[Karneval] Helft den kleinen Schnauselbärchen!

Diesen Monat tue ich mich besonders schwer mit dem Blogger-Karnevalsthema, obwohl es mir persönlich besonders am Herzen liegt, dreht sich doch alles um den „Einstieg ins Rollenspiel„. Einige Blogger waren schon recht erfolgreich und ich fürchte dem ist nicht viel hinzuzufügen, ich versuche es trotzdem mal.

Martin John hat mir einmal in einer Mail geschrieben, er würde an mir meinen „strukturellen Ansatz“ schätzen und ich habe das erstmal so hingenommen, aber im Prinzip stimmt das – das Hobby „Rollenspiel“ ist mir so wichtig, dass mir sehr daran gelegen ist, dafür zu sorgen, dass es nicht mit „unserer Generation“ ausstirbt. Sollte  ich da mit einigen Ideen richtig liegen, ist das allerdings keine geniale Planung von mir, sondern eher ein glücklicher Zufall – ich versuche hier erstmals eine Struktur in meine Struktur zu bringen:
Ein Standbein könnte auf jeden Fall der GRT werden. In seiner internationalen Fassung dient er vor allem dazu, die Spieler wieder in die Läden zu bekommen, was definitiv ein wichtiges Ziel ist, denn ohne diese „Keimzellen“ wird es das Rollenspiel in Zukunft deutlich schwerer haben. Hier kann man sich Sachen ansehen, erklären lassen, testspielen… Halten wir fest: Erster wichtiger Punkt: LÄDEN!
In der deutschen Fassung, die in exakt 2 Wochen hoffentlich ordentlich rocken wird, geht dieser Ansatz sogar noch etwas weiter, denn hier wurden auch die Vereine eingebunden, die entweder die Läden unterstützen oder wahlweise auch eigene Cons ausrichten. Nächster wichtiger Punkt: VEREINE!

Hand in Hand mit den Vereinen gehen die Conventions der unterschiedlichsten Größen. Auch das sind tolle Orte, an denen Neulinge sich mal dieses „Rollenspiel“ mal unverbindlich ansehen können. In seltenen Fällen wird von diesen Veranstaltungen (gerade den „großen“ wie der RPC) ja auch von diversen Medien jenseits des Faktors „Kuriositätenkabinett“ berichtet, aber zu dem Punkt kommen wir später – verbleiben wir erstmal bei CONVENTIONS!

