[Rezi] Soylent Green

Poah! Lange ist mir kein so kraftvoller Roman untergekommen! Zwar erinnere ich mich düster an den Charlton Heston-Film „Jahr 2022… die überleben wollen“ . eine düstere Utopie, in der der Clou ist, dass das Nahrungsmittel „Soylent Green“ aus Menschenfleisch besteht (Spoiler-Alarm! Haha! Zu spät!), aber exakte Szenen habe ich gar nicht mehr im Kopf und fürchte mich davor, den Film nochmal anzusehen, da dabei die Chance groß ist, dass er Großteile seiner „Magie“ verlieren wird.
Gut also, dass Mantikore den Roman „Make Room! Make Room!“ neu übersetzt und zur SPIEL in Essen rausgebracht haben.
Soylent Green
Autor: Harry Harrison (1966)
Übersetzer: Verena Hacker, Michael K. Iwoleit (2013)
Verlag: Mantikore Verlag
ISBN: 978-3-939212-36-2
Format: ca. A5 (ist es B5?!?), 312 Seiten
Preis: 13,95€
Wo kaufen? Natürlich direkt beim Verlag!
Ich nehme mal das Fazit vorweg. Saustark! Liest sich super (mit zwei kleinen Übersetzungshackern und dem üblichen Problem, wenn der Übersetzer auch gleichzeitig den Lektor gibt) und flüssig!
Die Handlung ist schnell umrissen. „Held“ der Geschichte ist der Cop Andy Rusch, der in einem Mordfall ermittelt, hinter dem die Politik mehr vermutet, als tatsächlich dahintersteckt. Weitere „Hauptrollen“ spielen der Mörder – Charlie, die Geliebte des Ermordeten – Shirl, ihr Leibwächer – Tab und der Mitbewohner des Cops – Sol.
Eigentlicher Star des Romans ist aber die Hintergrundwelt. Und die hat es wirklich in sich. Häppchen für Häppchen entfaltet sich vor dem Leser eine düstere Welt kurz vor dem Kollaps. Misswirtschaft mit den Ressourcen sowie eine fehlende Geburtenkontrolle haben dafür gesorgt, dass die Welt (und hier speziell die USA – beziehungsweise New York) scheinbar kurz vor dem Kollaps steht. Die Geschichte spielt im Jahr 1999 und alles strebt auf den Milleniumswechsel zu.
Neben der toll vorgestellten Welt hat Harrison auch sonst schriftstellerisch einiges zu bieten. Gerade im ersten Drittel des Romans wirkt die Handlung – aufgrund ihres Aufbaus – wie einer der klassischen Tarantino-Filme der 90er Jahre. Eine Person wird eingeführt, wandert (teils ziellos) durch die Welt, bloß um eine weitere Hauptperson zu treffen, die von hier ab den nächsten Teil der Handlung übernimmt und so weiter – bis sowohl Handlung, als auch Personen und erste Eindrücke der Welt etabliert sind. Respekt! Super gemacht, Harry!
Das zweite Drittel dient dann vor allem dazu, die Welt weiter vorzustellen mit Sol, als einer Art „Stimme der Vernunft“, der noch die Zeit vor der jetzigen erlebt hat und daraus andere Schlüsse gezogen hat, als die derzeit herrschenden Politiker. Je mehr man über die Welt erfährt, desto fürchterlicher und menschenfeindlicher kommt sie einem vor und man gerät tatsächlich ins Grübeln, ob wir nicht auf eine ähnliche Welt zusteuern könnten – die Tendenz einer massiven Überbevölkerung ist ja jetzt nicht gerade von der Hand zu weisen.
Mein einziger kleiner Kritikpunkt ist das doch sehr rapide Ende. Auf Seite 305 habe ich den Eindruck: „Jetzt kann es langsam losgehen! Geil“ Und dann ist auf Seite 312 auf einmal Schluss. Vielleicht war ich auch nur mal wieder zu blöd, um die Genialität zu erkennen, aber ich hätte da gerne eine etwas längere Auflösung gehabt.
Noch zwei witzige Details am Rande:
– Der obige Spoiler ist übrigens für den Roman völlig hinfällig – woraus SG besteht, wird im Roman nie explizit thematisiert.
– Das Buch entlässt uns mit einem Knaller: „VOLKSZÄHLUNG ERGIBT: 344 MILLIONEN BÜRGER IN DIESEN FANTASTISCHEN VEREINIGTEN STAATEN.“ Haha. Lächerlich! Wir stehen jetzt schon bei knapp 314 Millionen . Mal sehen, ob die nächsten 30 Millionen (endlich) zum Kollaps führen…

5 Gedanken zu „[Rezi] Soylent Green“

  1. In meiner "illustrierten Sonderausgabe" von 1992, unter dem Titel "New York 1999", sind es 544 Millionen Einwohner. Das passt schon besser zu dem geschilderten Szenario. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob das eine Änderung gegenüber dem Originals von 1966 (deutsch erstmals 1969) ist.

    So oder so, starkes Buch. Muss ich wieder lesen, auch wenn ich den Titel der Neuausgabe ein bisschen irreführend finde. Wird Soilent Green darin überhaupt namentlich erwähnt?

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