[Etwas wie eine Rezension] Dirty Nerd – Texte von der dunklen Seite des Nerdtums

David „Grasi – El Grasidente“ Grashoff lädt mal wieder zum gepflegten Slam-Texte-Konsum. Das ist natürlich mal so richtig schwer zu rezensieren, denn entweder man hat einen Sinn für solch nerdig-vulgären Texte, oder man kann damit mal so überhaupt nix anfangen.

Beginne ich also direkt mit dem Fazit: „Du bist Nerd (gerade in den Bereichen Filme, Comics und Rollenspiele), hast nix gegen eine gehörige Prise Sex und herrlich virtuose vulgäre Wortschöpfungen und kannst auch über dich selbst lachen, dann wirst du das Teil heiß und innig lieben – liest du nur die Auto Motor Sport, schlappst morgens mit einem Köfferchen unterm Arm auf die Arbeit zur Debeka, tippst bis 16:15 am Computer rum und gehst frustriert nach Hause zu Frau, 1,7 Kindern und Zwergkaninchen, wo du zum Lachen in den Keller gehst, dann mach einen großen Bogen um die Texte von der dunklen Seite des Nerdtums.“

Bei Amazon gibt es das gute Stück für 3,99€ als .mobi und .epub – was mich erstmal vor größere Probleme gestellt hat, ich habe dann aber nach langem Testen und Herumexperimentieren für mein .mobi-Buch eine gute Lösung gefunden. Um euch die Suche zu ersparen, kann ich euch gerne verraten, dass mein Tablet das Format mit der Gratis-App „Moon+ Reader“ problemlos anzeigen kann – und es gibt noch etliche schicke kleine Extras und Statistiken, wie ich sie bei Readern so liebe…

Aber kommen wir doch endlich zum Eingemachten: Insgesamt ballert Grasi dem 39 mal längere, mal kürzere Geschichten im D-Zug-Tempo um die Ohren und gerade, wenn man ihn mal lesen gehört hat, kann man sich ganz gut den Duktus und die Vortragsart vorstellen (Habe ich schon nach nem Hörbuch gefragt, Grasi?) und die ganze Sache noch mehr genießen. So kannte ich etliche der Texte entweder vom Blog des Autoren oder von einer Lesung auf der FeenCon 2014 in Bonn, und war mental auf das vorbereitet, was mich erwarten würde.

Der Opener ist dann auch wirklich gut gewählt und gerade Computerspiel-Nerds werden ihren Spaß mit Blutbad-Bitz69 haben. Wie bei einem guten Konzert wurde versucht, stark einzusteigen, die Texte so anzuordnen, dass sich harte und etwas zartere Texte mit computerspielzentrierten und 80er-angehauchten abwechseln. (Okay, wahrscheinlich hat sich Grasi da gar keine Gedanken gemacht, aber trotzdem sind die Texte wirklich gut angeordnet – da gibt es nix zu meckern.)
So folgt dann auf den eher blutigen (no pun intended) Blutbad-Text „Ein Sommer in den Achzigern“, wo es etwas gemütlicher und gemächlicher wird. Aber Grasi wäre nicht Grasi, wenn die ganze Nummer nicht nach einem fast klassischen Beginn langsam in den Wahnsinn abgleiten würde.
Wenig später folgt dann mit „Mein Gemüse“ eine weitere Stärke: eine völlig sinnlos runtergerasselte Aufzählung, die in ihrer Dämlichkeit einfach nur Spaß macht und gerade bei einer Lesung immer ordentlich rockt. Ja, so isser eben, der Zack Boner!
Rollenspieler werden sich in „Ein ganz normaler Tag im Leben eines Rollenspielers“ problemlos wiedererkennen und wer schon immer mal eine Antwort auf eine dämliche Spam-Mail schreiben wollte, der ist mit „Email von Juliana_X“ genau richtig aufgehoben, wer in den 80ern mies gehänselt wurde und seitdem auf Rache sinnt, sollte es mal mit „Das Nerdperium schlägt zurück!“ probieren.
So wird einfach jeder unterdrückte Nerd einer jeglichen Nerd-Subspezies bedient – ja, auch die Nerdklassen werden hier massenkompatibel kategorisiert und erklärt.

Um mal noch ein paar persönliche Anlese-Empfehlungen zu geben: „Mein Brief an Vladimir Vladimirovich Putin“, „Die Liga der außergewöhnlichen Mitbewohner“, Wer suchet der findet“ oder für Trekkies „Ein Tag wie jeder andere an Bord der U.S. Enterprise 2.0“

Die Preise für die dämlichsten Text-Überschriften gehen an „Palmin ist das Ejakulat Gottes“ und „Die Masturbation ist der Puff des kleinen Mannes“. Glückwunsch an die beiden!

Den Abschluss des Bandes bilden drei Kurzgeschichten (die natürlich im Vergleich zu den Slamtexten eher Novellen oder Romane sind), die man sich durchaus geben kann. Ich fand da die mittlere  – „Herr Sanders“ – ganz interessant, da sie mir endlich gestattet, Grasi literarisch zu kategorisieren. Klarer Fall. Er ist der „Lovecraft des sexuell herausgeforderten Nerds“.

… und um am Schluss nochmal kurz mit Anlauf in die Suppe zu rotzen – warum hat nicht nochmal jemand über die Texte drübergelesen und die 2W100 Fehler entfernt? Waren etwa bei diesem Produkt keine Millionen mehr übrig für ein geschmeidiges Korrektorat?

Abgesehen davon würde ich das Experiment „einfach mal ein virtuelles Buch zu basteln und es bei Amazon einzustellen“ als vollen Erfolg werten!