Paradigmenwechsel im Bereich "Balancing"?

Ein Thread im DnD-Gate treibt mich mal wieder auf das Seifenkistchen. Nicht, dass ich mich über den Thread ärgern würde, oder mich aufregte – ich bin einfach nur gespannt, ob das andere Rollenspieler ähnlich empfinden wie ich.

EDIT: Ich merke gerade, dass sich die Überschrift so liest, als wäre ich einer brandneuen Entwicklung auf der Spur. Sorry! Ich meditiere über einem Wechsel der Ende der 1990er stattgefunden haben könnte oder stattgefunden hat.

Es geht darum, dass ich beobachtet habe, dass schon während den Zeiten von AD&D 2 – spätestens hin zu D&D 3 ein Wechsel vollzogen wurde. Bis dahin war „das Team der Star“. Jeder einzelne zog seine Erfolgeserlebnisse daraus, Abenteuer zu erleben und gemeinsam Situationen zu überstehen, die man alleine oder ohne Teamwork nicht bestanden hätte.

Spätestens mit D&D 3 und nun ganz besonders bei D&D 4 trat immer mehr die Forderung in den Vordergrund, dass jeder Charakter (sprich: sein Spieler) sein „Spotlight“ haben müsse, wozu ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Klassen existieren müsse, welches von Stufe 1 bis Stufe 30 halten muss.

Immer wieder werfen Rollenspieler den älteren Versionen von D&D vor, dass ihre Magier völlig nutzlos gewesen seien, nachdem sie auf Stufe 1 ihren Schlafspruch rausgeballert hatten. Bei uns war es immer Aufgabe des Spielers, das Spiel für sich interessant zu gestalten – sich andere Arten des Angriffs zu überlegen, sich bei Rätseln besonders reinzufuchsen oder besonders erfolgreich Verhandlungen abzuwickeln. Nie wäre der Spieler des Magiers auf die Idee gekommen zu jammern, denn es gab ja noch genügend Arbeit für ihn zu tun. Irgendwie war er selber schuld, wenn ihm nun langweilig war.
Die Klassen selber waren untereinander überhaupt nicht ausgeglichen (wollten es eigentlich auch gar nicht sein), lediglich die Stufenbeschränkungen versuchten es schmackhaft zu machen, einen Menschen zu spielen, indem sie den Halbmenschen ihre Macht etwas nahmen. Trotzdem wurde immer die ganze Mannschaft benötigt, um ein Abenteuer zu überstehen.
Im Laufe von AD&D 2 trat dann die Idee immer weiter in den Vordergrund, dass der Spielleiter, als der, der die Regel- und Weltengewalt hatte, sich darum zu kümmern habe, dass jeder Spieler Spaß hatte. (Das Ziel: Spaß war schon immer das Wichtigste am Rollenspiel, aber es nun in die Hände des Spielleiters zu legen, war schon eine Neuerung.)

Der vorläufige Höhepunkt des „Alles-Ausbalancieren-Wollens“ ist D&D 4, wo irgendwie alle Klassen ungefähr gleich toll reinprügeln können, die Effekte heißen nur anders und haben unterschiedliche Wirkungsweisen.
Gleichzeitig wird nun wieder versucht, den Kreis zurück zu schlagen. Viele Effekte leben hier wieder vom Teamwork – von der „Synergie“ (Danek an Scorp für dnenschicken Begriff), von der Zusammenarbeit.

Eigentlich eine sehr merkwürdige Idee – Funktionieren Teams doch immer dann am besten, wenn die Stärken des Einen die Schwächen des Anderen ausgleichen.

… vielleicht habe ich hier den Punkt festmachen können, der sich für mich bei D&D 4 so merkwürdig spielt. Das ist auf jeden Fall einen weiteren Gedanken wert…

8 Gedanken zu „Paradigmenwechsel im Bereich "Balancing"?“

  1. "…sich andere Arten des Angriffs zu überlegen, sich bei Rätseln besonders reinzufuchsen oder besonders erfolgreich Verhandlungen abzuwickeln"

    Also genau das, was der Krieger auch (zusätzlich zum Prügeln) konnte. Teamwork sieht anders aus.

    Der Magierspieler hat evtll. außerhalb von Kämpfen ein paar Einflussmöglichkeiten (genauer gesagt: genausoviele, wie anderen auch), aber irgendwann kommt es halt zu Kämpfen und dann steht er trotzdem an der Seitenlinie.

    Wie würdest du denn reagieren wenn gesagt würde:
    "Zwerge scheitern (aufgrund ihres schlechten Rufes) automatisch bei Verhandlungen"
    oder
    "Kämpfer können keine Rätsel lösen"

    Genauso verhält es sich mit "Erststüfler-Magier bringen im Kampf nichts".

  2. Ich kann das nur unterschreiben. Da ist ne Menge Wahrheit dran. Klar kann man da einzelne Teile rauspicken und drauf herum hacken – trotzdem macht der Originalposter eine sehr valide Aussage.

