Müssen Begegnungen ausgewogen sein?

Zuerst möchte ich mich für den Gebrauch des neumodischen Wortes „Begegnung“ entschuldigen, aber mir fiel gerade nichts Kurzes und Prägnantes für die Überschrift ein – ihr wisst zumindest, was ich meine.

Zur Frage und somit zur ersten „echten“ Seifenbox-Rede: In einem Forum bei wer-kennt-wen und später bei rpgs-info wurde – inspiriert von meinem Abenteuer „Fortress of the Mountain King“ die Diskussion losgetreten, ob alle Situationen und Interaktionen in einem Abenteuer ausgewogen, bzw. für die Charaktere „schaffbar“ sein müssen.

Meine Position dazu ist ganz klar: NEIN! Das müssen sie nicht! Es gehört einfach zu einem guten Rollenspiel, dass die Spieler (und somit auch die Charaktere) lernen müssen, dass sie, wenn sie als Hanseln der 1. Stufe einem Drachen begegnen, diesen nicht zwangsläufig besiegen können.

In meinen Augen ist es ein wichtiger Lernprozess zu erkennen welchen Kampf ich gewinnen kann und wo ich einfach Fersengeld geben muss und froh sein kann, mit dem Leben davon gekommen zu sein. (Vielleicht kann ich ja zu einem späteren Zeitpunkt besser ausgerüstet einen zweiten Anlauf machen.)

Wird das Spiel nicht langweilig, wen die Spieler wissen, dass das ganze Abenteuer auf sie zugeschnitten ist und sie jedem Gegner zumindest ebenbürtig sind? Ich habe zwar seit langen Jahren nicht mehr selber gespielt, da ich zum ewigen Leiten verdammt bin, aber ich würde mir schlichtweg verar***t vorkommen, wenn ich alles babybreigleich mundgerecht serviert bekäme..

19 Gedanken zu „Müssen Begegnungen ausgewogen sein?“

  1. Ich habe es schon gesagt und ich wiederhole es gerne: was du sagtst wäre *theoretisch* richtig und sinnvoll, wären folgende Grundvoraussetzungen gegeben:
    a) jeder Gegner ist sofort als „schaffbar“ bzw. „nicht schaffbar“ zu erkennen und
    b) es ist ohne weiteres möglich sich aus aussichtslosen Kämpfen zurückzuziehen.

    Da beides (zumindest bei D20 und vielen old-school Systemen) nicht gegeben ist, ist Balancing vielleicht gar nicht soooo verkehrt.

  2. Wieso „theoretisch“? Ich spiele seit 25 Jahren Rollenspiele und bisher hat sich noch kein Spieler beschwert, wenn einer seiner Charaktere ins Gras gebissen hat. Okay – Charakterbogen zerknüllen und in die Ecke werfen ist logischerweise Standard!

    Dann stirbt eben ein Charakter der ersten oder zweiten Stufe, wenn die spieler unbedingt einen Drachen angreifen müssen. Beim nächsten Mal werden sie daran vorbeischleichen – Lektion gelernt.

  3. … aber das führt mich zu einem weiteren interessanten Punkt: will ich als Spielleiter die Spieler oder die Charaktere herausfordern? dazu kommt demnächst die nächste Seifenkiste!

  4. Meiner Ansicht nach eben nicht!

    Wenn nun einmal im finsteren Wald eine Horde Oger wohnt, die den vier Anfängercharakteren begegnet, dann sollten diese doch so clever sein, sich vom Acker zu machen und nicht davon ausgehen, dass „die Begegnung schon ausgewogen sein wird“, um sich eifrig ins Gefecht zu stürzen.

    In meinen Spielen lernen die Spieler schnell, dass sie nicht alles zu jedem Zeitpunkt schaffen können. Ein geordneter Rückzug und spätere Rückkehr (eventuell viiiiel spätere) sind durchaus übliche Handlungen.

    Das hat bisher noch nie jemand als „unfair“ bezeichnet.

  5. Nehmen wir einmal an ein Drache kommt auf dich zu.
    Was wäre die logische Konsequenz? Klar, weglaufen! Die Beine in die Hand nehmen und die eigene Erststüfler-Haut retten!
    Aber als *Spieler* weiß ich, dass das eh nichts bringt. Der Drache ist nämlich (entgegen aller Logik) viiiiiel schneller als man selber. Also hat man die Wahl zwischen "Weglaufen (und Sterben)" oder "Kämpfen (und Sterben)".
    Folglich keine wirkliche Wahl.

    Dazu kommen noch Monster, die man nicht sofort als Bedrohung erkennen *kann* (Doppelganger z.B.) und daher falsch einschätzt.

