[Rezension] Myranor – Jäger und Beute

Myranor – Jäger und Beute

Autoren: Matthias Freund, Tilman Hakenberg, Lena Kalupner, Matthias Klahn, Mhaire Stritter, Fabian Talkenberg, Uli Lindner (Redaktion)
Layout: Ralf Berszuck
Verlag: Uhrwerk Verlag
ISBN: 978-3-942012-41-6
Format: 112 Seiten, Hardcover, A4,faltbare Farbkarte
Preis: 25 Euro
 Diese Anthologie umfasst 4 Abenteuer, die sich jeweils mit je einer Kreatur befassen, die im Codex Monstrorum vorkommt:

ACHTUNG! Voll die Spoiler, Alder!

Der Korallengarten (Mhaire Stritter)
Im „Warmmacher-Abenteuer“ ist ein Gischtwurm in den Besitz eines wichtigen Leuchtturmsteins gelangt. Jetzt heißt es „nur noch“ den Stein wiederzubeschaffen.
Zuerst wird in der kurz beschriebenen Hafenstadt Panthyrsa nachgeforscht was wo und wie und überhaupt… los ist. Sehr schön sind hier die einzelnen in gebotener Kürze geschilderten Orte, die jeweils mit bestimmten Gerüchten/Informationen verbunden sind, die man dort erhalten kann. Auch muss (sollte) man hier schon eine von zwei Seiten wählen, für die man diesen Auftrag in Angriff nehmen muss – das hat spätestens am Ende des Abenteuers dann tatsächlich auch eine Konsequenz.
Nachfolgend muss man es mit einer Gruppe heimatvertriebener Hippocampir aufnehmen und entweder mit oder ohne ihre Unterstützung in den Korallengarten eindringen und es mit dem Gischtwurm aufnehmen und den Stein wieder in den Leuchtturm einsetzen.

Das Abenteuer glänzt mit schönen Details und interessanten Szenen wie der Kommunikation mit den Hippocampir, wo jeweils Informationen zu vier verschiedenen möglichen Kommunikationsebenen gegeben sind, um den Spielleiter in diesen Szenen zu unterstützen. Klasse ist auch, dass auf Kleinkram wie Richtungsangaben der Hippos eingegangen wird (kein Nord-Süd, sondern seewärts-landwärts, kein oben-unten, sondern farbwärts-dunkelwärts), was ganz sicher dafür sorgen wird, dass diese Unterhaltungen den Spielern noch längere Zeit „besonders“ erscheinen werden.
Gut gefällt mir auch, dass an vielen Stellen tatsächlich dran gedacht wurde, mehrere Möglichkeiten anzugeben, welche Konsequenzen das Handeln und die Leistungen der Charaktere haben.

Um noch etwas zu meckern, könnte ich als Dungeonologe noch bekritteln, dass im eigentlichen Korallengarten an Gegnern eigentlich nur Haie rumschwimmen, was auf die Dauer nicht allzu abwechslungsreich ist, aber das ist echt Kleinkram, den ich an einem absolut soliden und ganz sicher gut funktionierenden Abenteuer rummeckern möchte.

Ein guter Start in die Anthologie, auf zu…

Albtraum des Todes (Matthias Freund / Lena Kalupner)
Ein Blick auf die letzte Seite dieses Abenteuers zeigt, dass auch dieses Abenteuer nichts mit dem Cover und der amtlichen Einhornbestie zu tun hat, denn der hier gezeigte Albschmeichler sieht aus wie eine Mischung aus Teddy-Bär und nach 0:00 gefüttertem Gremlin.
Augenscheinlich sind die kleinen Schnauselbärchen, die Unvorsichtige mit ihren nächtlichen Schreien in den Tod reißen (GEILOMAT! Die haben Kontaktgift am Fell!!!) schuld an etlichen Todesfällen im Armenviertel von Arx malarios, aber blickt man erstmal hinter den Vorhang, sieht man, dass da noch mindestens eine weitere Zwiebelschale hinter verborgen ist. (Herrje, habe ich die beiden sprachlichen Bilder geschmeidig miteinander verquickt!)
Zwei Detektiv-Abschnitte (mit tatsächlich allen benötigten Infos und Begegnungen mit einem Frankenstein-Neristu und einem Grolmur, der für Geld auch seine Oma an den Papst verkaufen würde) führen dann zu einem Finaldungeon, in dem man dem fiesen Nekromanten Dargunor den Garaus machen kann. Gut gefällt mir, dass das Abenteuer nach dem Tode des Nekromanten nicht beendet ist, sondern auch noch offene Handlungsstränge aufgegriffen und zu einem Ende geführt werden. Brav mitgedacht.

