Feenstaub und Fabelwesen – Seite 36

Seite 36? Was ist denn an der so besonders? Nix. Absolut gar nix!
Ich habe nur heute morgen mit Julian Klippert von Nandurion virtuell geplaudert und ihm erzählt, dass ich mir manchmal Rollenspielsachen einfach nur kaufe, um sie zu lesen und mich dabei zu ärgern. Ferner habe ich behauptet, dass ich auch im Jahr 2011 noch in jedem x-beliebigen Abeneuer auf jeder x-beliebigen Seite 5 Dinge finde, die ich persönlich anders machen würde. Ja. Wir reden nicht von dem lustigen Erzählerkram, der in den 90ern unter dem Deckmäntelchen der Kiesow’schen Menschenverbesserungsmaßnahmen erschienen ist, sondern von brandaktuellem Material.
Fast hätte ich geschrieben „besser machen“, aber ich bin mittlerweile so altersmilde geworden, dass ich durchaus tolerieren kann, dass es auch Leute geben könnte, die gerne ewas anders spielen als ich.
Julian nannte also Seite 36 und die passt auch ganz gut – ist mitten aus einem Abenteuer und die Seite hat keine Illu, ich habe also viel Text mit potentiellen Ärgernissen.
Seite 36 beschreibt den 2. Tag in den Marschen im Abenteuer FISCHERFEST von Carsten Pohl und Caillean Kompe.
ACHTUNG! SPOILER!!!!
Dann schauen wir doch mal, ob ich meine Behauptung untermauern kann – schauen wir mal, ob ich 5 Hebel finde, um dem potentiellen Meister das Abenteuer m die Ohren fliegen zu lassen.
1. + 2. Prima! Obwohl Thomas Römer die Redaktion für den Band hat und ich weiß, dass er nicht drauf steht, sind ihm alleine auf dieser Seite zwei Fälle von Vorlesetexten durchgeflutscht, wo Gefühle und Handlungen der Charaktere – sorry: Helden! – vorweggenommen und einfach über sie hinwegerzählt wird.
„… beginnt es zu regnen – ihr habt nicht auf den Himmel geachtet, der sich nicht nur zum Abend, sondern auch zu einem kräftigen Guss verdunkelt hat.“

„Ehrfürchtig bleibt ihr stehen und bemerkt kaum, wie euch eure Schuhe mit kaltem Wasser und Morast vollaufen.“
3. Ein absolut klassischer Fall von geschmeidiger DSA-typischer Lenkung der Charaktere, die in diesem Fall nicht schlimm und kaum auffällig ist, aber für mich immer noch ein Indiz, dass hier noch immer frischer WInd vonnöten ist. „Wind und aufgepeitschter Regen fahren den Helden in die Gewänder, an ein Vorankommen ist nicht zu denken…“
Prima. Warum soll man da nicht weitergehen können? Was tue ich armer Meister jetz, wenn die bösen Spieler sagen: „Nö. Wir gehen weiter. Das Dorf wollen wir heute noch erreichen!“ Panisch im Kreis rumrennen. Aber warum soll ich es ihnen verwehren? Bloß damit die Autoren ihre schicke Geschichte erzählen können? Vielleicht ist ja die Geschichte, die durch die freie Handlung der Helden entsteht, viel toller? Da muss ich wohl die die tolle Begegnung mit dem Einhorn knicken?
Das führt uns direkt zu Nummer 4. Was hat es für einen Zweck, dass das Einhorn hier und jetzt angetroffen wird? Please tell me. Achtung! Ich finde die Begegnung mit dem Einhorn sehr witzig und stelle mir die Kommunikation, die im Kasten geschildert wird, sehr schick vor, aber warum zwing man den Meister und die Spieler, das nicht stattfinden zu lassen, wenn es sich organisch aus ihrem Abenteuer heraus ergibt?
Gut, wir werden also alle dazu gezwungen, uns in eine Hütte zu begeben. Was mich hier freut, ist, dass es immerhin eine Option gibt, was passiert, wenn die Helden alle ihre Proben vergeigen, um dorthin zurückzufinden. Sehr gut. Ich hätte schwören können, dass das nicht bedacht wird. Nun, in der Hütte kommen wir schnell zum Problem 5 – und das ist für mich das Größte. Egal ob man eine Wache aufstellt oder nicht und ob man in der Hütte ist oder auch nicht, sieht nachts einer der Charaktere das Einhorn und kann ihm auf den Strand folgen.
Das ärgert mich. Hier haben die Handlungen der Helden und das Mitdenken der Spieler keinerlei Konsequenz. Warum hält man es nicht einfach so, wie die Spielwelt es verlangen würde, da muss sich auch der Meister nicht verbiegen. Wenn die Helden alle pennen (was schon bescheuert genug wäre) dann sieht halt keiner das Einhorn und die Szene fällt flach. Fertig aus! So wichtig ist die Szene nun auch wieder nicht. Und wenn sie wichtig wäre, dann müsste ich mir als Autor eine organische Lösung suchen, wie die Szene zustande kommt…

