[Sonntags-Interview] Matthias Nagy (Frosted Games – Bretterwisser Podcast)

Bei Facebook habe ich mir mal einen Besserwisser… … äh, Bretterwisser… geschnappt und Matthias Nagy 10 Fragen gestellt, die er auch ausführlich beantwortet hat – und das, obwohl er eher vom Brett- als vom Rollenspiel herkommt.
1. Matthias – schildere doch mal bitte kurz deinen Weg ins Spielen.
Als Kind fand ich Spiele schon spannend, aber meine Eltern haben nie mit mir welche gespielt. Sie hatten selber keinen Zugang dazu. Als ich dann mit 12 für ein Jahr in Göttingen gelebt habe, hatte ich eine Freundesgruppe mit der ich täglich Risiko und später Skat gepinselt habe. Bestimmt an die 5 bis 10 Partien pro Tag minimum. Des Weiteren kam ich mit den Einsamer Wolf Büchern in Berührung, welche ich dann soweit es geht verschlang.
Als ich wieder in Berlin war, fing dann in der neuen Schule das Rollenspielen an mit DSA. Auch davon war ich fasziniert und spielte das intensiv. Es ich mich versah spielten wir auch D&D und Midgard und GURPS und alles weitere mögliche. Rollenspiele hab es damals in Berlin (Von DSA abgesehen) aber nur in speziellen Läden und die hatten auch Brettspiele. Auf einmal spielten wir Asimov Star Traders, Talisman, Blood Bowl und natürlich ab Ende 93 auch Magic.
1994 kommen dann etliche spannende Brettspiele dazu, weil auf einmal auch richtig gute rauskamen. 1995 mit Catan war dann auch nichts mehr zu halten und meine Sammlung fing an auf eine viel zu große Menge anzusteigen.
Im Serious Games habe ich dann jede Woche einen Brettspielabend abgehalten, und auch wenn es den Laden seit inzwischen etlichen Jahren nicht mehr gibt, so gibt es den offenen Mittwoch doch seit 15 Jahren noch bei mir zu Hause.
Mit meiner Magic-Beschäftigung fand ich den Einstieg auch beruflich in das Feld indem ich erst als Volunteer für WotC und dann 2004 als Festangestellter für Upper Deck anfing zu arbeiten. Mit deren Untergang 2010 bin ich dann selbstständig geworden und habe seit dem für einige Firmen im TCG- und Brettspielbereich gearbeitet.

2. Bleiben wir doch mal zuerst seifenkistenthematisch im Bereich „Rollenspiele“. Ist das auch im Jahr 2016 noch ein Thema für dich?

Eindeutig ja, wenn auch in einem deutlich kleineren Umfang. Aber wie ein Pendel, das hin und her schwingt, ist jeder Teil meines Spiellebens mal intensiver und mal weniger.

Ich habe eine feste Rollenspielgruppe. Derzeit ist noch Midgard das aktuelle System. Aber einer in der Gruppe testet ab und zu mit uns D&D 5th Monster, und wir wollen eigentlich Numenera spielen, sobald es dann auf Deutsch draußen ist. Letztes Jahr haben wir noch sehr intensiv Dungeonslayers gespielt und so manches System möchte auch noch ab und zu gespielt werden.

Was wir aber nicht hinbekommen ist im Zeitrahmen selber uns was auszudenken. Wir arbeiten in erster Linie mit veröffentlichten Abenteuern und sind damit sehr glücklich, auch wenn unsere Spieler sehr unterschiedlich in ihrer Art sind und es daher manchmal zu Reibungspunkten kommt. Aber auf welche Rollenspielgruppe trifft das nicht zu?

Wir treffen uns theoretisch einmal die Woche, praktisch ist es eher so zweimal im Monat. Oft genug bin ich verreist, oder andere fallen weg, welche gerade wichtig für die Handlung sind. Dann trifft sich der Rest dennoch und spielt ein paar Brettspiele.

