Improvisieren? MY ASS!!!

„Ach! Ich meistere auch total frei. Ich habe mir für die Runde heute mittag ne kurze Story ausgedacht und wenn die Spieler was anderes machen, dann improvisiere ich einfach!“

Argh! Diese Aussage kräuselt mir auf so vielen Ebenen die Zehennägel hoch, dass es gegen sämtliche Kriegsgefangenen-Konventionen verstößt.
Schon wenn ich mir „ne Story ausgedacht“ habe, dann kann es doch mit dem „freien Meistern“ nicht so weit her sein, oder? Frei kann doch eigentlich wirklich nur eine Szene mit möglichst genau definierten Rahmenbedingungen sein. Und je mehr festgelegt ist, umso freier können sich die Helden in diesem Kontext bewegen, da der Meister für alle Eventualitäten gerüstet ist.
… und „dann improvisiere ich einfach“ hört sich auch gräuselig an. Das ist nicht „mein“ Improvisieren. Es mag zwar nach irgendeiner Definition „frei“ sein, wenn der Meister sich alles spontan aus den Fingern saugt, aber es ist leider ebenso beliebig.
Improvisation ist für mich das rasche gedankliche Verarbeiten von Spieler-Input in bestehende Gegebenheiten – dazu muss aber dann auch erstmal irgendwas gegeben sein.
… und ja – natürlich kann man so auch spielen, es macht unglaublich viel Spaß und ich muss toleranter sein! Ist ja schon gut. Diese „deutsche Rollenspielfreiheit“ nervt mich einfach wie die Sau!
Aber das musste mal raus. Jetzt bin ich wieder total entspannt und kann alle Spielarten des Rollenspiels tolerieren und akzeptieren.

12 Gedanken zu „Improvisieren? MY ASS!!!“

  1. Hehe. Das hört sich wie das Rezept für einen langweiligen Abend an. Gibt nicht viele, die damit einen spannenden Abend hinbekommen.

  2. Meine besten Spielabende als SL entstehen wenn ich mir etwa 20 Minuten Gedanken mache und 3-4 Stichpunkte aufschreibe. Alles darüber bremst mich nur. Höchstens mal ein cooles Handout, dass dann aber absichtlich sehr sehr schnell am Anfang verteilt wird, so dass ich noch hoffen kann, dass es dann Sinn bringt.

    Wenn ich das Feedback meiner Spieler so mitnehmen, sind das auch die Abende wo sie am zufriedensten sind.

  3. Dazu sage ich ganz klar:

    Spielerinput in bestehende Gegebenheiten? MY ASS!!!!

    Das habe ich schon vor Jahren (zu Weilandt-ARS-Zeiten) als Humbug entlarvt – sobald ich mal etwas genauer nachgefragt habe, kam dann doch heraus, dass solche SL oft eben doch nur aus dem Bauch entscheiden und dass viele Entscheidungen eben nicht durch den Kontext und die Vorbereitung bedingt sind.

    Wenn die Spieler den König beleidigen ist es bei diesen SL genauso wahrscheinlich dass der König sie in den Kerker werfen oder sie sofort exekutieren lässt, wie dass er einfach großmütig lacht und die Meinung von ein paar Bauern belächelt.

    Wenn sie in ein leeres Gebiet ziehen, dann gibt es da idR trotzdem irgendein Abenteuer zu erleben (im wesentlichen sind Zufallstabellen ja auch ein Werkzeug der Beliebigkeit – je genauer die Gegebenheiten festgelegt sind, desto nutzloser wird dieses Werkzeug).

    Mit einem leeren Blatt anzufangen muss auch nichts schlechtes sein in vielerlei Hinsicht ist es sogar fairer: während man nach und nach die Gegebenheiten festlegt, lernen die Spieler diese gleichzeitig kennen. Ist mir jedenfalls lieber, als ihnen gleich 200 Seiten Hintergrund auf die Füße fallen zu lassen, wenn sie etwas (aus Sicht dessen, der den Hintergrund geschrieben bzw. gelesen hat) "Dummes" machen.

  4. Amen, Bruder! Jeder Sandkasten braucht einen stabilen Rahmen, sonst muss man nachher eventuell nicht nur Sand sondern auch viele Scherben aufkehren…

    Und ein Spielleiter ist eben kein Alleinunterhalter, da kann sein Programm noch so aus dem Ärmel geschüttelt sein. Ob er ne Setlist hat oder sich eine auf der Bühne bastelt, er bleibt ein Entertainer vor Publikum.

  5. Hmmm… ganz habe ich die Intension dieses Blog-Beitrages anscheinend nicht verstanden:
    ist Improvisation nun gut oder schlecht.

    Ich habe als Spielleiter nämlich so meine Probleme mit der totalen Improvisation. Ich brauche zu meinem Plot einen Hintergrund, einen roten Faden und einige Eckdate, ansonsten könnte ich nämlich keinesfalls auf die Aktionen meiner Spieler reagieren.

    Ist das dann, wenn man auf eine Spieleraktion reagiert, nach dieser Blog-Definition schon Improvisation und ist das eine gute Improvisation oder eine schlechte Improvisation?