9 Gedanken zu „Feenstaub und Fabelwesen – Seite 36“

  1. Nun, die Naivität der Spielerschaft, die der Ansicht sind, daß sich DSA jemals wird daraus befreien können, ist unerschütterlich.
    Natürlich wird sich das nie ändern und das kann auch nur einen Grund haben: Die Mehrheit will das so.

    Die einzige Hoffnung für uns Rollenspieler ist, daß DSA irgendwann aufgrund von Überalterung dahinschwindet.

    Man muss allerdings auch sagen, das Spieler nicht selten ebenso dämlich handeln. Da beschreibt man einen Schneesturm in den Bergen, der den Tod bedeuten kann und die Spieler sagen "nöö, wir gehen weiter, wieso Schutz suchen?". Da merkt man als SL, daß die Spieler nicht in der Lage sind, die Dinge aus der Sicht des Charakters zu beurteilen. Aus dieser Lage heraus enstanden wohl diese Railroadingvorgaben.
    Da ist es ein Segen, wenn man mechanische Mittel hat, mit denen man die Konsequenzen in der Welt umsetzen kann:
    "alles klar, anstatt eurer Wetterfestes Zelt aufzuschlagen zieht ihr weiter, würfelt mal Rettungswurf gegen Erfrierungen"

    Ist natürlich dumm, wenn es nur ein Regenschauer ohne Konsequenzen ist und die Spieler meinen, daß müsse sie nicht stören, weil sie ja schliesslich im Spielzimmer auf der couch sitzen (:rolleyes:)

  2. SL Locomotive Breath hat also wieder mal zugeschlagen und spielt mit der Tufftuff … Warum schreiben die Leute eigentlich keine Romane und laden dann zum Leseabend beim Rotwein ein. Hat ja uch was. Und man muss den Erzählfluß nicht durch eh überflüssiges Würfeln und sinnlose Einwürfe der "Spieler" unterbrechen.

    Gute Darstellung, Moritz!

    @ Falk: Stimme zu. Ich glaube auch, das das DSA-Publikum sich da sehr zu Hause findet. Naja, jedem das Seine.

  3. Nuja, ehrlich gesagt fällt es mir schwer zu verstehen, wie man sich über solche Petitessen ärgern kann, zumal jeder Spielleiter als Filter zwischen Abenteuer und seinen Spielern fungiert und alles nach eigenem Gusto variieren kann.

    Was ihr dabei überseht ist, dass es in Abenteuern gar keine Vorgaben gibt, sondern nur Vorschläge, die man annehmen oder eben auch verwerfen kann.

    Ich bin mir im übrigens sicher, dass ich in Glgnfz´Werken ebenfalls auf jeder Seite mindestens 5 Sachen finden würde, die ich schlecht finde, wenn ich mich künstlich aufregen wollte.

    Insoweit ist es sehr vernünftig, dass der Blogautor davon Abstand genommen hat, zu behaupten, er könne es besser.

    Falk hat übrigens unrecht: Die einzige Hoffnung für uns Rollenspieler ist, dass dieses elitäre Getue endlich aufhört,sich für was besseres als die Masse zu halten.

  4. Also ich muss sagen ich kann die Kritikpunkte auf jeden Fall nachvollziehen.
    Wormys, du meinst, dass es nur Vorschläge sind. Okay, kann man so sehen, die Frage ist warum schreibe ich dann noch "vollständige" Abenteuer? IMO richten sich die Märchenanthologie an Einsteiger. Also kann ich eigentlich erwarten, dass mir ein vollständiges Abenteuer vorgesetzt wird was sich nicht nur als Vorschlag versteht.
    Im Umkehrschluss aber, sind z.B. solche Vorlesetexte für den Neueinsteiger vielleicht gar nicht so schlimm, da sie einen schnellen Einstieg garantieren und egal wer Wache hält, das Abenteuer läuft weiter. Klar, den erfahren Spieler und SL kann das aufstoßen, aber stört es den Neueinsteiger?

