Und wieder habe ich bei Facebook jemanden erwischt, der meinen gnadenlos rausgeballerten Fragen nicht ausweichen konnte – Christian Lange – einer, der so ehrlich „Autor“ ist, dass er DSA-Romane und keine Abenteuer schreibt… 😉
1. Christian – schildere doch mal bitte kurz deinen Weg ins Rollenspiel.
1993 habe ich meinen Wehrdienst im schönen Lüneburg geleistet. Dabei war uns natürlich oft langweilig, so dass eines Tages ein Kamerad ein Spiel mitbrachte, dass er aus einem Lüneburger Spieleladen hatte. Es war die Basisbox des Schwarzen Auges. Damit waren unsere Abende gerettet. Ich hab es dann irgendwie geschafft das Spiel auch meinen Freunden schmackhaft zu machen, und so spiele ich mit einigen meiner Freunde seit über 20 Jahren Rollenspiel.
2. Herrje, die klassische DSA-Sozialisierung. Aber – lass mich raten – dabei ist es nicht geblieben, oder?
Doch. Was das Spielen von Rollenspielen angeht schon. Die DSA-Welt ist unsere Heimat. Wir haben mal das eine oder andere ausprobiert, haben aber immer wieder entschieden bei DSA zu bleiben.
Inzwischen ist das einfach auch dem Zeitfaktor geschuldet. Wir spielen zwar regelmäßig, aber dafür leider selten. Und da wollen wir keine Zeit in neue Welten und Regeln investieren.
3. Okay. Dann zwingst du mich förmlich, dir die DSA-Gewissensfrage zu stellen: Was ist die beste Regelinkarnation? 1? 2? 3? 4? 4.1? 5?
Das ist keine Gewissensfrage für mich. In unserer Gruppe bin ich derjenige der die wenigste Ahnung vom Regelsystem hat. Für mich steht immer die Story im Vordergrund.
Wir haben lange Zeit mit DSA4.1 gespielt und stellen unser Hausregelsystem jetzt auf DSA5 um.
4. Ah, okay, du bist also keiner der „wir-spielen-noch-DSA-3-Fraktion“. Aber, dass für dich die Story im Vordergrund steht, glaube ich gerne. Du schreibst ja gar nicht mal so übel…
Danke für das Kompliment.
Das hat aber auch schon zu Konflikten geführt. Wenn ich schreibe und dabei ein Thema berühre dass durch Regeln festgezurrt ist, dann recherchiere ich das natürlich. Aber ich nehme mir dann trotzdem gern die Freiheit zu sagen bzw. zu schreiben, dass meine Figur dass jetzt etwas anders macht als das Regelwerk es vorschreibt.
Wenn ich mich richtig entsinne, dann habe ich bei „Caldaia“, meinem ersten Roman, jemanden einen Zauber mit der falschen Hand ausführen lassen. Ganz bewusst. Und hab natürlich negatives Feedback bekommen, weil ich die Regeln „verletzt“ habe. Das hat mich dann schon ein wenig amüsiert.
5. Das ist halt Fluch und Segen von DSA. Großer Detailreichtum und geringe Freiheit für die „Schaffenden“ kombiniert mit teils brutaler Settinghörigkeit der Fans. Plauder doch mal zum Feedback auf deine beiden „großen“ DSA-Romane etwas aus dem Nähkästchen.
Bei „Caldaia“ war das Feedback eher auf Detailkritik ausgerichtet. Zum einen die erwähnte Regelkritik. Zum anderen wurden mir sehr oft die komplizierten Namen der handelnden Personen vorgehalten. Escalia von Hahnentritt, Darulf von Corish und von Praill und Seginhardt Raultreu von Ehrenstein sind eben keine Namen die man flüssig liest oder sich gar merkt. Allerdings waren diese Namen zu großen Teilen nicht meine Erfindung, sondern enstammten offiziellen Publikationen bzw. dem garetischen Briefspiel.
Bei „Kors Kodex“ war die Kritik zweigeteilt. Es gab hilfreiche Kritik, die z.B. auf einen Rechenfehler hinwies, der mir und auch dem Lektorat durch die Finger geflutscht ist. Es gab aber auch einige, die ihre Erwartungen enttäuscht sahen. Unter dem Titel „Kors Kodex“ hatten sich einige wohl etwas anderes vorgestellt. Vom konkreten Abdruck des Kodex, bis hin zur ausführlichen Beschreibung wie der Kodex Seite für Seite entstanden ist. Es gab sogar den Vorwurf, ich hätte „am Titel vorbeigeschrieben“.
So oder so lernt man als Autor aber mit der Kritik umzugehen. Wenn man das nicht hinbekommt, sollte man sich eine andere Beschäftigung suchen.
6. Halt! Da muss ich einhaken, denn ich denke, dass da im Jahr 2016 nicht mehr jeder weiß, was damit gemeint ist. Was, bitte sehr, ist das „garetische Briefspiel“?
