Mittelalter-Rollenspiel

… nur mal so gesetzt den Fall es gäbe einen Verlag, der ein historisch (relativ) korrektes und dennoch regelarmes Rollenspiel für das Spielen im Mittelalter aus der Tasche zöge und veröffentlichte. Mehr auf historischer denn auf fantastischer Basis…

Also ich persönlich würde zuschlagen und hätte auch Lust auf eine breit angelegte Kampagne zur Zeit der Kreuzzüge – sicherlich mit kleinen Add-Ons auch als Römerkampagne oder bei den alten Ägyptern zu spielen.

… fändet ihr das interessant? Gäbe es für so etwas in Deutschland einen Markt?

18 Gedanken zu „Mittelalter-Rollenspiel“

  1. Als rein historisches Rollenspiel, ohne den gesonderten Fokus eines militärischen Historienrollenspiels, wäre dies für mich ausgesprochen uninteressant.

    Es ist ja gerade das Übernatürliche, die EXISTENZ all dessen, was Glaube, Aberglaube und alte Religionen, sowie neue, mystifizierte "Wissenschaft" so als MÖGLICH aufgebracht hatte, was den Reiz des Spielens im Mittelalter ausmacht.

    Ein "alltägliches" Mittelalter ist ebenso wenig reizvoll, wie eine sonstige alltägliche andere Epoche.

    Für eine Rollenspieleignung MUSS ein abenteuerliches Element vorhanden sein.

    Wer mal Erec, eine Abenteuerdichtung des Mittelalters, gelesen hat, der versteht, was den Unterschied von ABENTEUERN in Mittelalter-Welten, und langweiliger Geschichtsstunde ausmacht. – Ich habe selten so viel Pomp, Prunk, und soviel "special effects" gelesen, wie in dieser Dichtung. Und SOLCH ein Mittelalter mit überlebensgroßen Heldenfiguren würde ich sofort spielen wollen.

    Was auch reizvoll wäre: Militärisches Rollenspiel. Wirklich Kriegszüge mit SCs in entscheidenden Rollen, so daß das Herz des Taktikers sich erwärmen kann.

    Streicht man das Übernatürliche oder auch nur das ÜBERZOGENE aus einem Setting, sinkt der Reiz dieses zu spielen dramatisch.

  2. Meine Antwort lautet: Definitiv jein! Ich habe die Systeme, die ich mag, in denen ich mich zuhause fühle und mit denen ich auch "arbeiten" kann und bin schlicht zu faul, mich in ein weiteres, wenn auch regelarmes System einzulesen. Spannend wäre es hingegen, wahlweise ein systemneutrales Buch zum Thema herausgebracht zu sehen, das mit dem Selbstverständnis daherkommt, ein Rollenspielquellenbuch zu sein, oder aber ein Band, in dem – zusätzlich zu den Hintergrundinformationen – Werte zu diversen OGL-Systemen integriert sind. Am allerwichtigsten wäre allerdings: Dieses Projekt sollte von examinierten Mediävisten (idealerweise sowohl historisch wie literaturwissenschaftlich geprägten) in Angriff genommen werden, die samt und sonders vor dem ersten getippten Wort einen Schwur zu leisten haben, dass ihr letzter Besuch eines Mittelaltermarktes wenigstens fünf Jahre zurückliegt. "Hört, hört, Volk, es geht Kunde", Taler und In Extremo sollte die genaue Antithese zu der fraglichen Veröffentlichung sein.

    So viel dazu.

  3. Nein. Das Problem ist doch, dass derjenige, der historische Korrektheit würdigen kann, sehr hohe Erwartungen hat, die kaum erfüllbar sind: Du müsstest das Spiel bereits bei geringer Detailtiefe regional und chronologisch (z.B. Süddeutschland, frühe Salier) beschränken, dass viele Mittelalterkampagnen unmöglich werden.

    Wem so was egal ist, oder wer das nicht erkennen kann, der braucht auch kein "historisch korrektes" Rollenspiel sondern will dann doch nur Fantelalter. Dann reicht aber bspw. der "Realismus" von z.B. Ars Magica.

    Wer die Detailtiefe zu würdigen weiss, der kann das Nötige leicht selbst recherchieren, auf den eigenen Bedarf abgestimmt, braucht also das Spiel nicht.

