Splittermond – was zum Henker …?

Tja, eigentlich war ich gerade dabei eine Rezi zum zur FeenCon vorab erschienenen Abenteuer „Der Fluch der Hexenkönigin“ zu verfassen, als mir auffiel, dass der Intro-Blurb, den ich geschrieben hatte, etwas ausgewalzt und mit noch mehr Fleisch aufgepäppelt ein durchaus respektabler eigenständiger Artikel sein könnte.
ACHTUNG! Wall of text ahead!
Okay – Was ist das also, dieses Splittermond?
Die Kurzantwort ist wohl: „Ein 2013/2014 erstmals erschienenes klassisches Fantasy-Rollenspiel vom Uhrwerk-Verlag“
Okay, damit kann man schonmal arbeiten, aber so richtig genau ist der Leser immer noch nicht informiert.
Vorab sei vielleicht noch zusätzlich erwähnt, dass ich zum Uhrwerk-Verlag durchaus ein gutes Verhältnis habe und für einige Systeme schon für die Jungs und Mädels tätig geworden bin, aber mit Splittermond habe ich nicht das kleinste Bisschen zu tun (abgesehen davon, dass ich vorab über den Weltenband lesen durfte). Ich habe nix geschrieben, nix richtig lektoriert und keine Autoren beeinflusst…
Ganz düster erinnere ich mich noch an einen geheimnisvollen Launch des neuen Projekts, wo Redakteure und Autoren ein merkwürdiges Logo in ihre Facebook-Bilder gestrickt hatten und man eine sehr knappe und geheimnisvolle Homepage freischaltete – die ersten Kommentare gerade im Tanelorn-Forum waren da nicht sehr positiv und ich dachte schon die ganze Geschichte sei schon zu diesem frühen Zeitpunkt den Ehrentod gestorben… Dazu noch die Frage nach einer geschickten Abkürzung des Spiels – Aaaaaaaaargh!
Zur Entstehungsgeschichte von Splittermond sei zudem noch gesagt, dass das Regelwerk eigentlich schon lange erschienen sein sollte, der Verlag sich aber nach Feedbacks auf einen Schnellstarter dazu entschloss noch eine semiöffentliche Playtest-Phase einzuschieben, um das Regelwerk auf Herz und Nieren zu prüfen. Das war aber nur die Spitze des Eisbergs, denn man hatte als sich im Internet bewegender Rollenspieler zu jedem Zeitpunkt den Eindruck, dass man im Hause Uhrwerk ein offenes Ohr für die potentiellen Käufer hatte und es so noch einigen Recht machen konnte, ohne sich und sein eigenes System komplett zu verbiegen. (Warum der ähnlich lang laufende DSA 5 Betatest von Ulisses netzweit mehr Zunder bekam und deutlich schlechter wegkam, ist mir auf den ersten Blick nicht verständlich, wird aber vermutlich mit diversen Kommunikationsproblemen der Jahre 2011-??? zu tun haben sollte.)
So erschien also überraschenderweise der Weltenband vor dem Regelwerk (auch hier wäre bei anderen Systemen ein Sturm der Entrüstung über das Prjekt hereingeschlagen), was sich im Nachhinein als eine gute Lösung erwies, denn so konnte das gemeine Volk sich schon einmal einen Eindruck über den Hintergrund verschaffen, es konnten 2 Savage Worlds-Konversionen (von denen ich weiß) erstellt werden und es ergab sich die Chance auf diversen Plattformen im Netz wahrgenommen zu werden, ohne richtig Feuer unter dem Hintern zu bekommen, denn das endgültige System kannte ja außer den um die 100 Betatestern und den Redakteuren und Autoren niemand. Die Zeit kurz nach Erscheinen des ersten kostenlosen Beta-Schnellstarters war dann auch eine sehr spannende – überall ploppten Meinungen auf, sei es in Foren, Youtube-Videos, auf Google+, Blogs… Auch zu diesem Zeitpunkt sah es irgendwie düster aus und es wurde mir bange um Patric Götz und seine sympathische Horde – aber auch hier griff die freundliche Internet-Foren-Präsenz, die immer bereit war zu informieren, aber ebenso, neue Ideen und Kritikpunkte aufzugreifen und zumindest eine Änderung des derzeitigen Zustands zu erwägen.
So wurde dann der Weltenband auf der SPIEL 2013 richtig gut angenommen und man las kaum negative Stimmen. Die bewusste Entscheidung hier ein ganz bodenständiges Kitchen sink-Setting irgendwo zwischen Aventurien und Faerun zu präsentieren, scheint leider genau die richtige gewesen zu sein. Ich persönlich hätte ja gerne noch ein paar „strangere“ Elemente gesehen, aber vermutlich wäre das beim deutschen Mainstream-Publikum (und genau das soll ja scheinbar anvisiert werden) nicht gut angekommen.
Vielleicht sollte ich hier mal zurückgreifen und kurz auf die gewaltigen Anstrengungen eingehen, die der kleine (okay, für deutsche Rollenspielverhältnisse durchaus mittelgroße bis große) Verlag unternommen hat, um das gute Stück sinnvoll unter’s Volk zu bringen:
