[Sonntags-Interview] Klemens Franz (Illustrator: Agricola, Orléans)

Heute gibt es ein Schmankerl für Brettspielfreunde – aber wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellte, gibt es auch den einen oder anderen Bezug zum Rollenspiel. Ladies and gentlemen – ich präsentiere Klemens Franz! Wenn ihr Klemens antreffen wollt, schaut mal im Atelier vorbei.

1. Klemens – schildere doch mal bitte kurz deinen Weg ins Gesellschaftsspiel.
Wie alle Österreicher wurde ich durch DKT und MädN spieltechnisch sozialisiert. Dann kam irgendwann Civilisation (8 Stunden am Stück im Ferienlager), Battletech (Lieblingsmech nach wie vor: Archer) und Hero Quest (Zwerg) … und dann haben mich irgendwann die Konsolen erwischt und bis Mitte/Ende der 90er nicht mehr los lassen. Der Wiedereinstieg erfolgte ganz klassisch mit Siedler von Catan. Das war quasi wie Civ (Handel! Nur leider keine Seuchen), Battletech (Hex-Felder!) und Hero Quest (Würfelkämpfe, oder so) zugleich. Nur lieb. Und nett. Und kurzweilig.

2. Oha. Ich hatte gar nicht gewagt zu fragen, ob du auch Kontakt zu Rollenspielen hattest, aber Hero Quest lässt es immerhin vermuten. Ich gehe also für die Seifenkisten-Leser investigativ noch einen Schritt zurück: Was hältst du von Rollenspielen?
Gleiches Ferienlager. Gleiches Zimmer. DSA. Wir haben uns for Schiss fast angepinkelt (es war dunkel, wir lagen in unseren Betten und Vampire waren unterwegs). Und das spricht wohl für den Spielleiter.

3. Cool. Wenn ich bei Markus Plötz deinen Namen ins Spiel bringe, hättest du dann Lust, etwas für das aktuelle Schwarze Auge zu zeichnen? Oder kichert man als millionenschwerer Brettspielzeichner nur müde über die lumpigen Gagen im Rollenspielbereich?
Ähm, ich denke da passt mein Stil nicht so ganz. Toll wär es natürlich schon, da einmal über den tellerrand zu zeichnen, aber wie gesagt … das können andere sicher besser. Ich kichere selten. Das lässt jetzt vermutlich auch Rückschlüsse über die Bezahlung zu (die grundsätzlich aber schon in Ordnung geht – ich kann es hauptberuflich machen).

4. Alles klar. Ich habe natürlich sauber recherchiert, wie es meine Art ist, aber kannst du bitte mal den wenigen Seifenkistenlesern, die sich im Brettspielbereich nicht so gut auskennen, sagen, wo sie vielleicht schonmal über Illustrationen von dir gestolpert sind?
Ich illustrier seit ziemlich genau 10 Jahren vorrangig Spiele aus dem Vielspielerbereich. Das bekannteste ist sicher Agricola (gibt’s mittlerweile in glaub ich 15 Sprachen). Agricola ist eine Bauernhofsimulation im Mittelalter. Im letzten Jahr sehr erfolgreiche waren Mombasa und Orléans. Beides eher Schwergewichte. Insgesamt hab ich an zirka 150 Spielen mitgearbeitet (Grafik, Regellayout usw.) und die Hälfte davon auch illustriert.

…und noch eine Ergänzung zu den Rollenspielen: Ich hab im letzten Jahr mit unseren Kindern und einigen Schulkollegen eine Rollenspielrunde „light“ gegründet. Basis war tatsächlich Hero Quest, aber wir haben die Regeln nocheinmal runtergebrochen, um uns mehr auf die Geschichte bzw. aufs Improvisieren konzentrieren zu können … und sogar die opulenten 3D Pläne der alten DSA-Brettspiele finden endlich brauchbare Verwendung.

5. Ja, Agricola kann man schonmal gehört haben. (Kleine Anekdote am Rande: Ich nin immer noch beleidigt mit Agricola, weil ich mir die erste Edition gekauft habe und dachte, ich kapiere das locker-flockig, wo ich auch Rollenspielsysteme mit hunderten von Seiten problemlos verstehe, aber aus der Anleitung bin ich um’s Verrecken nicht schlau geworden – eine Art uralter Nemesis…) Aber zurück zu meinen Fragen: Orléans ist zufälligerweise gerade einer meiner Favoriten – kannst du mal von den Abläufen her kurz erklären, wie die Illus für ein solches Spiel entstehen?
Im Grunde muss ich da für jedes Spiel eine eigene Antwort geben. Bei Orléans war so, dass mir der Verlagschef gesagt hat: „Klemens, mach was mit diesen typischen Mittelalterillus, aber trotzdem typisch Klemens!“ Abgesehen davon hatte ich ziemlich freie Hand. Das ist aber nicht immer so.
Manche Verlage haben ganz klare Vorstellungen, andere sind eher flexibel. Die Illus selbst entstehen ittlerweile zu 100% am Rechner. Das macht vieles einfacher bzw. die Korrekturen schneller. Entwürfe können ganz unkompliziert an den Verlag geschickt werden. Dadurch ist die Arbeit nicht mehr so aus einem Guss wie früher, aber das brint eben auch die oben genannten Vorteile.
Ich mache es ganz gern so, dass ich mir ein (typisches) Element aus dem Spiel schappe und dieses einmal möglichst weit entwickle … wenn das rund ist, kann ich drumherum den Rest aufbauen