    Magie gäbe es ja nicht, in diesem Spiel, so dass der Spielleiter nur noch entscheiden muss, ob er Runequest, Harnmaster, GURPS, C&S oder vielleicht einfach Labyrinth Lord ohne Magie spielen möchte.

    Meiner Meinung nach. 🙂

  4. Zornhau, da könnte es innerhalb des Buches ohne weiteres Erläuterungen zu verschiedenen Mittelalterkonzeptionen geben, von realistisch über einen militärischen Schwerpunkt bis zum imaginierten "Mittelalter" der höfischen Epik.

    Ach ja, und bitte keine antiklerikalen Affekte – das wäre für mich das sofortige Ausschlusskriterium und der Lackmustest schlechthin, wenn es um ein realistisch bzw.differenziertes Mittelalterbild geht.

  5. Ich sah vor meinem geistigen Auge schon den hurenden Bischof, der mit der Androhung der sie zu erwartenden Hölle die missbrauchte Stallmagd dumm und unterdrückt hält – um es ein wenig überpointiert zu formulieren; weitere Stichworte, die es zu meiden gälte, wären die Galileo-Legende, Hexenverbrennungen und die Inquisition.

  6. Interessant schon, aber ich habe nie Spieler für so etwas gefunden. Und der Verkauf solcher Spiele macht auch nicht gerade Mut, (was den "Markt dafür" betrifft.

    Mit ein mehr oder weniger Fantastik bzw. pseudohistorisch:

    Pendragon (gab es sogar auf Deutsch)
    Ars Magica (gab es auch auf Deutsch)
    Fvlminata
    diverse GURPS-Bücher (am ehesten, was du suchst)
    BRP Rome
    Hârn passt irgendwie auch.

    Es gibt noch viele andere.

    Ich glaube, der Markt wäre klein, aber wenn es gut gemacht ist und die spannenden Elemente der dargestellten Epoche herausstellt, wäre es sicher ein schönes Indie-Spiel mit entsprechender Mini-Auflage.

  7. Mal ein paar "Gegenfragen":

    Was ist das BEGEISTERNDE am historisch akkurat recherchierten und seriös umgesetzten, nicht-cinematisch, nicht-poetisch, nicht-mystisch verklärten Mittelalter?

    Was sollen denn die Spieler in solch einem Mittelalter spielen, was deren Charaktere TUN?

    Wo sollten denn die Grenzen dessen, was hier noch als "Mittelalter" durchgeht, gesetzt werden? Wenn schon das Ancient Rome oder GURPS Vikings oder RQ Vikings erwähnt wurden – Mittelalter, Mediävisten wissen das sicher weit besser als ich, ist ein WEITES Feld.

    Eigentlich ist "Mittelalter" nur ein Begriff, unter dem sich eine enorme FÜLLE an Settings verbirgt.

    Und man wird es eh NIE allen potentiellen Interessensströmungen recht machen können.

    Wenn sich ein Spiel nicht KLAR und UNMISSVERSTÄNDLICH einer bestimmten Richtung widmet, wie z.B. Ars Magica oder Cthulhu 1000 AD, dann begeht man sowieso einen der klassischen KRITISCHEN FEHLER beim Rollenspielproduktentwurf.

    Will man ALLES auch nur irgendwie Erdenkliche, was sich mehr oder weniger mit Mittelalter als Schlagwort verbinden läßt, unter einen Titel bringen, dann ist das Produkt schon jetzt absehbar nutzlos, weil ohne NUTZBAREN Brennpunkt.

  8. Was Zornhau über den Fokus eines RPGs sagt, ist spot-on.

    Ein Spiel, das sich eine Situation (z.B. das Jahr 911) als Ausgangssituation nimmt, und dann den Spielern die Möglichkeit gibt, die Herzöge zu spielen – samt Simulationswerkzeugen für politische Einflussnahme und Schlachten, so dass man die Geburt eines Reiches nach- oder vielmehr eben nicht "nach" sondern neu, anders, ergebnisoffen spielen kann… Das fände ich interessant.

    Oder ein Spiel am anderen Ende des Mittelalters, im frühen 15. Jahrhundert, wo die Spieler den Aufstieg (oder Fall) eines Handelsgeschlechtes erspielen, mit Adelsaufstiegsoption und Kaiserwahlbestechung inklusive.
    Travelleresque Simulationswerkzeuge für derlei Situationen fände ich tatsächlich reizvoll.

