Rollenspielen wie Praios in Frankreich!

Vielleicht habt ihr es ja schon in der Wiki-Aventurica-Eintragung gelesen oder ihr gehört zu den ca. 34949 Millionen Menschen, denen ich das Anekdötchen in irgendeinem Chat oder „in natura“ erzählt habe, aber ich habe 2 (oder sogar 3) Jahre lang DSA gespielt und es für ein französisches Spiel gehalten.
Zu dieser Zeit habe ich immer meine Sommer- und Weihnachts-Ferien bei meinem Freund Arnaud in Paris (beziehungsweise den Sommer an der Côte d’Azure oder in Biarritz) verbracht und wir haben gerade im Winter ziemlich viel Rollenspielkram getestet und gespielt.
Ich hatte D&D angeschleppt, aber ziemlich cool war auch „MéGa„, eine Art französisches Traveller, das wir auch bis zum Umfallen gespielt haben. Als Konkurrenz zu D&D bot sich schnell ein sehr klassisches Fantasy-System an, das zwar weniger Monster, weniger Schätze, weniger Bling-Bling und überhaupt weniger Weniger zu bieten hatte, aber wir hatten die paar D&D-Abenteuer, die ich besaß schnell durch und für das Konkurrenzprodukt „L’Oeil Noir“ gab es noch etliche Abenteuer, die wir noch nicht kannten.
Überhaupt war „L’Oeil Noir“ so zwischen 1985 und 1987 ein ziemlicher Abräumer in Frankreich (toller Artikel aus dem Jahr 2008 hier) – ich würde fast behaupten wollen, dass es das Nummer 1-Rollenspiel war – nach D&D natürlich, das es in Frankreich sogar schon ein paar Jahre länger gab als in Deutschland – hier wurde nämlich schon die Moldvay/Cook-Variante von 1981 übersetzt, nicht erst Mentzer von 1983. Klarer Fall, dass ich deswegen davon ausging, dass es eine französische Produktion sein muss.
Der Erfolg lag wohl darin begründet, dass der damalige Verlag Gallimard die Vermarktung absolut generalstabsmäßig plante und durchzog. Gallimard hatten in ihrem Programm schon die in Frankreich unfassbar beliebten und erfolgreichen „Livres Dont Vous Êtes Le Héros“ sprich: „Abenteuerspielbücher“.
Unter einem Dach gab es so den Einsamen Wolf, die Fighting Fantasy-Reihe, die Kreta-Abenteuer… Alle Bücher erschienen als Taschenbücher im gleichen Format und in der gleichen „corporate identity“. Unterscheiden konnte sie man an einem kleinen Symbol, das sich auf dem Cover und auf dem Buchrücken wiederfand. So hatte man auch im Regal jederzeit den Überblick welches Buch zu welcher Reihe gehörte und die Sammler (die es auch damals schon gab) hatten eine perfekte und gut strukturierte Bücherwand im Wohnzimmer. So hatte der Einsame Wolf einen Wolf, die Fighting Fantasy-Reihe (in meiner Erinnerung) ein Schwert und einen Schild und die Kreta-Althéos-Saga einen Minotaurenkopf.
Was machen die Füchse von Gallimard also? Sie bringen DSA, das ja auch etliche Solo-Abenteuer zu bieten hat, einfach in dieser Reihe heraus, im gleichen Taschenbuchformat und mit einem Auge als Symbol, zwecks geschmeidiger Einordnung in die Systematik. Okay, die Regeln kamen in schweren Plastikboxen daher, aber die eigentlichen Regelbücher waren die gleichen praktischen Taschenbücher, die man direkt ins Regal einsortieren konnte. (Faszinierenderweise geschah das Gleiche mit dem Pendragon-System), das habe ich auch noch irgendwo auf dem Speicher.)
An Regeln erschienen die Regelwerke der 1. und 2. Edition sowie die Werkzeuge des Meisters sowie die beiden Schwertmeister-Boxen. Dazu gab es als Setting die Havena-Box und insgesamt 24 Abenteuer, die in 4 „Staffeln“ unterteilt waren.
Die bis dahin erschienen Abenteuer hatten auch noch irgendwie etwas Mediterran-Wildes, ein inneres Chaos, einer nicht komplett entwickelten Welt, sondern sie waren ganz einfach entstanden, indem irgendein Autor irgendwo ein Abenteuer mit einem Thema, auf das er gerade Lust hatte, schreiben konnte. Okay, es gab natürlich einen groben Überblick über die Welt, aber das generalstabsmäßig geplante teutonische Gartenzaun-Spielgefühl kam dann erst im Laufe der Jahre dazu und da war DSA schon in Frankreich kein Thema mehr.
Sollte jemand Französisch beherrschen – auf dieser Seite kann man sich nicht nur zu allem möglichen Kram informieren, man kann auch die französischen Regeln von DSA 1 (und in geringem Maße 2) herunterladen – ebenso wie alle erschienenen Quellenbücher und Abenteuer…
Ach ja, ich denke ein Anekdötchen im Anekdötchen habt ihr euch schon noch verdient: Genialerweise ist im Französischen „gobelin“ und „gobelin“ identisch. Nicht nur von der Schreibweise, sondern auch von der Aussprache her. So war es immer bei einem Raum mit einem „gobelin“ im Vorlesetext äußerst wichtig, schnell herauszufinden, ob der einem gerade mit gezogenem Schwert ins Gesicht sprang oder brav an der Wand hing und die Geschichte der königlichen Familie darstellte.
… sollte irgendjemand eine Ahnung haben warum das französische DSA so plötzlich „starb“ (kann ja eigentlich nur was mit Lizenzproblemen zu tun haben, oder), immer raus damit. Thomas Römer, ich blicke da hoffnungsvoll in deine Richtung…
Grasi…?
… irgendwer…?

2 Gedanken zu „Rollenspielen wie Praios in Frankreich!“

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