3. Perfekte Überleitung. Du bist ja eher im Bereich „Brettspiele“ verwurzelt. Deine „Karriere bis 2010 hast du da ja schon geschildert. Was war da in der jüngeren Vergangenheit los?
2013 ist mit dem Wegfall der WoW-TCG-Lizenz mein letztes betreutes TCG weggefallen und ich habe mich voll auf Brettspiele gestürzt. Mein Hauptarbeitgeber hat mich von 100% auf 20% Arbeitszeit runtergesetzt und ich habe angefangen mir was anderes zu suchen.
Ich habe unter anderem 2013 bei „What’s Your Game?“ angefangen. Dort habe ich ein Jahr lang geholfen an deren Marketing und Sales-Ende auszuhelfen und Lücken zu schließen. Gleichzeitig habe ich aber auch in intensiv in der Entwicklung mitgeholfen. Ich bin mitverantwortlich für einige Entscheidungen bei Madeira und ZhanGuo und bin sehr glücklich mit dem Ergebnis in diesen beiden Spielen.
Da ich aber durch Lösungsorientierung meine Hauptaufgabe überflüssig gemacht habe, hatte ich schon 2014 überlegt, selber auch was aufzubauen und habe selber einen Verlag gegründet mit einem Nischenprodukt: Dem Brettspiel-Adventskalender. Da mich die Verlage alle kannten, da ich seit 2010 schon als Blogger auch unterwegs war und seit 2013 als Podcaster, trauten sie mir auch alle zu, dass ich das hinbekomme. Daher bin ich besonders froh das liefern zu können.
In dem Bereich ist ein weiterer Adventskalender für dieses Jahr auf jeden Fall im Gespräch. Die Ergebnisse sehen auch sehr gut aus und dürften den beteiligten Verlagen sehr gut gefallen haben.
Schließlich helfe ich seit Oktober auch etwas bei eggertspiele aus und begutachte Spiele und betreue auch welche. Eine Arbeit, an der ich immer mehr Freude habe, denn das Schleifen eines Prototypen ist auch eine sehr erfüllende Erfahrung. Das ist vermutlich auch das Tollste an meinem Freiberufler-Leben. Die Abwechslung mit Bloggen, Podcasten, Sales, Marketing, Entwicklung, und vielen anderen Punkten habe ich das Gefühl, immer wieder was Neues zu machen und dennoch an allem, was mir Spaß macht, weiter machen zu können.
4. Ich kenne dich ja als Bretterwisser-Hörer der ersten Stunde vom Podcast her. Rühre doch da mal die Werbetrommel.
Gerne doch. Bretterwisser ist ein Projekt, das ich zusammen mit Arne Spillner und René Illger mache. Wir alle drei hatten Lust daran mit dem Audio-Format zu arbeiten und gerade im Brettspielbereich ist es ja komplett unterrepräsentiert, weil alles nur auf Video schaut. Im Rollenspielbereich passiert da mehr, was aber auch verständlich ist, denn das Reden und Zuhören sind Eigenschaften, die ja im Rollenspiel und im Kommunikationsspielbereich viel mehr gebraucht werden als bei den Spielen mit viel Plastik, wo die Haptik wichtig ist.

Aber uns ging es ja nur zweitrangig darum, über Spiele zu reden, sondern in erster Linie wollten wir journalistisch einen Blick auf die Szene zu werfen. Wir reden über Sachen, die spannend sind, die gerade diskutiert werden, oder die auch zeitlos sind und wo es Sachen zu diskutieren oder beleuchten gibt.Wir laden dafür auch gerne Gäste ein und schauen wie ihre Sicht ist und warum bestimmte Dinge sind wie sie sind, gerade, wenn wir die Fragen nicht selber so gut beantworten können.

Nach nun über zwei Jahren würde ich behaupten wollen, wir sind als Format etabliert und werden gerne gehört. Wir ergänzen uns vermutlich als Trio auch sehr gut. Arne ist der Familienspieler, dem es es nicht zu komplex sein darf, René ist der Spieler, dem es ruhig viele Regeln und viel Material sein darf und gerne auch sehr ausgefallen und ameritrashig. Ich bin da der solide Eurospieler, der zwar auch über seinen Horizont schauen kann, aber meist die Finger von zu leichten oder zu komplexen Dingen lässt.

Inzwischen gibt es einen wöchentlichen Wechsel zwischen unser festen Folge und einer Art Sonderfolge, welche einfach nur ein kurzer Blick auf Spiele darstellt, oder ein Interview unterwegs, oder auch einen Blick auf Kinderspiele. So sind wir jede Woche auf Sendung und versuchen alle Interessierten daran teilhaben zu lassen. Dabei lernt man uns und hoffentlich auch viele Spiele kennen.

Wer uns noch hören will, einfach auf www.bretterwisser.de gehen oder den Podcatcher nach uns durchsuchen. Auf der Webseite bringen Arne und ich noch zusätzlichen Inhalt in Form von weiteren Reviews, Kommentaren und schönen Bilderstrecken oder auch neuerdings einem zweimonatlichen Gewinnspiel.

5. Wow! Du hast gar nicht erwähnt, dass man auch auf Patreon unterstützen kann. Dann muss ich das wohl tun. Man kann euch auf Patreon unterstützen… Erzähl doch mal etwas zu dieser Möglichkeit. Du darfst gerne hemmungslos die Werbetrommel rühren.
Ich merke schon wie schlecht ich dabei bin.
Uns kann man tatsächlich bei Patreon unterstützen. Wir hatten angefangen mit dem üblichen, womit die Leute so arbeiten: Affiliate Links, Paypal-Spenden-Button, etc… Aber die Leute sind da immer irgendwie gehemmt. Flattr wurde etwas besser angenommen, aber alles zusammen brachte bei weitem nicht genug ein, um die steigenden Kosten für Server und Audioservice-Dienste zu bezahlen.

