[Historie] Knaurs Buch der Rollenspiele

In den späten 80ern kam keine Grabbelkiste ohne mindeste eine Kopie dieses Buches für 2 Mark aus – heute ist es wirklich schwer zu finden…

In einem gewagten Midgard-DSA-Doppel haben sich Jürgen Franke und Werner Fuchs zusammengetan, um die deutschsprachige Rollenspielszene im Jahr 1985 zu beschreiben. Ich habe das kleine Taschenbuch damals geliebt und zücke es auch jetzt noch in unregelmäßigen Abständen, aber sicherlich mindestens einmal pro Jahr.

Das Cover – (co) Knaur

In Kombination mit dem Verlag, der damals Das schwarze Auge herausgab, wird in diesem Buch sowohl erklärt, was ein Rollenspiel ist, als auch aufgezählt, was es an unterschiedlichen Systemen gibt, aber auch darauf eingegangen, was es an angrenzenden Gebieten gibt: Spielbücher, Computerspiele, Brettspiele oder Magazine

Die Rückseite – (co) Knaur

Hier werden einleitend drei Merkmale des Rollenspiels genannt, die ich nur kurz aufzähle – heute dürfte diese Definition kaum mehr greifen:

  • Jeder Spieler spielt für eine Spielfigur in der Spielwelt.
  • Er kann frei über das Verhalten entscheiden.
  • Es gibt kein festgelegtes Spielziel.

Ooookay! Ebenso schön wie stereotyp wird nun geschildert was Rollenspiel tut und wie ein Spielabend aussehen kann.

Anschließend gibt es ein wirklich umfangreiches Solo-Abenteuer, das vom simplen Regelmechanismus her etwas an den Einsamen Wolf erinnert, dessen Handlung aber gut zu einem DSA-Solo passen würde. „Mendrags Ruf“ klingt schon super und alleine für das kleine Abenteuer lohnt sich die Anschaffung des Buches.

Zauberstab – (co) Knaur

Auf Deutsch waren dem Buch (und meiner Erinnerung) zufolge erschienen: Das schwarze Auge, D&D, AD&D, Midgard, Schwerter und Dämonen (Tunnels & Trolls), Sternengarde, Traveller, Call of Cthulhu und RuneQuest. Zu allen Systemen gibt es einen wirklich guten erklärenden Artikel mit Listen wichtiger Produkte.

Anschließend gibt es einen kurzen Überblick über den internationalen Markt, bevor Karl-Georg Müller uns über Spielbücher informieren darf. Der gibt einen wirklich kenntnisreichen Rundumschlag über Fighting Fantasy, Einsamer Wolf bis hin zum Nibelungen-Spielbuch. Klasse!

Mendrags Ruf – (co) Knaur

Auch Jo Weigand hat augenscheinlich Ahnung von den thematisch naheliegenden Computerspielen. Er arbeitet sich durch Textabenteuer und Graphikabenteuer bis zu „fast schon Actionspielen“ wie Ultima II. Alles okay, bis auf den letzten Abschnitt. Hihi. Ein Visionär: „Letztendlich bleibt festzustellen, dass Computerrollenspiele, so anspruchsvoll und ausgereift sie schon sein mögen, in keinem Fall eine Konkurrenz zu einem Rollenspiel am Tisch mit Spielpartnern und einem guten Spielleiter darstellen können.“ In your Face, Skyrim!

Die Brettspiele sind auch eher eine Randnotiz, denn scheinbar gab es zu diesem Spiel im deutschsprachigen Raum kein einziges, alle vorgestellten sind auf Englisch: The Mystic Wood, Zargo’s Lords, Wizard’s Quest, The Fellowship of the Ring, Cosmic Encounter, Armageddon, Dune, Titan, Darkover und Magic Realm.

Das nächste Kapitel geht auf Sonstiges ein von Minis über Dungeon-Böden, den beiden deutschsprachigen Magazinen Spielwelt und Drache, sowie einigen englischsprachigen Publikationen.

Eine kleine Fundgrube für Historiker ist der Anhang, der dabei hilft, Mitspieler zu finden. Hier werden Kontaktgesuche in den beiden Magazinen genannt, Kontakte zu überregionalen Verbänden und das Besuchen von Spielertreffen.

Ist das Buch empfehlenswert? Hell, yeah! Wenn ihr irgendwo darüber stolpert, schlagt zu ohne eine Sekunde darüber nachzudenken!

9 Gedanken zu „[Historie] Knaurs Buch der Rollenspiele“

  1. Das habe ich auch schon seit Jahrzehnten im Schrank! Ein großartiger Schatz (wobei meine letzten Versuche, das Solo zu bestehen wahrscheinlich 25 Jahre her sind und ich gnadenlos scheiterte :-)).

  2. Ein wahrer Klassiker, danke, dass Du ihn noch einmal ins kollektive Gedächtnis rufst.
    Diverse Details sind aus heutiger Sicht besonders putzig: So wird DSA noch als der Jungspund unter den deutschen Rollenspielen beschrieben, auf das die alte Garde wie Midgard (auch gerade einmal drei Jahre älter) etwas herabblickt. Noch besser aber die Feststellung, dass von den Regelmechanismen her das Hobby eigentlich gesetzt ist und da keine großen Innovationen mehr zu erwarten sind…

  3. Holla Moritz! 🙂
    Na, dann ist das Buch ja gewiss auch eine gute Ergänzung zum Großen Buch der Fantasy-Rollenspiele (Hrsg. Ulrich Kaiser), das 1984 erschien und ziemlich ins selbe Horn stößt.

  4. Huhu!
    Sag doch mal:
    1. Wird irgendwo der DSA-Abenteuerwettbewerb von 1984/85 erwähnt? (ab Herbst 1985 sind Siegerabenteuer bei DSA veröffentlicht worden)
    2. Hat Eberhard von Staden dort mitgeschrieben? Evtl an der DSA-Vorstellung? (Angeblich gibt es dort eine Publikationsvorschau.)
    3. Schenkst Du mir Dein Exemplar?

    (Kontext: Mich treibt die Tatsache um, dass es bald nach Auftauchen von DSA einen Abenteuerwettbewerb gab, dessen Resonanz alles in den Schatten stellt, was bis heute an Wettbewerben stattgefunden hat. – Aber dieser Wettbewerb scheint völlig in Vergessenheit geraten zu sein.

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