    Aber: nur wenn mir die konkret ausgewählte Situation reizvoll erscheint. Bei der unendlichen Weite des Mittelalters ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass so ein eng geknüpftes Spiel mein Interesse dann auch weckt.

    Ich würde z.B. schon mal nicht in Frankreich oder England spielen wollen. Viele Rollos würden das aber vermutlich (vielleicht unbewusst) erwarten, da mir scheint, dass viele der popkulturellen Mittelaltertropen eher auf das normannisch-französische Mittelalter zurückgehen.

    Der "Heimatbezug" eines Mittelaltersettings wäre für mich sehr wichtig, wobei ich "Heimat" nicht auf das deutschsprachige Mitteleuropa beziehe, sondern noch wesentlich enger.

  9. Es gibt (oder hat gegeben) gerüchteweise an der Ruhruni in Bochum einen Professor für Mediavistik, der eine recht realgetreue Ars Magica-Runde betreibt.
    Einen Kontakt konnte ich leider bislang nicht aus machen.

  10. Ob die Regeln nun arm oder reich sind, ist mir komplett egal – mir wäre viel wichtiger, dass die Regeln gut sind. Von daher wäre es wahrscheinlich am sinnvollsten, wenn das Spiel ein bestehendes und praxisgetestes Regelwerk nutzt.

    Zudem wäre das Mittelalter ein extrem exotisches Setting – ebenso unvertraut wie Talisanta oder ähnliche "abgefahrene" Welten. Vermutlich würde es von den meisten Leuten sogar als verdammt unrealistisch empfunden, weil das Mittelalter den gängigen Vorstellungen davon nur zu einem sehr geringen Anteil entspricht. Von daher wäre es wichtig, dass ein entsprechendes Rollenspiel auf diese Fallstricke eingeht und Spielern wie SL "Stützräder" für die ersten Schritte im Mittelalter bietet.

    Dann würde ein reiner Hintergrundband nicht ausreichen. Viele der beliebten Modernen Konflikte (bzw. deren Lösungen) passen im Mittelalter nicht. Für einen groben Überblick wären Bücher zum "Leben im Mittelalter" besser geeignet als ein Rollenspielbuch. Das Spiel müsste einen sehr klaren Fokus auf ein bestimmtes Geschehen haben und diesen mit "Abenteuern" unterstützen – z.B. eine Kampagne um ein bestimmtes historisches Ereignis oder ähnliches. (Nach dem Vorbild von Pendragon)

    Wenn diese Stolperfallen ausgeräumt werden, kann ich mir aber sehr gut ein Mittelalter-Rollenspiel vorstellen.

  11. Interesse auf jeden Fall. Weniger an einer Doktorarbeit "Wie lebten sie im Mittelalter" sondern eher an einem Regelwerk, das ermöglicht -jenseits klischeehafter EDO Fantasy- Charaktere zu bauen, die trotzdem interessant zu spielen wären. Pendragon und Ars Magica legen da die Latte schon recht hoch. Eine Umsetzung einer "Low Magic" Variante bei der Ritter, Mönch und Bauersmann gegen Tod und Teufel oder das mysteriöse "Unbekannte" (das "Weird" im Raggi'schen Sinne) ziehen. Wenn dann noch die Balance zwischen "leichten Regeln" und Tiefe und Unterscheidbarkeit der SC gegeben ist (regeltechnisch) hätte das System schon mal einen Kunden 😉

    (ich erinnere mich mit etwas Grausen an einen Mittelalter [Wikinger] Versuch mit D20 Regeln – okay war auch eindeutig das falsche System dafür- jeder beschrieb seinen Charakter. Der Spielleiter nach kurzem Überlegen O.K. du bist ein Fighter…du auch und du auch. Hm na gut du darfst noch ein Level Barde dazu nehmen….)

  12. TheClone sagte: "Ich würd das wenn überhaupt eh am liebsten mit SW spielen."

    Nichts einfacher als das: Triple Ace Games bietet mit der Reihe "Daring Tales of Chivalry" ein magie-armes, englisches Mittelalter, in welchem die Abenteuer eines Ritters samt seines Gefolges (vorgenerierte Charaktere, man kann aber auch eigene erstellen – es verwendet nur die SW-Grundregeln) auf ihren Reisen Abenteuer erleben. Von Mönchen, deren Kloster einer Art "Heimsuchung" unterworfen ist, über einen Kriminalfall während eines Turniers bis hin zu einem Familienfluch einer Gastgeberfamilie sind dort ganz weltliche bis hin zu nicht mehr ganz so weltliche Herausforderungen zu bestehen.