Schließlich haben wir uns im letzten April entschlossen, uns bei Patreon anzumelden und haben es nicht bereut. Die Leute mögen die Plattform, weil sie transparent ist und wir sind endlich in der Lage, nicht nur die laufenden Kosten, die stückweise steigen, aufzufangen, sondern auch etwas Geld ansammeln, um unsere Technik zu verbessern und uns praktisches Equipment zuzulegen.

Des weiteren haben wir sogar allen Unterstützern eine coole neue Postkarte zuschicken können, mit einer kleinen neuen Erweiterung zu Cacao. Das wollen wir gerne jedes Jahr wiederholen. Wer nun aber denkt, das reicht, was wir da bekommen, der hat noch nicht weit genug gedacht. Mit mehr Geld könnten wir viel mehr anbieten, als wir bisher unternommen haben. Auf diese Weise könnten wir mehr bieten. Sei es der Trip zu Veranstaltungen oder auch ein Stand in Essen. Optionen gibt es da viele. Wer uns also noch unterstützen will, kann das gerne auf www.patreon.com/bretterwisser machen.
6. Na geht doch, man muss dich nur zwingen, die britische Zurückhaltung aufzugeben. Und wo du schon dabei bist – erzähl doch mal bitte was zu deinem Verlag. Wie lief es bisher, was ist geplant…?
Bisher lief es sehr gut. Für das erste Jahr kann ich mich gar nicht beschweren. Das Highlight für Frosted Games in Form des Adventskalenders lief sehr gut und war schnell ausverkauft. Aber auch was am Rande passiert ist, war beeindruckend. Viele weitere Verlage haben Interesse bekundet mitzumachen, was mich natürlich sehr freut. Der nächste Adventskalender wird daher hoffentlich mindestens so gut.

Ich hatte noch einen Wandkalender mit Arne gemacht um für die Bretterwisser damit weiteren Support zu generieren. Aber trotz des, wie ich finde, geringen Preises ist es nicht so gut gelaufen. Ich vermute, die Leute sind nicht so sehr an solchen Produkten interessiert. Mal sehen was wir da nächstes Mal anders machen.

Schließlich war da noch Harbour, welches gutes Feedback erhalten hat und sich über das Jahr hinweg gut verkaufen sollte. Ein Blick auf das kleine Spiel kann ich als Verleger natürlich nur empfehlen. Wer allerdings auf die Spiele der Tiny Epic-Serie steht, hat hier vom selben Autor ein schönes Workerplacementspiel mit einem coolen Kniff.

Derzeit sitze ich an den Grafiken für Undercover. Einem Familienspiel mit Memo-Deduktions-Elementen, was es für Familien peferkt macht, da es Kinder durch ihre Merkfähigkeit mit den Erwachsenen mit Deduktionsmöglichkeiten auf ein Niveau bringt. Ich hoffe das bis Ostern auf dem Markt zu haben, aber es könnte auch später werden. Da gibt es ja eigentlich nichts, was mich hetzt.

Ansonsten arbeite ich natürlich mit Hochdruck daran, viele Verlage für den nächsten Adventskalender zu nerven. Denn Essen kommt schneller als man glaubt. Und ein anderes kleines Projekt ist auch noch in der Mache, zu welchem ich aber gerade noch nichts sagen möchte. 

 
7. Was muss man tun, um sein Spiel bei dir unterzubringen?
Das ist gar nicht so einfach, weil ich ja eigentlich gar kein Voll-Verlag sein will. Dass ich auch gerne Spiele mache, ist halt ein Vorteil, aber ich habe gar nicht das Bedürfnis, alles zu machen. Wenn ich allerdings von einer Idee überzeugt bin, dann könnte es auch schwer sein, ein Spiel abzulehnen. Am liebsten Sachen, die sich in kleinen Schachteln unterbringen lassen.
Aber ich schaue mir jedes Spiel an, das man mir vorstellt und ich würde auch immer Feedback geben, was mir gefallen hat und was nicht. Wichtig wäre aber für mich, nicht einfach was zugeschickt zu bekommen. Ich schaue mir gerne ein Spiel an, wenn ich unterwegs bin, in Nürnberg, Essen, Göttingen, Haar, Herne, Cannes, oder auf einer der vielen anderen Veranstaltungen. Für angehende Autoren hat das auch den Vorteil, dass dort andere Redakteure sind, die sich das Spiel dann bestimmt auch gerne ansehen.