    Falk, als Naivität der Spielerschaft würde ich das nicht bezeichnen. Viel mehr hat IMO die DSA-Spielerschaft so viele Facetten und unterschiedliche Meinungen wie ein Abenteuer aussehen sollte. Weswegen ich glaube, dass einfach die klare Linie eines DSA-Abenteuers fehlt. Gerade in "jüngerer" Zeit, finde ich das die Abenteuer sich vom Aufbau stark unterscheiden. (Und damit meine ich nicht, dass sich ein modulares Abenteuer von einem Railroading-Abenteuer im Aufbau unterscheidet)

    Viele Grüße
    Julian "Locke"

  5. @ Wormys: Klar gibt es wichtigeres auf der Welt, aber dies ist nun mal ein Rollenspielblog. Und den "Ärger" (ist ja eher ene Ärgerlichkeit) kann ich insofern verstehen, als dass es diese Tendenz, den Spielern Entscheidungen gar nicht zu lassen und sie einfach spielen zu lassen, nicht odre nicht so ausgeprägt gibt. Wo doch, da finde ich das genauso zu kritisieren (die alten AD&D-Dragonlance-Abenteuer z.B. sind da GRAUSELIG!). Und dei Ärgerlichkeit besteht darin, dass es ein SPIEL sein soll, den dafür bezahle ich ja Geld. Zudem finde ich schon, dass es handwerklich wenig gelungen ist, und dabie ist es unerheblich, ob Moritz nun meint das besser zu können oder nicht. Klar, mir gefällt an Larm und dem Bergkönig auch nicht alles, aber es IST solides Handwerk, aus dem man viel machen kann und SEHR einsteigertauglich (Hauptschüler-Prüfsiegel!). Und "Drachen über Larm" zeigt meiner Meinung nach bei dem Anfangskampf mit dem Drachen, wie man einen Konflikt offen hält UND DENNOCH zum eigentlichen Abenteuer kommt (ohne Spoiler: alle drei Möglichkeiten führen ins Abenteuer, sich allerdings dem Weg anpasst).

    @ Amirwolf: Einsteiger lernen das Spiel nicht dadurch, dass man ihnen Entscheidungen eröffnet, die es gar nicht gibt, sondern indem man ihnen viele Entscheidungen abnimmt und sie dann in kleinem Rahmen von der Leine lässt. Auch hier: Klappte in meiner AG prima und wurde sogar selber von den Schülern so gemacht.

  6. Amirwolf wrote:
    Okay, kann man so sehen, die Frage ist warum schreibe ich dann noch "vollständige" Abenteuer?

    Ich kanns für DSA nicht genau sagen, da ich mich zu wenig damit beschäftige, aber ich nehme an, dass da sehr ähnliche Gründe eine Rolle spielen wie das beispielsweise bei Paizo der Fall ist. Bei denen hat James Jacobs mehrfach zu Protokoll gegeben, dass die auch für diejenigen interessant sein müssen, die sie erstmal nur lesen, ohne wirklich eine direkte Spielabsicht zu verfolgen. Das Geschäftsmodell wäre einfach nicht profitabel, wenn nur diejenigen sich ein Abenteuer zulegen, die es auch direkt im Spiel einzusetzen gedenken.

    Entsprechend verfolgen sowohl die DSA- als auch die Pathfinderabenteuer einen etwas literarischen Ansatz, sprich sie erzählen nebenbei eine Geschichte. Was dann alzuoft als Railroading-Vorgabe missverstanden wird (siehe Moritz' Beispiele 1,2 und 3).

    Der Begriff "Vorgabe" missfällt mir an der Stelle einfach deswegen, weil er impliziert, dass das Geschriebene keiner Veränderung unterworfen sein dürfe. Was ja wohl ziemlicher Quatsch ist und, so schätze ich, auch nicht deiner Meinung entsprechen dürfte.

    @Moritz: Nuja, dein Einwurf bezüglich deiner Altersmilde und Toleranz klingt schon sehr gönnerhaft und von oben herab. und wenn ich das schon wahrnehme, obwohl ich aktuell gar kein DSA spiele, dann werden das DSA-Liebhaber erst recht so wahrnehmen. Aber um ehrlich zu sein, ist mir der Kommentar vom Baron in der Beziehung deutlich stärker auf den Senkel gegangen.

  7. Du hast da aber auch (auch wenn es Zufall war) ein ziemliches Negativbeispiel. Ich behaupte, dass es auch genug moderne Publikationen gibt, wo du es deutlich schwerer haben wirst, solche Fehler zu finden.

  8. Zwar hat Wormy mit der filterfunktion durchaus recht, ABER man muss ja erstmal soweit sein, sich vom Papier, vom geschriebenen des Abenteuers lösen zu können. Das lernt man nicht unbedingt, wenn man jetzt drei jahre ausschließlich solche Publikationen spielt (ich schreib mal nicht DSA, aicherlich gibt es das zum einen bei anderen RPGs auch und möglicherweise gibt es auch bessere Werke bei DSA).

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