(Die Illu mit dem Nekro und einem Schmeichler auf dem Arm auf Seite 55 ist so unfassbar Blofeld-trashig, dass ich schwanke, ob die toll ist oder unfassbar unterirdisch…)

Schick! Zwei Abenteuer, zwei Dungeons am Schluss. Und beide nicht ganz schlecht. 😉

Die Herrin des Waldes (Fabian Talkenberg)
Faszinierend! Auch Abenteuer Nummer 3 endet in einem Dungeon – und alte Minen mag ich sowieso gerne. Der Weg dorthin führt per Hexfeldkarte durch das Jagdgebiet einer Han’kro – endlich habe ich das Monster vom Cover ausgemacht! Der ursprüngliche Auftrag besteht darin, herauszufinden, wo die Optrilith-Lieferungen aus besagter Mine abbleiben, aber schnell entwickelt sich die Nummer zu einem schicken Katz- und Maus-Spiel, wenn der Meister sein „Karten geschickt ausspielt“.
Sehr gut gefällt mir auch die Möglichkeit zwischendurch die Seiten zu wechseln und statt der Herrscher über Xarxaron die schwache Rebellion zu unterstützen – was dann den bisher verfolgten Auftrag nichtig machen würde. Gut, dass man zu dem Zeitpunkt des Abenteuers sowieso alle Hände voll zu tun hat, am Leben zu bleiben.
Selten habe ich es bei DSA-Abenteuern gesehen, dass auch regeltechnisch mit Ressourcen gearbeitet werden kann – aber hier kann man am Eingang der Mine eine Manuballista wieder reparieren kann, die eventuell im Kampf gegen die Han’kro nützlich sein könnte.
Auch das frei bereisbare Tal gefällt mir echt gut, denn nicht nur auf dem direkten Weg gibt es (neben den Zufallsbegegnungen) feste Begegnungen, sondern auch abseits des Weges liegen einige interessante Punkte, die von Gruppen besucht werden können, wenn diese sich in die Büsche schlagen.

Steppenherrscher (Tilman Hakenberg / Matthias Klahn)
Na, das ist doch nach meinem Geschmack! Es wird eine Spielumgebung vorgestellt, es gibt (möglichst) genaue Rahmenbedingungen und einen klaren Auftrag. Wie dieser Auftrag nun ausgeführt wird, liegt ganz in der Hand der Spieler. So dürfen Abenteuer gerne sein.
Konkret soll eine Gruppe erfahrener Helden (5000-10000 AP) auf Großwildjagd einen Kyalach in ihre Gewalt bringen – ihr wisst schon – diese monströsen Tausendfüßler, auf deren Rücken die Ban Bargui-Stämme leben…
Das Abenteuer ist in sich wirklich gut durchdacht und neben einer (minimalen aber gut funktionierenden) Ressourcenverwaltung für die Organisation der Großwildjagd werden noch zwei Möglichkeiten vorgestellt wie das Abenteuer geschafft werden könnte, die aber explizit nicht die einzig möglichen Varianten darstellen sollen. Zusätzliche Tiefe erhält das Abenteuer durch bisher nicht so genau definierte Informationen zu den kyalach.
Ich denke mal das sollten ziemlich sichere 5 Punkte im DSA4-Forum sein, wenn die einzelnen Abenteuer dort ihre Threads erhalten, wobei ganz sicher keines der Abenteuer schlechter ist als 3,5/4 Punkte.

Sprachlich und vom Lektorat her gibt es wenig zu meckern – ich habe ein paar vergeigte „dasse“ gefunden und insbesondere der Korallengarten liest sich wirklich gut.

Zwar zähle ich mich nicht zu den Traveller- und DSA-typischen Lesebandfetischisten, aber ich muss zugeben, dass das Teil in orange schon sehr nett aussieht – und in diesem Fall ist „nett“ nicht die kleine Schwester von „Scheiße“.

Schickes Gimmick ist die faltbare Karte, auf der man die Karten, die auch nochmal als kopierbares Handout am Ende des Buches abgedruckt sind, auch in farbig vorliegen hat. Hoffen wir, dass das in Zukunft zum Myranor-Standard wird. Man kann sowieso allen Holzum-Karten attestieren, dass sie wirklich schön sind und Ambiente und Hintergrund super unterstützen.

Fazit: Der Sternenpfeiler ist erschienen. Die aktuellen Abenteuer sind wirklich gut – Myranor ist auf dem richtigen Weg!