8. Also ein Exposé an deine Mail-Adresse wäre kein gangbarer Weg?
Naja, Ja und Nein. Ich habe in meinem Leben zu viele Spiele gespielt wo ich nach dem Lesen der Regeln keine Ahnung hatte ob das Spiel gut oder schlecht ist. Ich bin immer wieder fasziniert, dass andere das schaffen und kann es mir nur schwer bis gar nicht vorstellen. Ich hatte Spiele, deren Anleitungen mir sehr gefallen haben, und beim Spielen kam dann gar keine Stimmung auf, oder Spiele wo ich dachte, das kann nie funktionieren und wir haben sie dann geliebt.
Im persönlichen Gespräch kann mich ein Autor viel besser darauf stoßen, was ihm wichtig ist, worauf ich zu achten habe und wie sich dieses Merkmal am besten misst. Auch wäre es da möglich für mich auszuloten, wie wichtig es dem Autor wäre, sich von Kleinigkeiten zu trennen, falls ich einen Vorschlag mache, Sachen zu streichen.
Schließlich wäre der Autor auch gleich mit einer Info bedient, wie ich zu dem Spiel stehe. Nichts ist schwerer als sich durch die e-mails zu arbeiten, und gerade per e-mail eingesandte Sachen bleiben viel zu lange liegen. Das wäre auch oft nicht fair den Autoren gegenüber.
9. Alles klar. Aber wo ich dich schonmal hier habe muss ich einfach mal jemanden aus der Szene danach fragen: Für wie relevant hältst du den Preis „Spiel des Jahres“?
Die Frage ist falsch gestellt. Ich finde, es gibt sehr viele Preise, die ich wichtig finde, und die der Szene gut tun. Aber relevant ist nur und einzig und allein Spiel des Jahres.
Die Relevanz lässt sich auf vielen Ebenen messen. Der wichtigste ist jedoch, es ist der einzige Spielepreis in der Welt, der wirtschaftlich eine Bedeutung hat. Der Gewinner kann mit einer deutlichen Steigerung seiner Verkaufszahlen rechnen. Und das liegt nicht daran, weil dieser Preis das von alleine mit sich bringt, sondern weil er seit über 35 Jahren mit deutlicher Arbeit auch nach draußen zu den Nicht-Spielern geht.
Wer keine Ahnung von Spielen hat und zu seinem Händler geht, weiß, dass er ein Spiel mit dem Pöppel einfach kaufen kann und ein gutes Spiel erwischt. Inzwischen wird auch immer mehr Energie darauf verwendet, dafür zu sorgen, dass auch die nominierten Spiele dieses Glück teilen können, und wenn ich von Freunden gefragt werde, die selber selten bis nie spielen, dann merke ich wie problemlos es ist, den Leuten einfach diese Spiele zu empfehlen. Und wenn ich weiß, dass die Person einer bestimmte Art von Spielen bevorzugt, finde ich meist auch auf der Auswahlliste ein Spiel, das diesen Geschmack trifft.
Die Frage sollte doch sein, warum sind die anderen Preise nicht relevant? Und da wird deutlich, dass diese meist in der eigenen Suppe kochen. Wenn auf BGG die Vielspieler abstimmen, dann kommen da nur Vielspieler-Spiele raus. Wenn der Deutsche Spielepreis gut gewählt eine schöne Liste ergibt, ist das noch lange nicht hilfreich genug, dass es den Verlagen wert wäre, das Logo auf ihre Schachtel zu drucken. Natürlich kann ein Zug um Zug mit 30 Logos drauf gut ankommen, aber dem Kunden sagen 29 dieser Preise nichts und sie könnten ihm nicht egaler sein. Da wird mit Masse statt Klasse geworben.
Andere Länder könnten da gut nachhelfen und versuchen ihren landesspezifischen Preisen auch eine wirtschaftliche Bedeutung zukommen zu lassen, aber eine optimale Lösung wie das aussehen könnte hätte ich nicht. Theoretisch müsste Geld in die Hand genommen werden. Und das passiert nicht. Und so kennt man die Preise in der Szene aber das war es.
10. Jau, das ist im Rollenspielbereich ähnlich, nur auf noch niedrigerem Niveau. Vielen Dank für deine Zeit. Magst du noch ein paar Worte an das deutschsprachige Spielevolk richten?
Nun könnte man nach diesen gefühlten 5000 Wörtern sagen, ich bin kein Mann der vielen Worte. Daher erstmal danke, dass ich dir hier Rede und Antwort stehen durfte.
Das Motto sollte sein: Spielen, Spielen, Spielen, und immer Spaß haben. Und dazu gehört auch: Sei fair, und sei kein Arsch. Jeder wünscht sich die angenehmsten Spieler an seinem Tisch und wer da mit Vorbild rangeht, kann auch für alle anderen ein toller Mitspieler sein.