[Rezension] Vienna (Brettspiel)

Nach Orléans und Legends habe ich ein weiteres kampfloses und eher kontemplatives Brettspiel auf dem Rezensionstisch liegen. Ersteres hat mich ja total weggeblasen, das zweite war wirklich ausgesprochen gut – mal schauen, was die Wieder so außer Schmäh auf dem Kasten haben…
(… und mal ganz nebenbei muss ich mal bemerken wie beeindruckt ich von dem fetten Rezensionspaket bin, das mir Schmidt Spiele schnell und unbürokratisch zugesandt haben – krass, Alder!)
Das Cover – (Co) Schmidt Spiele)
Name: Vienna
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Johannes Schmidauer-König
EAN: 4001504493059
Preis: ca. 27 Euro
Alter: 10+
Spieler: 3-5
Dauer: 30 min
Genre: Worker (Würfel) Placement
BGG-Ranking:
Aufmachung
Hier gibt es nicht viel zu meckern – so stylischen Kram kann er halt, der Mentzel. Die Karten sind nicht sonderlich spektakulär, aber das Spielbrett weiß absolut gefallen. Dazu kommt eine gut aufgemachte viersprachige Anleitung, die einem alle benötigten Regeln auf nur 5 Seiten vermittelt. Mal wieder ein Spiel, dass man mit kurzen Lesepausen als erfahrener Spieler direkt aus der Box spielen kann. An den Würfeln gibt es auch nix zu mäkeln, aber ich hätte doch sehr gerne als Pöppel irgendetwas Thematischeres gehabt als kleine runde Holzklötzchen – das ist aber hinsichtlich der Aufmachung mein einziger kleiner Kritikpunkt.

Gesagt, getan – legen wir los! Es geht also darum, durch Wien zu reisen und sich irgendwie in die High Society zu mogeln. Das dürfte doch für einen erfahrenen Blender wie mich kein Problem darstellen…

Das Spiel
Mechanisch gesehen ist das Spiel überaus simpel. Man würfelt mit (im Normalfall) 5 Würfeln seiner Farbe und setzt diese entweder einzeln oder zu zweit auf ein Feld dess Wien-Spielplans. Alle Spieler legen nach festgelegter Reihenfolge all ihre Würfel und anschließend werden die Effekte der jeweiligen Felder ausgelöst.
Die einfachsten Varianten sind der Gewinn von Geld oder Siegpunkten (die direkt auf einer der berühmten Schmidauer-König-Leisten am Rand des Spielbretts vorangeschritten werden können) – es gibt aber auch Felder auf denen NOCH aufregendere Dinge geschehen. So gibt es vier Sonderkarten mit rotem Hintergrund, die unterschiedlich mächtige Auswirkungen haben. So gibt es beispielsweise eine Startspielerkarte – die wie alle Sonderkarten so lange beim gleichen Spieler verbleibt, bis jemand anders dieses Feld belegt. Auch ein zusätzlicher weißer Würfel ist keine üble Sache, aber der absolute Kracher ist eine karte, mit der man komplett ungestört einen kompletten zusätzlichen Zug durchspielen darf. Hammer – und in meinen Augen einen Tacken zu mächtig! Allerdings gerade durch das Begehren, den eben dieses Feld auslöst, ergeben sich wieder etliche neue strategische Überlegungen. Das ist sowieso eine Stärke des Spiels – es gibt etliche Tricks und Winkelzüge, wie man an sein Ziel gelangen kann und auch nach einem guten Dutzend Partien habe ich immer noch keine rechte Siegerstrategie entwickelt.

An Grundmechanismen gilt übrigens noch, dass man seine Würfel innerhalb einer Runde immer nur auf weiter vom Start liegende Felder setzen darf – Logo, der Kutscher hat keinen Bock übermäßig viel zu wenden. Will man, dass er das tut, so muss man ihn mit einem Schilling bestechen.Für den gleichen Preis darf man einen Würfel neu würfeln oder das Augenergebnis auf eine benachbahrte Zahl drehen.

Kommen wir aber zurück zu den spezialgelagerten Sonderfällen: Neben dem direkten Erwerb von Siegpunkten kann man diese auch bekommen, indem man seine Würfel auf Felder legt, an denen man Personenkarten nehmen kann. Diese Personen stellen zusammen mit dem eigenen Spielercharakter den Einfluss dar, den man in den Bereichen „Krone“, „Kreuz“ und „Zylinder“ (bei Hof, in der Kirche, bei der Bürgerschaft?!?) hat. Anschließend setzt man zwei Würfel (denn die sind nötig um die entsprechenden Felder zu besetzen) auf Felder, an denen man seine Gesamtwerte einer Einfluss-Ressource mit den beiden Nachbarn vergleicht – im Siegesfall oder bei einem Unentschieden hagelt es dann Siegpunkte und/oder Geld.

Neben diesen üblichen Methoden, gibt es auch noch ein paar Orte, an denen man eher ungewöhnliche Aktionen ausführen darf – so erhält men auf dem Feld „Krieau“Geld oder Siegpunkt, aber noch wichtiger ist die Tatsache, dass man den Gendarmen auf ein Feld setzen darf, was nun in dieser Runde niemand mehr betreten darf. Beim Heurigen bekommt man für ein beliebiges Paar 1 Siegpunkt für jede rote Sonderkarte, die man zu diesem Zeitpunkt besitzt, auf dem Feld „Geheimbund“ erhält man 1 Münze für jeden dort abgelegten Würfel… Ihr seht schon, es gibt etliche Wege, um seinen Einfluss und sein Vermögen anwachsen zu lassen.

Erreicht ein Spieler 25 Punkte, endet das Spiel und eine letzte Wertung wird vorgenommen. Anschließend erhält jeder noch für je 3 Münzen einen Siegpunkt und der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt. So schwer war der Aufstieg in die Haute-Volée doch gar nicht…

Fazit
Ein sehr schönes thematisches Spiel, dem es gelingt wirklich mit Flair und Lokalkolorit zu punkten. Leute auf seien Seite zu ziehen oder beim Heurigen die Reichen und Schönen anzuquatschen, um seinen sozialen Status zu steigern sind total logische Sachen, die sich aus dem Setting heraus ergeben. So etwas gefällt mir ja immer gut. Das Teil sieht gut aus, spielt sich flüssig, ohne zu wenig Komplexität aufzuweisen und ist schnell aufgebaut und gespielt – das wird sicher noch öfter auf den Tisch kommen, zumal es thematisch sowohl Fantasy- als auch Science Fiction-Muffel nicht abschrecken dürfte und mit seinem dezenten Wiener Schmäh auch Frauen ansprechen könnte – eine Spezies, die sich sonst seltener an meinen Spieltisch verirrt.
Bewertung
4 Fiakerfahrten über den Prater