[D&D 4 Essentials] Die rote Box

Im Hofrat-Forum wurde schon beklagt, dass die rote D&D Essentials-Box im deutschen Raum noch gar nicht wahrgenommen – oder gar gewürdigt wurde.

Nun. Ein Exemplar ist heute bei mir angekommen und ich konnte es mir genauer ansehen. Ich bin zwar eklig erkältet und befinde mich in einer Art Fieberwahn, aber vielleicht hilft das ja bei einem kurzen Blog-Eintrag…

Zu den beiden Illus: Das obere Bild ist das Cover des Mentzer-D&D-Sets aus dem Jahr 1983 (mit Elmore-Cover). Das Aussehen der Box entspricht zu etwa 98% dem der 2010 erschienenen Box. Das gefällt mir doch schonmal ausgezeichnet.
Die beiden Handbücher im Inneren der neueren Version zeigen dann allerdings die unten abgebildete Illustration. Bildet euch eure eigene Meinung dazu, inwieweit die verschiedenen Illustrationen vor eurem inneren Auge ein Gefühl von „Abenteuer“ entstehen lassen…

Der Begriff „Abenteuer“ wird in dieser Kurzbesprechung noch öfter vorkommen, also gewöhnt euch daran.

GRUNDSÄTZLICH möchte ich gerne sagen, dass es mal an der Zeit war, dass eines der ganz großen Rollenspielsysteme mal wieder die Gelegenheit nutzt, ein Einsteigerprodukt zu präsentieren, das neue Fans für das Rollenspiel gewinnen kann. Eine hervorragende Idee, die große deutsche Rollenspielsysteme gerne abkupfern könnten (wenn nicht gar eine ohnehin einsteigerfreundlichere neue Regelfassung mit Tutorial-Charakter am Horizont wartete…)
Neben den angesprochenen Neu-Spielern sind natürlich nostalgische alte Säcke wie ich eine weitere Zeilgruppe, die man versucht, mit ins Boot zu holen.

Auf den Inhalt der Box möchte ich nur kurz eingehen. Es gibt eine beideitige Battlemap mit einer Straßenkreuzung, einer typischen Monsterhöhle und auf der Rückseite einem schicken kleinen Dungeon, der gleichzeitig der Dungeon im Spielleiterheft ist. Dazu gibt es Würfel und Karten mit magischen Gegenständen und Kräften, sowie Counter, die Miniaturen ersetzen und ein paar vereinfachte Charakterbögen.

Spannend sind hingegen Spieler- und Spielleiterhandbuch, und welchen „Geist“ sie den neuen Spielern vermiteln.

Folgsam, wie es meine Art ist, lese ich das Spielerhandbuch zuerst. Dieses besteht komplett aus einem Solo-Einsteigerabenteuer, das in meinen Augen vieles richtig, aber etwas ausgesprochen Wichtiges falsch macht.
Im Laufe des kleinen Abenteuers wächst der eigene Charakter immer weiter, nimmt Gestalt an und gewinnt an Konturen. Außerdem liegt es in den Entscheidungen des Spielers, welche der vier Grundklassen der Charakter am Ende des Abenteuers inne hat. Eine tolle Idee, die mir ausgesprochen gefällt, die aber gleichzeitig auch zum Hauptproblem führt:

Das Abenteuer hat einfach keine Seele und keine denkwürdigen Figuren. Jede Entscheidung dient fast nur dazu, dem Charakter neue Statistiken hinzuzufügen. Der Spieler/Leser erlebt kein Abenteuer. Der Spaß dabei, das Abenteuer zu spielen, wird ganz alleine aus der Entwicklung der Attribute und Eigenschaftendes Charakters gezogen. Das erscheint mir zu mechanisch, um Neulinge für das fantastische Spiel gewinnen zu können.
Schade. Es gibt keinen abgrundtief bösen Bargle, keine schöne Aleena, die eines tragischen Todes stirbt, welche die Phantasie des 10-12-jährigen anregen und sie in eine abenteuerliche Welt hineinziehen können.

Sieht man aber das Ziel des Tutorials darin, die Grundmechanismen vorzustellen, dann gelingt das ganz hervorragend.

Auf zum Spielleiterhandbuch: Was soll man sagen? Auch hier werden die Grundzüge des Spiels schön einfach und übersichtlich aufbereitet. Es gibt Abenteuer-Regeln, ein Gruppenabenteuer, kueze Tipps, wie man eigene Abenteuer erstellen kann und einige Seiten mit Monstern, um die Abenteuer auch amtlich mit Gegnern ausstatten zu können.
Gut, selbst mir als einem der „kämpfenden Fraktion“ fällt auf, dass die angegebenen Regeln zum Großteil aus Kampfregeln bestehen.
Was mir allerdings gut gefällt, ist das Gruppenabenteuer. Das bietet wirklich einen netten Querschnitt aus Kampfbegegnungen, einer amtlichen Skill Challenge und Rätsel- und Knobelteilen. Sehr schön und es ist für jeden etwas dabei.
Geschickt finde ich es auch, am Ende des Abenteuers einen kurzen Abschnitt über „Feedback“ zu platzieren, wo ganz kurz und knapp mögliche Spielertypen charakterisiert werden und der SL darauf hingewiesen wird, dass sich in seiner Gruppe Spieler mit den unterschiedlichsten Vorlieben befinden könnten.

… und nur um die Gerüchte ein für allemal zu bekämpfen: Die Box enthält die Regeln für die Stufen 1-2, NICHT für die Stufen 1-3.

FAZIT: Es ist absolut notwendig, mehr einsteigerfreundliche Rollenspielprodukte zu produzieren, aber ob es sich als sinnvoll erweist, nach der Devise zu handeln: „Mechanismus vor Abenteuer“, wird sich noch zeigen. Ich hoffe mal, dass das nicht die allgemeine Richtung ist, denn das wäre für mich mal wieder ein weiterer Punkt, wie weit die 4E vom D&D alter Schule entfernt ist. Schließlich ziehe ich mir so eine Kundschaft heran, die nicht ihre Fantasie gebraucht, sondern einfach nur ein weiteres Spiel spielt, und bereit ist, Booster mit neuen Kräften zu kaufen oder sich im Internet ständig die neueste Charaktererstellungssoftware zu abonnieren.

Wo – bitte sehr – bleibt hier das Abenteuer?