    Ich sage nicht, dass die Monster gebalanced sein sollten und auf die Fähigkeiten der SC zugeschnitten, aber die WELT sollte es schon sein- es sollten "checks & balances" existieren, die verhindern, dass die SC mal "einfach so" auf einen Drachen treffen. Meine Meinung.

  6. Ein Drache ist natürlich immer ein fieses Beispiel, aber ich bin ja selber daran schuld, da ich damit angefangen habe.
    Logischerweise ist ein Drache für niederstufige Charaktere nicht zu besiegen UND man kann nicht vor ihm fliehen, da er definitiv schneller ist.

    Aber es ist doch meine Welt als Spielleiter – wenn die Spieler sich vor Angst in die Hosen pinkeln, hat der Drache vielleicht Mitleid und lässt sie gehen.

    Oder sie haben gute Argumente…
    … vielleicht können sie ihm ja einen Gefallen tun, damit er sie vorerst verschont.

    Oder er ist gerade ohnehin nicht hungrig.

    Oder er lässt sich auf einen Rätselwettkampf ein.

    Oder sie können ihr Leben tauschen gegen Geld, Gegenstände oder ähnliches.

    Oder sie haben eine gute Idee, wie man ihn ablenken kann, damit die Flucht doch gelingt.

    Warum also sollten meine Stufe 1-Würmchen also NICHT auf einen Drachen stoßen können, der sie mit einem Happs verspeisen könnte? Sind die Spieler clever, wird sich bestimmt ein Türchen für sie öffnen.

  7. Richtig, in diesem Fall liegt es ganz einfach am Spielleiter.

    Diese Art von Rollenspiel erfordert natürlich Vertrauen von den Spielern in den Spielleiter, ebenso wie andersherum.

    Und zwar nicht das Vertrauen: „Wir überleben sowieso, weil alle Begegnungen auf uns zugeschnitten sind“, sondern das Vertrauen in eine gut erzählte Geschichte, welche dann bestimmt nicht beendet wird, wenn ich als Spieler mein Köpfchen gebrauche, oder wahlweise die Fähigkeiten meines Charakters sinnvoll einsetze.

    P.S.: Diese Diskussion macht mir wirklich Spaß, freut mich, dass ihr euch mit dem Problem beschäftigt, selbst wenn ihr völlig anderer Meinung seid.
    Vielen Dank!

  8. @Moritz: genau das meine ich mit „die Spielwelt balancen“. Der SL trifft Entscheidungen, die dafür sorgen dass die SC zumindest die *Chance* haben zu überleben (z.B. indem der Drache gute Laune hat, eine enge Höhle in der Nähe ist in die er den SC nicht folgen kann usw.).

    Natürlich kann und sollte er sie nicht „retten“, wenn sie aufgrund eigener Entscheidungen ihr Leben aushauchen, aber er sollte es auch nicht als seine Aufgabe ansehen, die Spieler auf Teufel komm raus umzubringen.

  9. Wie ärgerlich! 😉 Dann sind wiruns ja einiger, als es den Anschein hatte.

    Wobei nur noch der „rollenspielphilosophische“ Ausgangspunkt ein unterschiedlicher ist.

    In dem von mir vorgestellten Szenario ist die Welt nicht auf die Spieler ausgerichtet, die Spieler müssen sich nach der Welt ausrichten, in der sie leben.

    … Klasse! Die letzten Sätze haben mir schon das Thema der morgigen Seifenbox-Predigt eingegeben.

  10. Ausgewogene Begegnungen bedeuten nicht, dass man das Szenario in jedem Fall überlebt.

    Aber dass man mit gutem Spiel und nicht zu viel Pech eine gute Chance hat, siegreich zu sein.

    ———
    Moritz:

    Richtig, in diesem Fall liegt es ganz einfach am Spielleiter.

    Diese Art von Rollenspiel erfordert natürlich Vertrauen von den Spielern in den Spielleiter, ebenso wie andersherum.
    ———

    Mit "Man muss Vertrauen haben." ist ein Totschlagargument mit dem man auch rechtfertigen kann, dass in DSA Abenteuern den SCs alle Nase lang die Ausrüstung gestohlen wird, um die Spieler besser gängeln zu können.

    Ich vetraue meinem D&D Spielleiter. Ich vertraue ihm, dass er die Herausforderungen fair gestaltet, und seine taktischen und strategischen Fähigkeiten voll einsetzt, um sicherzustellen, dass wir Spieler die XP auch wirklich verdienen.
    Und ich vertraue auch darauf, dass er uns nicht einfach mit einem Drachen in die Ecke drängt, um uns dann großzügigerweise mit einem Handwinken wieder laufenzulassen.

