Nach dem Hören der aktuellen Folge des Eskapodcast „Gegenspieler, Widersacher, Erzfeinde“ musste ich mir diese Frage mal wieder stellen.
Aber ich möchte sie nicht nur stellen, sondern auch beantworten – und zwar mit einem laut schallenden
„JA!“
Ihr werdet es kaum glauben, aber die dezent „angedsaten“ und „angecthulhuten“ Gastgeber und Gäste des Podcasts sind sich in ihrer Ablehnung meiner Position recht einig, obwohl Martin immerhin freundlich konzediert, dass er verstehen kann woher die Stimmen kommen, die denken, dass alle Bösewichte Werte haben sollen. Und damit will ich dem Team keinen reinwürgen, sondern ich freue mich immer darüber, dass sie mir tolle Vorlagen geben, um ihnen zu widersprechen. Das passt einfach immer zu schön!
… aber um meine Antwort etwas zu präzisieren, gilt das natürlich nicht nur für Cthulhu, sondern auch für Lofwyr und Helme Haffax, aber auch für Szass Tam und, weiter gedacht, auch für Odin oder Praios.
Und die Tatsache, dass auch die mächtigsten Wesen mit Spielwerten erfasst werden müssen, ergibt sich daraus, dass ich eine Welt darstellen (simulieren) möchte. Und je genauer alles in Spielwerten dargestellt ist, umso größer ist im weiteren die Freiheit der Spieler mit dieser Welt zu interagieren. Denn im Idealfall ist nicht nur jede Person und jede Gottheit in Spielwerte gegossen, sondern auch möglichst viele Elemente der Spielwelt. Weiß ich als Spieler Genaueres über das Felsplateau, auf dem sich der Showdown mit dem Erzdämon abspielt, so kann ich noch die Umgebung und eventuelle Schwächen mit in meine Überlegungen einbeziehen und neben vielleicht machtlosen Angriffen eine Sprengladung mit geweihtem Wasser und silbernen Splittern strategisch günstig platzieren, um die Chancen etwas zu meinen Gunsten zu frisieren.
Und ich kenne die Stimmen, die schon das dritte OD&D-Supplement „Gods, Demi-Gods & Heroes“ mies fanden, da dort Werte von Göttern der unterschiedlichen Pantheons abgedruckt waren, was (natürlich dazu führte), dass sich so manche Abenteurergruppe direkt mal auf den Weg gemacht hat, um Odin den Hintern zu versohlen. Okay, das wird im Jahr 2016 nicht als tolles Rollenspiel angesehen, aber ich gehe glatt davon aus, dass die Gruppen ihren Spaß dabei hatten, was also soll daran verkehrt sein.
Und völlig unabängig von diesem Kapitel aus der Steinzeit, muss es einfach eine Möglichkeit geben, ein x-beliebiges Wesen der Spielwelt zu töten, gefangen zu nehmen oder irgendwie unschädlich zu machen. Ja, diese Chance mag verschwinden gering sein, aber sie muss einfach existieren – und zwar nicht durch eine Gnade des Meisters, sondern durch knallharte Fakten untermauert.
Denn wenn das nicht möglich ist, so haben wir es nicht mit einem sinnvollen Element der Hintergrundwelt zu tun, sondern mit einem Hammer, den der Spielleiter nach Belieben schwingen kann.
Das scheint sich nach einem kleinen und unwichtigen Unterschied anzuhören, aber mir ist es sowohl als Spieler als auch als Spielleiter ungeheuer wichtig, dass es mir möglich ist mit einem Messer dem fiesen Cthulhu auf den Rücken zu springen, um ihn platt zu machen und ich weiß, dass ich nicht verrecke, weil der Spielleiter sagt: „Cthulhu ist viel zu mächtig für dich!“, sondern dass es mich aus den Socken haut, weil die Würfel es so bestimmt haben.
Weise, doch vermutlich fruchtlose Worte
Sehe ich anders: nicht alles in der Spielwelt muss Werte haben.
Gibt es bei D&D eine Angabe darüber, wie viele HP Oerth (oder Abeir-Toril, oder Athas) hat? Warum nicht? Dann müssen die Spieler ja auf die SL-Gnade verlassen, wenn sie vorhaben den Planeten in die Luft zu jagen.
Ich denke keine Regeln dafür zu haben, ist kein Mangel im Rollenspiel. Wenn ein Gegner absolut unverwundbar ist, dann ist das halt so. Eventuell gibt es bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um diese Unverwundbarkeit aufzuheben, und welche die Spieler herausfinden können (genauso wie sie sicherlich irgendeine Möglichkeit finden können den Planeten zu sprengen, wenn sie sich nur genug dahinterklemmen). Ob diese jedoch in einem Buch stehen, oder vom SL für seine Kampagne erdacht wurde (denn ein guter SL gibt den Spielern zumindest eine Chance ihre verrückten Ideen umzusetzen, egal wie gering diese dann letztlich ist), ist zunächst einmal drittrangig.
Ah, ein toller Beitrag, lieber Moritz! 🙂
Ich kann das total nachvollziehen, warum man sich für Cthulhu Werte wünscht und ich habe auch nix dagegen. Speziell bei Cthulhu beißt sich das allerdings irgendwie mit meiner Vorstellung vom großen Alten (die vermutlich nicht ganz Lovecraft-konform ist). Es wirkt so, als ob man dem Planeten Mars einen Statblock mit Kampfwerten gäbe.
Kann man machen und ist im Fall von intergalaktischem Nuklearbeschuss sicherlich sinnvoll, aber mir scheint Cthulhu in erster Linie ein Plot-Device zu sein – wie zuallermeist auch der rote Planet, wenn er über dem Horizont aufgeht.
Ich bin halt leider auch noch ein Fan von reduktionisitischen Statblocks, das kommt erschwerend hinzu. Und da wirds dann noch schwieriger, finde ich. Der Mars geht noch:
AT: 0 PA: 0 Lebenspunkte: 30 000 000
Aber Cthulhu sinnvoll zu modellieren, so dass man ihm nix von seiner Einmaligkeit raubt, das fällt mir hier relativ schwer.
Grüße vom Eskapodcast!
Bitte noch den Rüstungsschutz für den Mars ergänzen, sonst ist er bei Kampfrunden a 2 Sekunden doch recht schnell weg.
Ich finde Werte wichtig, aber bitte nur spielrelevante: -1d100 Sanity Points für den Anblick von Cthulhu ist spielrelevant, sowas kann passieren & man kann davonkommen.
Lebensenergie für Cthulhu ist nicht spielrelevant, es sei denn, Nuklearwaffen sind verfügbar (z.B. nicht 1890). Und da würde ich eher auf ein schmuckes Subsystem ausweichen (mit Megatonnen usw. — vielleicht müssen die Charaktere ja mehrere Nuklearwaffen organisieren).
Irgendein doofes U-Boot bis an den Rand gefüllt mit Schwarzpulver wird schon irgendein wahnsinniger Wissenschaftler im Jahr 1890 gebastelt haben…
Habe gerade dieses Video geshen und mich dabei an diesen Blogeintrag erinnert:
https://www.youtube.com/watch?v=7DyRxlvM9VM
Es geht zwar eigentlich um Videospiele, Das PnP wird nur kurz erwähnt, allerdings finde ich eine Aussage recht interessant. Cthullus Horror ergibt sich aus dem Bewusstsein der eigenen Irrelevanz. Die Erkentniss das man die Welt wie sie vor einem liegt nicht im Ansatz unter Kontrolle hat.
Nur mal so als Gedankenanstoß.