[Rezi] In den Fängen der Seehexe

Auf der SPIEL in Essen habe ich ein paar Bücher in meinem Rucksack nach Hause tragen können. Eines
davon habe ich mir direkt mal gestern abend zur Brust genommen – Spielbücher sind ja immer eine schöne „Zwischendurch-Geschichte“. Und gerade dieses hier ist von der Komplexität her netterweise am unteren Rand angesiedelt und man kann wirklich sofort loslegen, ohne ein Spielebuch-Abitur ablegen zu müssen.
Wenn ich mich nicht irre, gibt es die Spielbuch-Reihe „Die Welt der 1000 Abenteuer“ schon, ich meine irgendwie Schneider damit in Verbindung zu bringen. Mist, jetzt habe ich ganz vergessen in Essen den Herrn Verlagschef zu fragen was es mit dem Wechsel auf sich hat und was für die Reihe noch geplant ist.
Produkt: In den Fängen der Seehexe
Autor: Jens Schumacher
Verlag: Mantikore
Seiten: 23 Seiten plus 300 Spiel-Abschnitte
Erscheinungsjahr: 2014
Preis: 9,95€
ISBN: 978-3-939212-74-4
Gestaltung:
Schick gemacht. Irgendwie hat man es geschafft schon von außen das Aussehen der Schneider-Bücher beizubehalten, aber auch irgendwie dezent den etwas „erwachseneren“ Mantikore-Stempel aufzudrücken. Also gibt es „von außen“ her nix zu bekritteln – und von innen schonmal gar nicht. Die Sprache ist angenehm „ungestelzt“, es gibt keine nennenswerten „echten Fehler“, die Regeln sind schön schnell geschildert und übersteigen nicht meinen Horizont. Astrein. Auf den ersten Blick genau passend für Teens und „junge Leser“ (TM)
Ach ja – dass der Name Weltklasse ist und mehr als nur einen Hauch von Jackson/Livingstone verbreitet, muss ich wohl gar nicht erst erwähnen, oder?
Inhalt:
Okay, auf 14 Seiten gibt es Regeln, Abenteuerblatt, Kampftabelle und eien Seite mit Schicksalsrunen. Die Regeln sind easy. In Kämpfen muss man zuerst in der obersten Zeile eine Koordinate wählen, um dann auf der Kampftabelle festzustellen, ob man den Gegner getötet hat, vom Gegner getötet wurde oder in die nächste Zeile weiterrutscht, wo es dann genau so weitergeht. Und hier habe ich natürlich meiner Rezensentenpflicht genüge getan und mal diese bei jedem Monster angegebenen Kampfblöcke gecheckt. Jede Zeile enthält 5 Wahlmöglichkeiten, wo eigentlich IMMER (mindestens) eine Koordinate dabei ist, wo ich sterbe, und es gibt höchstens eine, bei der ich meinen Gegner töte, manchmal sogar keine. Das heißt in manchen Zeilen geht es um das simple Überleben und die Hoffnung in der nächsten Zeile eine Siegkoordinate zu finden. Ich will jetzt gar nicht rumrechnen, aber über den Daumen gepeilt habe ich statistisch gesehen etwa 5 Kamfrunden (oder Kämpfe) bis mich Adam Riese umbringt. Das ist wirklich hammerhart, zumal mir keine Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Chancen in meine Richtung zu optimieren. Das Kampfsystem ist also genial einfach, aber absolut tödlich.
Der andere im Spiel verwendete Mechanismus besteht aus dem Schicksalsrunen, die ich zufällig (durch blindes Drauftippen mit dem Stift) bestimme und dann im Text nachsehe, was diese Rune für Auswirkungen hat. Wie schon beim Kampf sind auch dieses Schicksalsenteidungen sehr oft mit einem direkt und unausweichlich tödlichen Ende verbunden. Knüppelhart, Alder!
Im Anschluss finde ich einen neunseitigen Introtext, der in die 300 Spielabschnitte überleitet. Die Handlung ist ebenso schnell erklärt wie klassisch. Die böse Schwarzmagierin Stormothra hat Sallina, die Tochter des guten Königs Chaldur, entführt und natürlich sind wieder alle im gesamten Inselkönigreich unfähig und ich muss einspringen. Logo, so geht es mir, wo auch immer ich hinkomme…
Das eigentliche Abenteuer ist wirklich interessant und spielt sich super (wenn es nicht so unfassbar tödlich wäre und ich – natürlich rein zu Rezensionszwecken – etwa 3709375257025 Male meinen Tod hätte durch Betrug umgehen müssen).
Was ich in Spielbüchern gleichermaßen liebe wie hasse, sind Rätsel. Hier gibt es sowohl Rätsel für das Auge, als auch solche für das Gehirn (wie auch solche, die man nur lösen kann, wenn man vorher etwas Bestimmtes getan hat oder einen bestimmten Gegenstand eingesammelt hat).
Als besonders Schmankerl und Anzeichen der unfassbaren Bosheit des Autors habe ich dann eine „Endlosschleife des Todes“ gegen Ende festgestellt, aber zu der möchte ich nichts verraten, die soll doch bitte jeder selber entdecken. (Geile Sache, Jens! Sowas finde ich grandios!)
Fazit:
Schönes Teil als „Snack für Zwischendurch“. Wobei ich persönlich mich frage, wer genau die Zielgruppe des Teils ist, von den Namen, der Handlung und der Sprache her würde ich auf ein eher jugendliches Zielpublikum tippen, aber das Gerät ist so unfassbar bockschwer, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass mehr als 0,0000005% der deutschsprachigen Jugendlichen das Abenteuer bis zum Ende durchspielen. Die Tendenz zum an die Wand schmeißen dürfte da deutlich höher sein. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich sowohl die Kämpfe als auch die Runen-Schicksalsentscheidungen als auch die Handlung (was wird wo warum benötigt, um was zu schaffen) einen guten Tacken entschärfen, um meiner Zielgruppe auch hier etwas entgegen zu kommen. (Wobei auch Spielbuch-Veteranen wie ich das Ding wohl kaum ohne zu pfuschen durchspielen werden…)
Noch kürzeres Fazit für ganz Lesefaule: Ein tolles, aber sauschweres – sprich: herausforderndes – Spielbuch! Da macht man für knapp 10 Euro nix falsch und kann es auch jüngeren Fantasy-Interessierten in die Hand drücken.
Bewertung:
3 von 5 tödliche Schicksalsrunen