6. Okay, hört sich nicht sonderlich anders aus, als ich es aus dem Rollenspielbereich kenne. Gibt es irgendein Spiel, auf das du besonders stolz bist?
Aktuell würd ich Isle of Skye und Orléans nennen (meist ist es eines der letzten Spiele). Isle of Skye weil es einfach sehr rund und stimmig geworden ist. Da passt das Spiel, da passen die regeln und eben auch die Illus. Das gelingt nicht immer, aber hier haben wir eine echte Einheit. Und orléans weil ich den Mittelalter-Buchillu-Stil ganz großartig finde und es eben toll war, daran angeleht, was zu machen. Orléan hat aber vielen so gar nicht gefallen … dieser Stil liegt nicht jedem, aber Abwechslung tut immer gut.

7. Gibt es aktuelle Projekte über die du etwas plaudern kannst?
Ich bin in den letzten Wochen durchgehend an der Neuauflage zu Agricola gesessen. Einerseits hat der Autor die Karten überarbeitet und verfeinert … aber auch das Material haben wir nach knapp 10 Jahren schön auf Vordermann gebracht. Alles sollte etwas einfacher von der Hand gehen. Der Spielaufbau, das interpretieren der Karten(texte) und auch das Handlich während des Spiels. Und jetzt geht es gleich mit der Familienversion von Agricola los. Uwe Rosenberg hat das Kernspiel nocheinmal schön heruntergebrochen, um auch Gelegenheitsspielern einen tollen EInstieg zu geben. Naja und dann ist gerade ein neues Spiel von meiner Frau und mir erschienen: „Die Omama im Apfelbaum“ ein Kinderspiel zu einem (in Österreich sehr bekannten) Kinderbuch von Mira Lobe.  

8. Hmmmm… Da wird meine Tochter zu alt für sein. Aber eine Familienversion von Agricola könnte glatt etwas für mich sein. Aber um die Seifenkistenleser nochmal ins Boot zu holen: Warst du schon an Spielen mit Fantasy-Thematik beteiligt?
Hmmm … also ich durfte eine (der unbeliebtesten) Karten für Dominion illustrieren, falls das zählt. Davon abgesehen waren es eher typische Brettspiele mit leichtem Fantasythema an die ich ran durfte: „Caverna“ (Zwergenversion von Agricola), „Die Gnome von Zavandor“ (Aktienhandel) und „Die Minen von Zavandor“ (wieder Zwerge). Momentan sitze ich aber gerade an einem Spiel namens „Touria“ … da geht es um Zauberer, Feen und eine Prinzessin/Prinz in einem Turm. Das ist zwar näher bei klassischen Märchen als Fantasy … aber macht sehr viel Spaß beim Illustrieren. ich kann da schön mit diversen Klischees spielen. Aber es bleibt typisch freundlich. Farbenfroh und etwas comichaft.

 9. Wo siehst du die deutschsprachige Spieleszene in 10 Jahren?
Schwere Frage. Ich glaub, die starke Stellung wird nicht mehr so unumstritten sein. Das ist eine ganz normale Entwicklung, wenn ein Hobby plötzlich global wird und von unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich angepackt wird. Designer kommen aus vielen Ländern, Verlage ebenso. Wesentliche Impulse aus Design-Sicht nicht mehr nur aus dem deutschsprachigen Raum. Die „deutsche Schule“ ist aber etabliert und typische „German Games“ – nein, nicht Eurogames – werden auch von nicht-deutschsprachigen Autoren gemacht. Aber im Grunde muss man glaub ich eher fragen, wohin es mit den Spielen geht. Wird es in den nächsten 10 jahren machbar sein, auch im deutschsprachigen neue Spieler zu erreichen? Oder ist der Markt abgesteckt? Falls nein, wie erreichen wir diese Menschen? Das 212. Arbeitereinsetzspiel wird niemanden zum Hobby bringen. (Erzählerische) Experimente (wie etwa TIME Stories oder Pandemic Legacy) oder extrem leichte, aber wahnsinnig geniale und kommunikative Spiele (wie Codenames, Mafia de Cuba) hingegen schon. Unterm Strich wird die deutschsprachige Szene also auch in 10 Jahren tolle Spiele spielen.  

10. Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten. Zum Abschluss darfst du den der deutschen Sprache mächtigen Lesern noch etwas mit auf den Weg geben.
Das ist eine Fangfrage, oder? Falls nicht würd ich gern den Übergeek Wil Wheaton zitieren: „Don’t be a dick.“. Das hilft. Beim Spielen und im Leben.