    Vielleicht liegt in diesen wenigen Sätzen genau die Wahrheit, die mich in die Arme von AD&D und Hackmaster treibt…

  3. Für mich hat es schon einen gewissen Reiz, dass bei LL/ D&D bzw. AD&D/ OSRIC die Charactere unterschiedlich mächtig sind – ein Ranger kann das gleich UND NOCH WAS im Vergleich zum gemeinen Kämpfer (mehr TP, Spuren lesen, mehr Schaden gegen Humanoide usw.). Ungerecht? Ja und nein. Ja, denn er kann halt mehr. Nein, denn alle Spieler hatten die Möglichkeit durch GLÜCK auch so was zu Spielen (man würfle halt hoch). Im Spiel dominieren die dennoch meiner meinung nach nicht, wenn man sich als Team versteht – da hat man dann halt einen Character, der mehr wuppen kann. ZAKs sind da eien Herausforderung für sich und haben es schwer – aber ein paar Spruchrollen hier und da (plus meine Huasregel, das Magie Lesen kein Spruch ist, sondern eine Fähigkeit in % in Höhe des "Zauber Lernen"-Wertes) helfen in den ersten Stufen. Aber einen Zauberer, der halt nicht das Schwert schwingt, sondern irgendwie anders denselben Scahden macht, find eich sterbenöde.
    Ja, ich habe D&T4 (Dragonkin& Tieflings), aber ICH KANN ES EINFACH NICHT SPIELEN. ES GEHT NICHT.

  4. Tut mir Leid, ich halte deine "Entdeckung" für undurchdacht. Du wirfst zu viele Dinge in einen Topf, die einfach nichts miteinander zu tun haben.

    Bei eine hast du aber sicher Recht, die alten D&D Versionen WAREN nicht ausgeglichen und HABEN Spieler benachteiligt.

  5. Wieso wurden Spieler benachteiligt? Jeder wählt sich seinen Charakter selbst. Und der Ranger oder Paladin, der etwas mehr kann als ein Kämpfer, darf sich dafür nicht spezialisieren und braucht mehr XPs für den Stufenaufstieg – was sich im Verlauf einer längeren Kampagne schon bemerkbar macht!

    Zauberer hatten es schwer zu überleben und ja, ihre Kampffähigkeiten waren begrenzt. Aber mit jedem Stufenaufstieg steigt seine Macht deutlich – und irgendwann kippt dieses Machtgefüge. Zauberer werden also in keinster Weise benachteiligt – sie spielen sich nur anders, als andere Klassen. Und genau DAS ist etwas, was für mcih den Reiz des "guten alten" AD&D ausmacht…

  6. Ich mag das Ungleichgewicht (welches nach einer Weile keines mehr ist) wirklich sehr, insbesondere in Hinsicht auf die späteren Phasen des Spieles. Der Magier wird dann unglaublich mächtig und hat seinen Turm, während der Krieger zum "Lord" (oder so) wird und Armeen befehligt. Das gleicht sich dann wieder aus. 🙂

    Ansonsten: ein Anfängerzauberer ist auch nicht mehr als ein komischer Nerd mit Pickeln, wahrscheinlich spielt er heimlich Rollenspiele. Der muss nichts im Kampf reißen können, der hat ja immerhin seinen Verstand und arbeitet auf ein langfristiges Ziel hin. Magier sind halt erst dann wirklich eine Kraft, mit der man rechnen muss, wenn sie alt und grau sind.

    Talislanta war da wirklich noch am mutigsten mit seinen Archetypen. DIE waren komplett unausgeglichen, und den Autoren war das ganz egal. So gehört sich das!
    Ich meine, wenn man sich unsere Geschichten so ansieht, dann sind da auch nicht alle Hauptfiguren gleich "mächtig". Und Rollenspiel ist für mich auch ein Geschichtenspiel.
    Egal, wen interessiert's…

  7. Ich glaube, dass die Abkehr vom Gruppenspiel weniger mit dem Balancing zusammenhing, als mit der individuellen Stärke der einzelnen Charaktere ab 3.0. Vor allem bei 3.5 hat man nachher so viele Optionen, dass ein gruppentauglicher Charakter nicht mehr notwendig ist, sondern sehr gute Einzelkämpferbuilds das Bild dominierten.

    Das man nun bei 4.0 mehr zur Gruppentauglichkeit übergeht, finde ich äußerst löblich. Das wirkt sich natürlich nicht so sehr auf den rollenspieltechnischen Aspekt aus, als mehr auf den kämpferischen, aber immerhin. Dass 4.0 da eher einem anspruchsvollen Boardgame wie Descent gleicht ist ja nun auch kein Geheimnis mehr.

  8. Bingo! Der Spaß bei AD&D kommt durch die Improvisation, nicht durch die Kräfte des Charakters. AD&D-Charaktere sind immer zu schwach (nicht nur der Zauberkundige Stufe 1). Sobald sie durch ein paar Aufstiege übermütige werden ("Ich kann jetzt Feuerball!") gehen sie drauf. Das Überleben ist bei AD&D die Kunst des Spielens jenseits der offensichtlichen Handlungsmöglichkeiten, jenseits des Abarbeitens von Kräften nach Klasse und Stufe. Deshalb macht AD&D(2) Spaß und deshalb leite und spiele ich nur noch D&D<3.

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