Die meisten der Produkte, die in den schicken GRT-Paketen schlummern, richten sich nicht an erfahrene Rollenspieler, sondern sind als Einsteigerwerke konzipiert, die auch völlig unbeleckten Neulingen innerhalb weniger Minuten gestatten relativ eigenständig in das Spiel einarbeiten und sofort loslegen können. Nächstes wichtiges Element: NEUE SPIELER!
Gleichzeitig sind wir aber auch bei einem wichtigen Punkt. Je nach Spielvorlieben dürfen Systeme ja gerne komplex und umfangreich sein, aber gerade in den Zeiten von ADHS und Aufmerksamkeitsspannen im Sekundenbruchteilbereich sollten die eben erwähnten Einsteiger zu Beginn möglichst mit regelarmen Spielen in Kontakt kommen, um möglichst viel Spiel in möglichst wenig Zeit erleben zu dürfen. Wie ihre Karriere danach verläuft, ist ihnen ja freigestellt. Sind sie erstmal geködert, können sie sich bei Interesse ja mit weiteren Systemen vertraut machen. Ihr merkt es schon: EINSTEIGERSYSTEME!
Eine ganz, ganz wichtige Rolle am GRT werden aber die Spielleiter vor Ort spielen – und ich hoffe daher sehr, dass die Verlage ihre Demo-Teams ausschwärmen lassen. Warum? Klarer Fall. Mir ist es ja im Prinzip völlig schnurz wer für mich Abenteuer leitet, aber ich bin ja auch fast 40 und ein sehr mutiger Gesell.
Der brave Mittelschichstfamilienvater, der am 2.2 aus Versehen mit seinem Sohn in einem Laden steht, weil der Sprössling sich Magic-Karten kaufen will, wird doch eher verwirrt sein, wenn sein Sohn sich an den Tisch eines durchgeknallten Teufelsanbeters setzt, der den GRT nutzt, um sein neues selbst geschriebenes „FATAL“-Abenteuer zu leiten. Ja, das ist übertrieben, aber ihr wisst, was ich meine.
Nun sollte der Spielleiter aber nicht nur nicht durchgeknallt aussehen, sondern auch noch ein kurzes, aber eindrucksvolles Abenteuer leiten, das in den Neuspielern den Wunsch erweckt, weitere Abenteuer in dieser Art zu erleben. Next step: SOZIAL KOMPETENTE SPIELLEITER!
Mal ganz abgesehen vom GRT, auch online sollten wir Rollenspieler versuchen, möglichst sozial kompetent aufzutreten und nicht nur auf unser gewaltiges Wissen, was unser System angeht zu bauen. Wagt sich ein Neuling in ein Forum mit der klassischen Frage: „Ich habe mir das D&D-Spielerhandbuch gekauft und möchte mir einen Charakter erstellen. Jetzt finde ich aber nicht, wie ich … Könnt ihr mir helfen?“
Mögliche Antworten, die ich in den letzten Jahren zu Tausenden gelesen habe:
„Benutz einfach Google!“
„Herrje, das steht doch auf Seite XXX!“ (immerhin noch mäßig hilfreich)
„Wenn du das schon nicht kapierst, wird das bestimmt nix!“
„Geh doch auf die PRD! Da steht das alles! Jeder Depp kann heutzutage Englisch!“
Tja, alles durchaus legitime Antworten, aber ob das den Neuling ermuntert, der eh schon eine Hemmschwelle überwinden musste, als er sich im Forum angemeldet hat? Ich verzichte hier darauf sinnvolle Antworten vorzuschlagen, da die Leser meines Blogs alle zu den ONLINE SOZIAL KOMPETENTEN ROLLENSPIELERN gehören.
Hand in Hand mit den OSKR geht eine Sache, die jeder OSKR tun sollte – Material für sein Lieblingssystem erstellen und es mit anderen teilen – sei es, dass er es auf einm Blog hochlädt, es in einem Forum veröffentlicht oder an den Verlag herantritt und fragt, ob die Interesse daran haben, es in irgendeiner Form zu veröffentlichen. Rollenspiel kann nur überleben, wenn es frei zugängliches KOSTENLOSES MATERIAL in möglichst großer Menge gibt.
Ich habe sie eben in einem Nebensatz erwähnt – es gibt im deutschsprachigen Bereich eine Menge großer und kleiner Foren. Sie sind die Orte, wo sich Hilfe suchende am ehesten hinwenden – gerade, wenn kein Laden in ihrer Nähe liegt, wo sie direkt bei Gleichgesinnten nachfragen können. Ich beobachte hier zunehmend die Tendenz sich einzuigeln und mit den Usern zufrieden zu sein, die ohnehin angemeldet sind – schade eigentlich, ist doch jeder neue Spieler – gerade einer, der so viel Engagement aufringt, sich in einem Online-Forum zu registrieren – ein potentieller Vervielfältiger unseres Hobbys. Wichtig also, die FOREN!
Ein Element (wahrscheinlich sogar das Wichtigste) habe ich bisher ganz aus meinen Überlegungen herausgelassen. Ohne die Verlage, die sich zu HARTZ IV-Bedingungen mühen, uns monatlich neues deutsches Material zu präsentieren, würde der ganze Laden auch nicht laufen. Nur mal so nebenbei – ich würde tippen, dass in Deutschland etwa 10-15 komplett vom Rollenspiel leben können (dieses „komplett“ schließt schonmal die Jungs und Mädels von Heidelberger und Pegasus aus, die ja eher „in Brettspielen machen“). Alle anderen sind zwar vielleicht „erfahrenere“ Autoren als Alrik-Normal-Leser, dennoch sollte man als Fan nicht immer sofort Köpfe fordern, wenn einem ein Abenteuer nicht gefällt, denkt dran, der Autor ist mit ziemlicher Sicherheit genau so ein Fan wie du – und das, was er damit verdient hat, reicht vermutlich nicht dazu, sich den nächsten Ferrari in die Garage zu stellen.
Mal weg von den Autoren – auch der gesamte Verlag kalkuliert äußerst knapp und JA! Mich nervt ein vergeigtes Lektorat auch sehr. Irgendwie habe ich aber im Laufe der Jahre gelernt, etwas darüber hinwegzulesen. Das führt übrigens – nebenbei bemerkt – zu einer Sache, die ich in sämtlichen Bereichen als äußerst wichtig ansehe: „Weniger meckern – mehr machen!“ 
Zurück zu meinen wichtigen Elementen – klaro, hier breche ich eine Lanze für die VERLAGE!
Eine letzte Sache, die noch wichtig ist – das Rollenspiel muss irgendwie „sichtbar“ sein, also nicht nur dort wahrgenommen werden, wo ohnehin nur Rollenspieler verkehren, irgendwie muss es gelingen in den „Mainstream“ einzubrechen. Sei es durch Artikel in der Buffed oder anderen Computer/Video-Spielezeitschriften, durch die Videos wie die von Nico und Mhaire, die ihre Orkenspalter TV-Sachen mittlerweile auch bei PCGames.de veröffentlichen. Meine Hoffnung gründet sich hier auch auf Vor- oder Nachberichte des GRT in Tageszeitungen, Dorf-Mitteilungsblättchen oder bei Stern-TV. Das letzte Element meines kleinen Setzkastens heißt ÖFFENTLICHKEIT!
… das war jetzt alles ziemlich spontan runtergeschrieben, ich denke man könnte es sicher noch besser strukturieren und es gibt sicher weitere wichtige Elemente, vielleicht fällt euch ja noch etwas ein…
Schöner Artikel! Aber was soll die bescheurte Überschrift??? Für Leute, die noch weniger zwischen den Zeilen lesen können als ich selber, sei kurz geklärt: Ich denke, dass man in jedem einzelnen Element die Einstiegshürden für Einsteiger möglichst senken sollte! Word!