Alleine schon für die Redaktion sicherte man sich die Dienste einiger „Großer“ vor allem aus dem Hause DSA – als da wären im Weltenteam Uli Lindner (sehr beliebter Ex-DSA-Redakteur mit starker und freundlicher Online-Präsenz) Tobias „Tigger“ Hamelmann (vor allem als Shadowrun-Redakteur bekannt) und Thomas Römer (für viele mittlerweile das Synonym für DSA – allerdings rollenspielerisch viel breiter gebildet, als man es sich allgemein so vorstellt). Im Regelbereich federführend sind Chris Gosse (beliebter Ex-DSA-Redakteur und eher so der stille Planer im Hintergrund), Tilman Hakenberg (einer der interessanteren DSA-Autoren der jüngeren Vergangenheit) und Adrian Praetorius (DSA-Reglkoryphäe und insgesamt listiges Regelfüchslein).
Im Illustrationsbereich hat man sich für die ersten Bände mal direkt (unter anderem) Mia Steingräber, Melanie Maier und Caryad gesichert, die viele Innen-Illus beisteuern und für die Cover zeichnen Jon Hodgson und Florian Stitz verantwortlich, was irgendwo genau die Bandbreit kennzeichnet, die man abdeckt und wohl auch abdecken will. Von außen her sieht die ganze Kiste schwer nach Pathfinder (gemischt mit dem ikonischen und im Regal gut auszumachenden Babyblau) aus, während das Innere doch eindeutig DSAig daherkommt.
Kurz: Vom Aussehen her sind DSA, Pathfinder und Penaten in etwa die Bezugspunkte – und ich würde bisher behaupten, dass das Konzept bisher hervorragend aufgeht.
Bisher sind folgende Dinge erschienen: zwei Schnellstarter-Kurzregelwerke (davon eines zum GRT!!!) mit integrierten Abenteuern, Weltenband und Regelwerk (jeweils auch in limitierter Form), das Abenteuer „Türme im Eis„, das die Betatester geschenkt bekamen und alle anderen im verlagseigenen Shop online kaufen konnten, zwei einseitige Promoabenteuer (von denen ich weiß) und eben der Stein des Artikelanstoßes „Der Fluch der Hexenkönigin„. 
Die Schnellstarter konnte man sich sowieso schon auf der Homepage kostenlos herunterladen, aber Uhrwerk griffen zu einem Kniff, der auch schon bei Dungeonslayers und Malmsturm funktioniert hat: Auch das Regelwerk kann sich jeder gratis herunterladen und anschließend für sich feststellen, ob man sich noch das gedruckte Buch kaufen möchte oder nicht. Diese Entscheidung wurde im Internet stellenweise kritisiert, aber die breite masse fand doch eher lobende Worte und ich habe schon an vielen Stellen gelesen, dass jemand nach der Lektüre des PDFs auch noch das Buch „für’s Regal“ gekauft hat. Das, was ich bisher so aus geheimen, aber unfassbar verlässlichen Quellen gehört habe, zeigt aber an, dass die Verkaufszahlen gar nicht mal übel sind. Das Kalkül scheint aufzugehen.
Gut, das ist ja schonmal jede Menge Text – für den Rest des Artikels werde ich mich einfach mal drauf verlegen Fragen zu stellen und zu beantworten, die sich der tapfere Leser, der bis hierher durchgehalten hat, stellen mag: (Vielleicht kriege ich ja im Laufe der Woche einen Splittermond-Verantwortlichen dazu die Fragen ebenfalls zu beantworten – wäre sicher witzig die Unterschiede zu sehen.)
Wer könnte sich für Splittermond interessieren?
Ich habe es schon beim „Äußeren“ geschrieben – die Nische liegt bei absolut klassischer Fantasy irgendwo zwischen Pathfinder und DSA – und so werden sich (teilweise aich wegen der Autorennamen) viele DSAler zu Splittermond hingezogen fühlen, aber auch deutschsprachige Spieler, die sich zur Pathfinder-Ästhetik hingezogen fühlen, denen das Sytem und die Spielart aber irgendwie zu „undeutsch“ ist. Herrje, ich hoffe das kann man schreiben ohne total missverstanden zu werden. Ihr wisst schon – zu viel Kampf, zu wenig Hartwurst und Barbiespiel!
Wird es seine Nische im deutschen Markt finden?
Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher. Jau, SpliMo – oder auch SM, wie es seine Fans nicht nennen – wird sich schon in Kürze zum zweiten System im Lande aufschwingen und, wenn der Verlag keine zu großen Hacker raushaut, sich dort auch etablieren.
Wie sieht es mit mir als Seifenkistenleser aus? Ist das auch was für mich?
Nä, Finger weg! Es gibt Fertigkeiten!
Was wurde beim Launch von Splittermond richtig gemacht?
Das unverwechselbar verwechselbare Aussehen ist sehr geschickt gewählt. Man hat genau die richtigen Autoren gewählt, um sich seinen Kundenstamm heranzuziehen. (Vielleicht hätte man noch ein paar mehr Indie- oder Old-School-Autoren ins Team holen sollen.) Es war sehr klug die Internetgemeinde so mit einzubeziehen.
Herrschaftszeiten – irgendwie bin ich mit Struktur und Inhalt noch nicht so recht zufrieden. Das kommt mir selber alles sehr wirr vor. Ich bin also ziemlich sicher, dass es noch einen zweiten Artikel geben wird, oder eine brutale Überarbeitung von diesem hier. Ihr könnt gerne kommentieren, was das Zeug hält…