    Diese Abenteuerreihe nimmt aber ebensowenig wie die exzellente Settingadaption "Savage Sherwood" von Battlefield Press für sich in Anspruch ein "authentisches, historisch-wissenschaftlich akkurates" Mittelalter zu präsentieren.

    Gelungen und spielenswürdig sind beide – die Daring Tales of Chivalry und Sherwood – eben, WEIL sie nicht historisch-akkurat und somit höchstgradig eine Simulation darstellend auftreten, sondern WEIL sie sich auf die spannenden Elemente, die Teile des Mittelalters, die man sich auch heute noch GERNE spielerisch vorstellen mag, konzentriert.

    Ob das der edle Ritter und seine Gesellschaft ist, die sich in Verbrechen und Familienfehden als die guten Menschen und Vertreter der ritterlichen Ideale erweisen sollen, oder ob das Robin Hood ist, welcher mit seinen Gefährten gegen Unterdrückung und für den idealen König kämpft.

    Übernatürlich – kaum. ÜBERZOGEN – oh, ja! Und zwar so, daß es auch als Film Spaß machen würde. (Nicht als mediävistische Monographie mit längeren Quellenverweisen, als das gesamte Regelwerk an Volumen aufbringt.)

    Wenn man an ein PRODUKT, also etwas potentiell Verkaufbares oder auch nur Verschenkbares, denkt, dann sollte man sich, wie eigentlich selbstverständlich aber leider nicht üblich, ZUERST überlegen, WER dieses Produkt denn WIE verwenden soll.

    Wem macht ein historisch-wissenschaftliches, auf dem Stand der Mediävistik-Forschung akkurat eine Mittelalter-Zeitspanne simulierendes Setting plus Regeln darin stets authentisch historisch korrekt zu agieren, denn Spaß?

    Wer hat denn überhaupt die Urteilskraft, um den Aufwand, die akribische Recherche, die wissenschaftliche Fundiertheit solch eines Settings zu würdigen?

    Wenn man Mittelalter ohne "Weirdness" (also nicht wie Pendragon, Ars Magica, usw.) bieten möchte, dann wird das Ganze schnell deutlich uninteressanter als ein Was-ist-Was?-Buch zum Thema Ritter und Burgen. – Und damit ein Ladenhüter.

    Mittelalter im Rollenspiel MUSS BEGEISTERN können.

    Wissenschaftlich fundierter Stand der Mittelalter-Forschung ist leider überhaupt kein Garant für Begeisterung, sondern im Gegenteil: ein RISIKO, daß es die Zielgruppe(n) langweilig und nicht spielenswert finden.

    Mal zum Vergleich: Rollenspiele im Western-Umfeld gibt es viele. Wirklich SEHR viele verglichen mit Mittelalter-Rollenspielen (in Abgrenzung zu Fantasy- bzw. EDO-Fantasy-Rollenspielen).

    Western OHNE "Weirdness" (Übernatürlichkeiten) oder OHNE "Cinematik" (ÜBERZOGENE Darstellung wie im Kino) geht im Rollenspiel SEHR SCHLECHT. – Solche Spiele verkaufen sich kaum. So etwas will kaum jemand spielen.

    Was die Fans von Western-Rollenspielen spielen wollen: Italo-Western-Action. – Und es ist ihnen verdammt egal, ob hier die Umgangsformen, die Kleidung (Poncho), oder auch nur die Waffen zur Zeit, in der die Runde gerade spielt, irgendwie akkurat sind. – Wichtig ist: Reiten, Schießen, Trinken. – Harte Kerle, fiese Schurken, markige Sprüche, rauchende Colts.

    Mittelalter: Edle Ritter, schöne Fräulein, fiese Sarazenen/Hunnen/Raubritter/…, anrühende Dicht- und Lied-Kunst, und klirrende, funkensprühende Schwerter.

    Historisch "akkurater" braucht Mittelalter nicht zu sein.

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