4 Gedanken zu „[Karneval] Helft den kleinen Schnauselbärchen!“

  1. Schöner Artikel – zu einem Punkt hätte ich aber etwas hinzuzufügen. Du schriebst:
    >>> gerade in den Zeiten von ADHS und Aufmerksamkeitsspannen im Sekundenbruchteilbereich sollten die eben erwähnten Einsteiger zu Beginn möglichst mit regelarmen Spielen in Kontakt kommen <<<

    Und hier würde ich gern als Denkanstoß geben, dass die typische SMS-ADHS-SocialNetworkCommunicationOnly-Jugend zwar vielleicht eine große, aber sicher nicht die primäre oder gar ideale Zielgruppe des Neurollenspielererwerbs sein sollte.
    Im Gegenteil, ich denke eher, dass das Rollenspiel zu den Leuten kommen sollte, die heute eine ähnliche soziale Rolle haben wie vielleicht auch mancher von uns vor zehn oder zwanzig Jahren: die des eher nerdigen, aber intelligenten und interessierten, vielleicht in einer gewissen sozialen Außenseiterrolle stehenden jungen Menschen. Das ist nicht derjenige, der sich mit einem Minimalsystem zufriedengibt, oder den man damit überhaupt begeistern kann, weil er vielleicht auch etwas regeltechnisch komplexes lieber hätte als ein Schnellstart-System.
    Das Problem sehe ich eher darin, dass Rollenspiel in der Öffentlichkeit praktisch nicht präsent ist, und der junge Mensch, der vor fünfzehn Jahren im Spielwarengeschäft durch Zufall auf eine DSA-Box stoßen konnte, heute seine Zeit (mangels Wissen um Alternativen) wahrscheinlich eher vor dem Computer verbringt.
    Heißt: Zeigt den Leute nicht nur, wie man mit möglichst wenig Aufwand drei Stunden Spaß haben kann, sondern dass mit etwas Engagement noch viel mehr möglich ist!

    tl,dr: ich denke, die junge ADHS-Klientel (um sie mal provokant so zu nennen) ist keine dauerhafte Stütze für das Hobby allgemein.

  2. Insgesamt eine schöne Analyse und stimmt, die OSKR sind ein wichtiger Punkt, da kann sogar ich mal wütend vorm Bildschirm werden …

    @ADHS: Ich glaube, Moritz meinte eher den generellen Trend bei Jugendlichen zu kurzen Aufmerksamkeitsspannen, die natürlich auch am jeweiligen Umfeld liegen, zu 90% der Sendungen auf RTL II braucht man ja nur die Aufmerksamkeitsspanne eines DSA-Goblins, um da mitzukommen. Will sagen, Ursache sind ja nicht unbedingt die Jugendlichen, sondern eher die heutige Umwelt.

  3. Hmm evtl. fehlt da noch SCHULE, NACHMITTAGS-AG, PÄDAGOGIK, KREATIVITÄT, SPIELBÜCHER, ENGLISCH, MATHE, DEUTSCH, NICHT-DIGITALES SPIELEN, BRETTSPIELE… AB 10 JAHREN. 😉

  4. @Andreas: Also in meiner derzeitigen Runde spiele ich seit etwa 5 Jahren (unter anderem) mit 4 ehemaligen Schülern zusammen, die keine Abitüre, keine Doktorentitel und nix Besonderes haben. Einfach 4 ganz normale Jungs, einer auch mit ADHS – nur für's Protokoll – die schon einiges an Begeisterung an andere weitergegeben haben. Denen hättest du dieses schicke Hobby vorenthalten wollen? Ein etwas merkwürdig elitärer Ansatz, oder?

    Und ich war auch als ich mit Rollenspiel anfing kein witziger Außenseiter, sondern ganz stinknormaler Schüler mit Ehrenurkunde auf dem Sportfest, Volleyballer und Rheinland-Meister im Judo. Nicht unfassbar klug, nicht unfassbar beliebt oder unbeliebt…

Kommentare sind geschlossen.