2 Gedanken zu „Splittermond – was zum Henker …?“

  1. "Warum der ähnlich lang laufende DSA 5 Betatest von Ulisses netzweit mehr Zunder bekam und deutlich schlechter wegkam, ist mir auf den ersten Blick nicht verständlich, wird aber vermutlich mit diversen Kommunikationsproblemen der Jahre 2011-??? zu tun haben sollte."

    –> Mitnichten. Der Grund ist schlicht, dass der SM-Betatest sehr gut war (die Autoren waren permanent im Forum aktiv und man konnte über alles diskutieren), während der von DSA5 – milde gesprochen – ziemlich schlecht ist. Er besteht darin, ein unfertiges, unvollständiges und anscheinend hinten und vorne noch nicht vernünftiges Regelwerk rauszuhauen, Kommentare dazu nur in einem anonymen Feedbackformular entgegenzunehmen und ansonsten bis auf wöchentliche, recht inhaltsleere "so ist's jetzt, und warum, wissen wir manchmal selber nicht so genau"-Werkstattberichte praktisch keinerlei Kommunikation (und vor allem: Diskussion) mit den "Beta-Testern" stattfindet. Weder geht man auf Feedback ein, das nicht über das offizielle Formular kommt (auch nicht etwa auf aufwendige Blogbeiträge), noch, angekündigterweise, liest man auch nur die Kommunikation über DSA5 im eigenen Forum (!) mit. Stattdessen gibt es einen einzigen Thread, der sich mit den WErkstattberichten befasst, in dem die Autoren angeblich aktiv sein sollen, der dadurch auch zur Müllhalde aller Grundsatzdiskussionen, absolut übersichtsfrei und fern jeder Diskussionsmöglichkeit wird. Ist diese "Beta-Test-Phase" zu ende, wird im stillen Kämmerlein entscheiden, was denn jetzt mit diesem Feedback passieren soll, und dann kommt nächstes Jahr das offizielle DSA5 raus. Das "DSA der Fans". Hier bittere Sarkasmus-Tags einfügen.

    TL;DR: Der SM-Betatest war vorbildlich, der DSA5-Betatest ist das katastrophale Gegenteil und verdient eigentlich den Namen nicht.

  2. Auch wenn das jetzt vielleicht den Beigeschmack von Eigenlob hat: Das von Andreas beschriebene Klima des Betatests hat auch auf die Tester durchgeschlagen. Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, an dem die Autoren / Moderatoren haetten durchgreifen muessen, eine einzige Diskussion ist mal kurz aus dem Ruder gelaufen, und kaum ein Forenbeitrag war laenger als unbedingt noetig, um die gewuenschte Information weiterzugeben.

    Das schreibt ein Sindar, der zwar Betatester war, aber leider sehr viel weinger beitragen konnte, als er eigentlich wollte (mangels eigener Spielgruppe).

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