[Rezension] Mouse Guard – Balduin der Tapfere (Comic)

Ich stehe ja seit einiger Zeit im Cross Cult-Presseverteiler und so geraten manchmal etwas obskurere und nicht direkt rollenspielspezifische Artikel in meine gierigen Grabschhände. Wobei ich zu Mouseguard eine kurze und traurige Anekdote berichten kann. Ich war im BEsitz der großartigen Rollenspiel-Box und es kam vor etwa zwei Jahren der Zeitpunkt, an dem das Teil fürchterlich gesucht wurde und regelmäßig knapp unter 100 Euro bei eBay über die virtuelle Theke ging. Ich dachte also, dass ich mich gut von dem Stück trennen könnte da ich nur (ich glaube) 44,90 oder so bezahlt hatte. Das wäre ein amtlicher Reingewinn, den man sonst nur bei Drogen Waffen oder mit Menschenhandel erreichen kann. Ich stellte die tolle und absolut neuwertige Box schweren Herzens bei diesem großen Auktionshaus ein und…
… erzielte heldenhafte 33 Euro. Das war das wenig ruhmreiche Karriere meiner Mouse Guard-Rollenspiel-Historie. Lasst uns also hoffen, dass ich mit den Comics Spaß haben werde – ich verkaufe Rezi-Exemplare ja ohnehin nicht, aber hier bin ich ein gebranntes Kind und würde es schonmal gar nicht tun.
Drückt mir also die Daumen, dass die Reihe gut ist und ich sie ohne schlechtes Gewissen in mein Regal stellen kann.
Das Cover – (Co) Cross Cult
Produkt: Mouseguard: Balduin der Tapfere und andere Geschichten
Autor: David Petersen
Verlag: Cross Cult
Aufmachung: gebunden, vollfarbig, 72 Seiten
Erscheinungsjahr: Oktober 2015
Preis: 16,95€
ISBN: 978-3-864-256868
Gestaltung
Oha, mit einem Comic habe ich endlich nochmal ein Produkt vorliegen, wo dir Abteilung „Gestaltung“ mindestens ebenso lang sein dürfte wie der „Inhalt“.
Petersen hat einen Stil, der mir vorkommt wie diese Bilder, wo man, je nachdem, wie man draufblickt, entweder eine Vase oder zwei Frauen, die sich anblicken, sieht. Manchmal, wenn ich eine Seite aufschlage, denke ich sofort: „kindgerecht“, ein anderes Mal denke ich „viel zu düster für Kinder!“ So können die Mäuse mal schuckelig und mal düster und Furcht erregend aussehen, was vermutlich einmal am Stil und zum anderen der braun-sepia-dominierten Koloration geschuldet sein dürfte, die übrigens einen sehr starken Wiedererkennungswert hat. Mir gefällt das ausgezeichnet und ich bin sicher, dass dieser sehr spezielle Stil einen großen Teil zum Erfolg der Serie beiträgt.
Inhalt
Die zweite Komponente besagten Erfolgs sind die sehr universellen Geschichten, die existenzielle Dinge ansprechen, allgemein anerkannte Wahrheiten, denen jeder nur zustimmen kann.
Dieser Band hat sich auf die Fahnen geschrieben, in sechs Geschichten Hintergründe zu etablierten „Helden“ der Reihe zu erzählen, Geschichten aus ihrer Vergangenheit, die ihre Weltanschauung geprägt und zu den Mäusen gemacht haben, die sie heute sind:
– Der weise Weber
– Balduin der Tapfere
– Thane & Ilsa
– Seyan zu Diensten
– Das Axt-Trio
– Hinfort, oh Tag
Alle Geschichten erzählen Geschichten vom Kleinen, der mit Hilfe von List dem Großen ein Schnippchen schlägt – vielleicht manchmal unnötig „endgültig“, damit es wirklich kindgerecht ist. Auch finde ich geht so etwas von der Moral verloren, wenn man im Endeffekt doch immer über die Leichen seiner Feinde stolziert, sie aber „nur“  mit Hilfe von Intelligenz besiegt hat und nicht mit roher Gewalt.
Im Endeffekt ist es dann auch mit der List nicht so richtig weit her, denn das Schema unterscheidet sich nur in Feinheiten: Der Weber besiegt Schlange, Habicht und Krabbe, indem er sie gegeneinander ausspielt, Balduin setzt auf die schiere Masse der Mäuse-Community, um den Wolf zu „besiegen“ und das Axt-Trio besiegt alles durch Teamwork und indem sich jede der Mäusedamen auf ihre Stärken besinnt. Etwas aus dem Rahmen fällt vor allem „Thane und Ilsa“, wo es einfach nur um die Kraft der Liebe geht. Schööööön! Das ist eine Super-Geschichte für Heranwachsende. Auch nicht in das typische Raster passt die Geschichte von Seyan, in der sich der Torwächter zwischen Ragnier dem Mäuse-Helden und Alma der Köchin entscheiden muss. Sehr schön, dass auch hier nicht die offensichtliche Wahl getroffen wird, nachdem die vorhergehenden Taten der beiden auf die Waagschale gelegt werden.
Und die abschließende Geschichte „Hinfort, oh Tag“, ist einfach eine schöne Gutenachtgeschichte, die etwas aussieht, wie ein Mäuse-Teppich von Bayeux, damit hat man bei mir sowieso direkt einen Stein im Brett.
Fazit
Wirklich putzig. Ich mag diesen Zeichenstil, der gleichermaßen schnuffig und düster ist. Dazu werden einfach schöne Geschichten erzählt, die altersunabhängig funktionieren – zumindest gefallen sie mir altem Sack und ich kann mir vorstellen, dass sie auch für Kinder ab 5 oder 6 Jahren gut zu verstehen und zu überblicken sein dürften. Das ist definitv eine Reihe, die ich im Auge behalten werde.
Bewertung
4 von 5 charakteristische Mäuse