[Rezension] Sea Dracula – Das Tier-Anwälte-Tanz-Rollenspiel

Verdammte Axt. Nie hatte ich ein Rezensionsexemplar in dermaßen kurzer Zeit komplett und konzentriert gelesen und benötigte danach dermaßen lange, um mir eine Meinung darüber zu bilden und etwas zu virtuellem Papier zu bringen wie im Fall von Sea Dracula…
Produkt: Sea Dracula
Autor: Jake Richmond – (Übersetzung: Adrian Praetorius, Franz Janson, Nicole Heinrichs)
Verlag: Uhrwerk
Seiten: 0 (Hardcover)
Erscheinungsjahr: 2014
Preis: 9,95€
ISBN: 9-783942-012850
Aufmachung und Co:
Der eine oder andere wird oben bei den harten Fakten schon bei der Angabe der Seitenzahl gestutzt haben – das stimmt aber genau so, denn wir haben es bei Sea Dracula mit einem fetten Hardcoverumschlag zu tun, der leeeer ist. Die Regeln stehen komplett auf den beiden Innenseiten des Umschlages (und bilden in Kombination mit dem Eid des Sea Dracula auf der Rückseite sämtliche zum Spielen benötigte Regeln).
Was die Illus angeht, so habe ich persönlich – das ist aber reine Geschmackssache – ein minimales Problemchen mit der Cover-Illu. Denn die ist zwar geil, aber – da von Florian Stitz – viel zu professionell und zu wenig comichaft. Das passt für mich persönlich Jack Richmonds Gekrakel im Innenteil und auf der Rückseite irgendwie besser. Aber ich denke mal, dass der Uhrwerk-Verlag einfach ein „Mehr“ gegenüber der Originalversion bieten wollte und das soll ihnen unbenommen sein. (Wie gesagt: Totale Geschmackssache – auch die Anwälte auf der Vorderseite weisen ja in ihrer Ernsthaftigkeit etwas durchaus Humoriges auf.) Apropos „Mehr“. Was mir ausgezeichnet gefällt, ist, dass die Übersetzer (und ja, es waren scheinbar drei Personen nötig, um dieses monumentale Werk ins Deutsche zu übertragen) nicht nur den Humor des Originals gut transportiert haben und es alleine schon Spaß macht, die Regeln zu lesen – nein, sie sind sogar noch einen Schritt weitergegangen und haben ihn an „unsere deutschsprachige Welt“ angepasst. So gibt es nun beispielsweise bei den Testimonials auf der Rückseite neben Aussagen von Fred Hicks und Jason Morningstar auch noch einen gewissen „P. Mertesacker“, der selbstverständlich auch etwas zu diesem scheinbar grandiosen Spiel beizutragen hat. Auch im Text stößt man immer wieder auf Anpassungen – so bin ich zum Beispiel recht sicher, dass im Original unter den Beispielen für gute Anwaltsnamen NICHT „Orang Utan Klaus“ steht. Auch der „Eid des Sea Dracula“ wurde zu schätzungsweise 80% in ein deutsches Mindset übertragen und ich kann nur sagen, dass ich mich tierisch (im wahrsten Sinne des Wortes) darauf freue, ihn erstmalig mit großem Ernst und feierlicher Stimme vorzutragen…
Sehr schön.
Inhalt:
Was geht ab bei Sea Dracula? Geht es um Blutsauger auf hoher See? Um Die kleinen Krebsmenschen aus den Yps-Heften? Neeeeeein – der Untertitel verrät es bereits. Die Spieler mimen Tieranwälte, die sich in 4 Akten durch komplizierte Rechtsfälle tanzen und dabei möglichst viele „Anwaltspunkte“ abgreifen, denn wer am Ende die meisten Anwaltspunkte gesammelt hat, ist der Sieger und hat den Fall zu seinen Gunsten entschieden.
Es fällt schwer, bei einem so kurzen Spiel die Regeln zu umreißen, ohne sie komplett beschrieben zu haben, daher erwähne ich kurz die vier Akte: Tatort – Eröffnungsplädoyer – Gerichtsverhandlung – Geschworene. Fertig. Wichtigstes Regelelement ist eigentlich, dass, immer wenn jemand gegen eine meiner Entscheidungen Widerspruch erhebt, ich tanzen muss, um mich und meinen Standpunkt durchzusetzen. Regeltechnisch clever ist hier, dass ein solcher Widerspruch für den Widersprechenden keine Konsequenzen hat – somit dürfte eigentlich permanent widersprochen und getanzt werden. Während der Gerichtsverhandlung wird aber nicht nur strikt verhandelt, weit gefehlt! In dieser Phase kann man auch eine Party ausrufen, bei der jeder, der mittanzt einen Anwaltspunkt erhält, oder ein Monster bekämpfen, wo man zwar etliche epische Tänze in Folge rausrocken muss, aber auch die Chance hat, jedem einzelnen Gegner einen Anwaltspunkt abzuziehen.
Ihr merkt es schon, das Ganze ist nicht so ganz bierernst, vermutlich dürften auch Alkohol oder andere berauschende Substanzen eine große Hilfe dabei sein, diesem Spiel noch mehr abgewinnen können und die „Bravo Hits 72“ oder „Die besten Tanzstundenhits 1987“ würde ich auch noch jedem ans Herz legen wollen, um maximalen Spaß aus dem Spiel zu ziehen.
Mit einem hat der Uhrwerk Verlag aber recht. Ihr Slogan „Das beste Rollenspiel aller Zeiten“ passt zu Sea Dracula in etwas so gut wie „Die beste Band der Welt“ zu den Ärzten – beide würde ich in ihrem jeweiligen Kontext ungesehen unterschreiben.
Kommen wir aber zum Schluss, bevor der Besprechungstext länger wird, als das komplette Rollenspielsystem – Ladies und Gentleman, ich tanze mich vor zum…
Fazit:
Völlig balla-balla, aber ich werde es definitiv so schnell wie möglich spielen. Mal sehen, was meine klassische Labyrinth Lord-Runde am nächsten Dienstag zu dem Vorschlag sagt…
Wer ein „Rollenspiel“ erwartet, ist natürlich irgendwie schief gewickelt. Wie viele Indie-Spiele – denn Sea Dracula ist ein absolut typisches Indie-Nischenspiel – handelt es sich mehr um ein Erzähl-Spiel (hier sogar noch eher: Erzähl-Tanz-Spiel). Wer also nicht damit rechnet, seinen Charakter erstellen und ausbauen zu können, sondern der mit der Prämisse ins Spiel geht, sich in einen Tieranwalt in einem völlig wanhsinnigen Rechtssystem hineinzuversetzen, spontan viel Unsinn zu labern und zwischendurch die eine oder andere krasse Sohle über’s Parkett zu jagen, gerne auch mal zu zweit oder in der ganzen Gruppe, der wird ganz sicher seinen Spaß haben.
Bewertung:
5 von 5 tanzende Splittermond-Supporter

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