  6. Es gibt nur wenige SL, wo mir sowas Spaß machen würde und nur wenige Spiele, wo sowas Spaß macht 8Fiasko z.B.).

    Ansonsten fühle ich mich immer wohler, wenn meine Handlungen auch Konsequenzen haben – wenn der SL da seine Rahmenbedingungen kennt, kann er das besser umsetzen. Mag aber auch welche geben, die das auch improvisierend können. Aber dieses improvisierte Hinrailroaden, weil "Gefangennahme des SC" der nächste Punkt der internen Mindmap war, mähh, nix für mich.

  7. Wichtig ist es, mMn, die Motive und Modus Operandi der Gegenspieler der SC zu kennen, dann muß man nicht improvisieren, sondern kann logisch Schlußfolgern was die machen. Oh, und Würfel. 🙂

  8. Und wo bitte ist der Unterschied, ob "mal eben aus dem Bauch entschieden" wird (ohne den Kontext zu beachten) oder "mal eben was ausgewürfelt" wird (ohne den Kontext zu beachten)? Eben.

  9. Im Falle einer spontanen Entscheidung kann man ja schlicht gewichten. Statt 50-50 nimmt man dann 2-4 oder 1-5 (bei W6), je nachdem, wie man es einschätzt – sprich: Zufallstabellen /-entscheidungen können durchaus den Kontext beachten.

  10. Hallo Alexandro. Der Unterschied ist dies: Wenn du etwas zufällig auf einer Tabelle auswürfelst, entscheidest du weder beliebig aus dem Bauch heraus, noch beachtest du den Kontext nicht.

    Die Tabelle ist der Kontext. Im Normfall ist diese Tabelle auf die Bedingungen der Region/Örtlichkeit angepasst, sozusagen eine Bullet-Point-List der Dinge und Ereignisse, die für eine Region "typisch" sind.

    Die Monster sind ja weder zufällig noch beliebig auf die Liste geraten. Wenn dort Orks sind, bedeutet es, dass in der Region Orks entweder leben oder als Patrouille aus einer Nachbarregion (und einer Nachbartabelle) unterwegs sind.
    Wenn auf der Liste "Orks der Weißen Hand" und "Orks des Lidlosen Auges" stehen, dann ist damit mindestens ein Stammesunterschied, bestenfalls eine Rivalität impliziert.

    Das ist es, was Moritz mit "Improvisieren im Rahmen bestehender Gegebenheiten" meint.

  11. @GK:
    Wahrscheinlichkeiten =! Kontext

    @Mondbuchstaben:

    Das klingt mir nach einer nachträglichen Rechtfertigung des Tabelleneregebnis (es tauchen Orks auf, deswegen sind Orks in der Nähe), keine Beachtung des Kontext.

    Wenn der Kontext vorher feststeht, dann können die SC evtll. schon vorher Hinweise auf die Präsenz der Orks in der Spielwelt finden (Spuren, niedergebrannte Dörfer etc.). Wenn sie sich erst mit einem Zufallswurf in der Spielwelt "materialisieren", dann geht das nicht und macht die ganze Welt ein Stück weit beliebig und unglaubwürdig.

    Die Konsequenz wäre, auf Zufallstabellen zu verzichten. Oder die Ereignisse lange bevor sie eintreten auszuwürfeln, damit man sie vernünftig in den Kontext einbinden kann. Das ist im wesentlichen derselbe Ratschlag, den ich jeden SL gebe, der gerne improvisieren möchte: Ja, das geht. Aber nimm dir Zeit und "überfalle" deine Spieler nicht mit den improvisierten Entwicklungen.

    Improvisierte Entscheidungen sind ja auch nicht beliebig: wenn ich entscheide dass in der Region Orks unterwegs sind und diese Region zu Orks der Weißen Hand gehört, dann fließt das schon in meine Überlegungen ein. Auch wenn ich dann letztendlich Orks des Lidlosen Auges verwende, verändert die Tatsache dass diese in "Feindesland" unterwegs sind die gesamte Situation.

  12. Hallo Alexandro,

    aber das Vorhandensein der Orks in der Umgebung steht doch schon fest, seit sie auf der Liste stehen.

    Außerdem bedeutet ein erfolgreicher Begegnungswurf "51-55: 2w6 Orks" keineswegs, dass hinter dem nächsten Busch 2w6 Orks hervorspringen, nur weil die Würfel es so entschieden haben.

    Der SL wägt ab, wie plausibel es ist, das JETZT an genau DIESER Weggabelung/Pferdetränke/Brückenzollstation PLÖTZLICH Orks auftauchen, und was sie dort tun.

    Das Ergebnis kann auch bedeuten, dass die Charaktere "nur" die von dir bemängelten Anzeichen bemerken:

    * eine Rauchsäule in der Ferne, die sich als geplünderter Hof entpuppt (so die Charaktere nachsehen gehen, was sie keineswegs gezwungen sind)
    * die Zollstation ist verwaist, weil die Kassierer zur Sicherheit abgezogen wurden ("Seltsam, Fürst Radegund ist nicht für seine Freigiebigkeit bekannt, warum ist hier niemand?")
    * Flüchtlinge
    * ein mit Orkpfeilen gespickter Wandermönch im Straßengraben
    * oder ein Trupp Soldaten mit zwei gefangenen Orks im Schlepptau ("Nehmt euch in Acht, hier treibt eine ganze Rotte von denen ihr Unwesen – die hier nehmen wir mit nach Trutzburg, zum Verhör. Oder gibt es unter euch jemanden, der die schwarze Zunge versteht…?")

    Aus solchen zufälligen Würfen entsteht ein ganzes Netz an Situationen, die sich gegenseitig befruchten.

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