.

GEWINNT?!?

Yepp. Hier kannst du mal bei einem Rollenspiel gewinnen.

Die Stimmen sind schnell erschaffen. Du hast 10 Punkte Willenskraft (die Währung in diesem Spiel) und kannst dir zwei Fertigkeiten ausdenken, die deine Stimme beherrscht. Wahlweise kannst du auch mit 7 Willenskraft und 3 Fertigkeiten starten. Dazu kommen noch drei Zwänge, die ich mir ausdenken muss und zwar auf unterschiedlichen Niveaus: einen Zwang, dem recht einfach nachzukommen ist; einen, der John in Gefahr bringen wird und einen letzten, der ihn in Lebensgefahr bringen wird.

Der Konfliktresolutionsmechanismus ist einfach. Du würfelst 1W6 und eine 6 ist ein Erfolg; bei Proben, wo eine meiner Fertigkeiten eine Rolle spielt, ist alles ab einer 3 ein Erfolg.

Aber wie läuft das Spiel nun ab, bitte sehr?

Die Spielleitung erzählt die Ausgangssituation (und hat sich noch grob drei weitere Szenen ausgedacht, wie es weitergehen könnte), in der John in einer unbekannten Situation aufwacht und schon geht es mit dem zweiten Mechanismus los: Die Spieler*innen bieten so viel Willenskraft, wie sie aufbringen möchten, um die Stimme von John zu sein und den Fortlauf der Geschichte zu prägen. Die Stimme, die gewonnen hat, gibt ihre Willenskraft ab, die anderen erhalten ihren Einsatz zurück.

Die Szene geht so lange weiter bis einer der folgenden Punkte eintritt:

  • John kommt zu Bewusstsein (beispielsweise zu Beginn)
  • John wird verletzt
  • Ein Zwang wird erfüllt
  • Eine Probe geht daneben
  • John dämmert weg

Gerade „John dämmert weg“ ist DAS Tool der Spielleitung, mit der sie das Spiel im Fluss halten kann. Geht es irgendwie nicht weiter, so kann sie 1W6 würfeln, Bei 4 oder höher dämmert John weg und es muss neu um die Kontrolle gerungen werden.

Das ist im Prinzip schon alles an Regeln und Ablauf was ihr wissen müsst. Der Job der Spielleitung besteht darin, John in immer abgefahrenere Situationen hineinzuschubsen und zu sehen wie die Spieler*innen die Lage zunehmend prekärer werden lassen, obwohl sie das Gegenteil vorhaben. Ein Heidenspaß. Außerdem muss die SL die Zwänge der Stimmen im Blick haben und notieren, welche davon erfüllt wurden.

Das Spiel endet, wenn den Spieler*innen keine Willenskraft mehr zur Verfügung steht, um weiter die Kontrolle zu übernehmen. John wird dann ohnmächtig und das Spiel endet sofort, egal, was gerade passierte. Nun werden die Punkte gezählt und huzzaaaaaa!

Wir haben ein*e Sieger*in!

Tipp: Der wunderbare Steffen Grziwa hat für die Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal einen Charitystream geleitet, den ihr jetzt noch in Podcast-Form hören könnt (vielleicht kommen euch ja einige Stimmen bekannt vor).

John – (Co) Pro Indie

Neben dem kurzen und gut erklärten Regelkern gibt es weitere interessante Hilfestellungen, um John zu spielen. Wir finden hier in der zweiten Hälfte des Buches Hinweise, wie John in den unterschiedlichsten Genres gespielt werden kann: Fantasy, Science Fiction, Horror und Superheld*innen.

Dazu gibt es kurze, auf zwei Seiten ausgearbeitete Szenarioideen:

  • Ein echter amerikanischer Held
  • Ich hab doch nur das Mädchen geküsst!
  • Die Tschechen-Connection
  • Stirb langsamer
  • 00-John
  • Der letzte Schnitt
  • Auf zu Galaxien, die noch nie ein Mensch betreten hat
  • Das Grauen aus dem Jenseits
  • Nicht du, nicht ich
  • John.0
  • John – unterbrochen

Anschließend gibt es „Charakterbögen“ für die Stimmen und den Spielleitungs-Bogen, wo alle relevanten Werte mitgehalten werden können.

Fazit

Ein Juwel! Ein großartiges kleines Erzählspiel. Toll, dass es jetzt auf Deutsch erhältlich ist. Gerade für Cons oder kleinere Spieletreffen ist John (oder Jane) perfekt. Ich durfte es mal auf der SPIEL in Essen mit Michael Jaegers und weiteren tollen Menschen spielen und hatte einen Heidenspaß. Diese neuere Fassung bietet gegenüber dem ursprünglichen Spiel noch jede Menge Mehrwert wie etliche neue Genres und kurz ausgearbeitete Szenarioideen. Sauber!

Ich kann nicht anders als zu schwärmen und euch dazu auffordern ab Donnerstag in Essen beim Stand von Pro Indie (1D143) aufzuschlagen und euch John unter die Nägel zu reißen.

Bewertung

4,5 von 5 Stimmen

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