Briefspiel ist eine Möglichkeit selbst Einfluß auf Aventurien auszuüben. Man kann z.B. in Garetien ein kleines Stück Land, also ein Junkertum oder eine Baronie bekommen und diese Gegend dann mit Leben füllen.
Wie man das macht ist sehr offen. Man kann sich auf Fakten beschränken und z.B. festlegen welche Orte es in dem Junkertum gibt, wie die Wirtshäuser dort heissen und was der Krug Bier kostet. Oder man schreibt Geschichten über die Region und die Menschen dort. Das Ganze fließt dann in ein Wiki ein, dass für jedermann offen ist.
Organisiert und gelenkt wird das Ganze von einem regionalen Briefspielkanzler, der Kontakt zur DSA-Redaktion hält. So wird Aventurien auf einer Ebene beschrieben, welche die DSA-Redaktion nur punktuell erreichen kann.
Briefspiel (der Name stammt noch aus der Zeit, als die Spieler weder Mails noch Wikis nutzten, sondern sich tatsächlich Briefe schrieben) ist auf jeden Fall eine tolle Möglichkeit sich einzubringen. Und hin und wieder entsteht aus Breifspielideen eine Notiz in einer offiziellen Publikation, oder ein Abenteuer, oder ein Roman.
7. Das Prädikat im ersten Satz ist im Präsens geschrieben. Läuft das Briefspiel immer noch?!? Wenn ja – kann man da noch neu einsteigen?
Ja, das Briefspiel läuft noch immer. Nicht nur in Garetien, sondern auch in anderen Regionen. Man findet im Netz (z.B. der Wiki Aventurica) die Ansprechpartner und kann sich bei denen informieren, ob und wo man noch einsteigen kann.
Und wenn man mag und das Ganze nicht nur auf dem virtuellen Papier betreiben will, kann man auch zu den RegionalCons fahren. Die Briefspielregionen Garetien, Greifenfurt & Perricum führen z.B. jedes Jahr einen Con durch, bei dem in einer Mischung aus klassichem Pen&Paper und LARP aktuelle Ereignisse der Regionen gespielt werden.
8. Hört sich wirklich interessant an. Da muss ich mich mal näher erkundigen. Ich hatte irgendwie abgespeichert, dass das seit einiger Zeit gar nicht mehr existiert. Aber mal abgesehen von DSA – was kann man sonst noch so von dir lesen?
2013 haben sechs Kollegen & ich ein Autorenkollektiv gegründet, das AKzwanzig13. Das hat uns einige tolle Projekte beschert.
So habe ich an „Eis & Dampf“, der durch Crowdfunding finanzierten Steampunkkurzgeschichtensammlung mitgeschrieben. Es gibt von mir Kurzgeschichten zu DSA („Schattenlichter“), reine Fantasy („Die Irrlichter“ aus dem Verlag Torsten Low), eine historische Kurzgeschichte „“Karl – Geschichten eines Großen“ aus dem Ammianus-Verlag), und sogar SF („Umray“ aus dem Papierverzierer-Verlag.
9. Wenn du von den eben erwähnten Geschichten eine empfehlen müsstest. Welche wäre das und warum?
Ich würde „Traue Niemandem“ aus der Sammlung „Karl – Geschichten eines Großen“ empfehlen.
Die Anthologie wurde zum Karlsjahr 2014 im Ammianus-Verlag veröffentlicht. Es war den Verlegern wichtig, dass die Autoren auch eine Beziehung zu Karl dem Großen hatten. Meine Verbindung war, dass die Ersterwähnung meiner Heimatstadt Magdeburg auf Karl zurück geht.
Es hat Spaß gemacht mal eine historische Geschichte zu schreiben und dabei festzustellen, dass sich die Recherche dafür kaum von der für Fantasy-Geschichten unterscheidet.
Und am Ende sprang sogar noch ein Preis dabei heraus. Der Verein „Homer – Historische Literatur“ bedachte mich mit dem „Goldenen Homer“ für die „Beste historische Kurzgeschichte 2015“.
10. Als Simpsons-Fan wäre für mich natürlich der Goldene Homer der heilige Gral unter den Preisen – also herzlichen Glückwunsch auch von mir. Vielen Dank für deine Zeit und zum Abschluss darfst du dem Volk noch ein paar weise Worte mit auf den Weg geben.
Ich musste mich bei der Dankesrede auch zusammenreißen, den Namen richtig auszusprechen.
Weise Worte? Nein, aber eine Bitte.
Autoren brauchen Feedback. Egal ob es Hinweise auf Fehler sind, Meinungen, Standpunkte, oder auch einfach Lob. Das muss nicht bei Amazon sein, dass kann auch in Foren passieren oder als Kommentare in den Blogs die Autoren so unterhalten, aber auch als Mail direkt an den Betreffenden.
Also sagt uns bitte was euch missfallen hat, aber auch was euch gefallen hat. Danke.