    Ich vetraue auch meinen anderen SLs, deren Hauptaufgabe ist es aber nicht Begegnungen zu gestalten. 😉

  11. Was wird denn hier immer auf dem armen Drachen herumgeritten?

    Es fängt doch schon auf kleinerer Ebene an. Gesetzt der Fall eine Gruppe mickriger 1. Stufe Kerlchen landet in einem Koboldlager (und wir alle wissen, dass viele Kobolde des Helden Tod sind) erwarte ich von einer guten Spielergruppe einfach, dass sie nicht metzeln in das Lager einmarschiert, sondern sich entweder zurückzieht, oder das Ganze strategisch angeht.

    In dem Fall lebt dort einfach ein Koboldstamm, den will ich nicht für die Charaktere wegdiskutieren oder verschwinden lassen. Jetzt liegt es an den Spielern was sie tun sollen, niemand erwartet von ihnen, mit blankem Messer auf ein ganzes Dorf loszuziehen. Die „Begegnung“ mit dem Kobolddorf ist also nicht dazu geplant „gelöst“ (nach Art des Conan) zu werden.

    Vermutlich haben sie auch gar keine Chance die Schlacht zu überleben, also sollten sie abwägen, was zu tun ist.

    Alles was ich will, ist, dass die Spieler nicht das Gefühl haben, „diese Welt ist nur für mich da, ich kann also alle Probleme lösen.“

  12. Zur Klarstellung. Nicht jedes Ding der Welt, sondern jede fürs Szenario relevante Begegnung muss überwindbar sein. Und man muss auch nicht jedes Hindernis durch Kampf überwinden können.
    Aber die Spieler sollten eine reelle Chance haben, ein Szenario mit ihren Mitteln lösen zu können.

  13. Interessant wie hier zwei Meinungen aufeinandertreffen und sich dann im Kreis umeinander drehen. (Damit meine ich wirklich „interessant“ – macht mir Spaß.)

    Wahrscheinlich sind wir im Endeffekt von unseren Meinungen her nicht allzu weit entfernt, aber ich konzipiere meine Abenteuer und/oder Welten immer noch so, dass nicht alles „schaffbar“ sein muss.

    Beispiel „Die Festung des Bergkönigs“: Hier ist ein Raum mit einem Otyugh (Otyuck genannt). Dieser ist für Abenteurer der Stufe 1 unter normalen Umständen nicht zu schlagen. Die einfachste Variante wäre: „Huch, der sieht ja fies aus! Lass uns die Tür zuschlagen und abhauen!“

    Sollten die Spieler aber irgendeine gute Idee haben – nur zu! Ich nehme alles dankbar auf.

    Wer gegen einen riesigen Dunghaufen mit fetten Tentakeln kämpfen oder verhandeln will: „Bitte sehr!“

  14. Ausgewogenheit und Balancing funktionieren übrigens auch in die andere Richtung: angenommen die Helden heuern (weil sie aus irgendeinem Grund zuviel Geld haben) einfach 40 fähige Söldner an und walzen dann mit dieser Mini-Armee einfach den Koboldstamm nieder.
    Natürlich wäre es unpassend, plötzlich dem Stamm um das vierfache anwachsen zu lassen, nur damit er den SC Paroli bieten kann, aber andereseits wäre das Abenteuer auch langweilig, wenn die SC so einfach Erfolg hätten. Deswegen baut ein guter SL oft noch etwas ins Abenteuer ein, was auf dem „Niveau“ der Gruppenstärke liegt und eine Herausforderung (=kein geschenkter Sieg, aber auch kein sicherer Tod) darstellt (z.B. einen (jungen) Drachen, welcher in der Nachbarhöhle haust und durch die Kampfgeräusche aufgeschreckt wurde).

    Etwas stört mich der Satz:
    „Huch, der sieht ja fies aus! Lass uns die Tür zuschlagen und abhauen!“
    zum Einen: warum sind Türen für ein so mächtiges Monster ein Hindernis.
    zum Anderen: viele luschige Monster sehen (besonders bei richtiger Beschreibung) *unglaublich* fies aus (z.B. Ankhegs sehen nach deutlich mehr als CR3 aus) und viele hochstufige können leicht unterschätzt werden (ein Athach ist doch im Grunde nicht viel schwerer kleinzukriegen als ein Oger, oder? Und woran erkennt man den Unterschied zwischen einer kleinen Gruppe Ghoule und einer kleinen Gruppe Ghasts?).
    Ich sehe schon ein, dass Rollenspiel die Fähigkeiten der Spieler fordern sollte.
    Das MM auswendig zu lernen gehört (imo) aber eindeutig NICHT dazu.

  15. @“Hier ist ein Raum mit einem Otyugh (Otyuck genannt). Dieser ist für Abenteurer der Stufe 1 unter normalen Umständen nicht zu schlagen.“ – Die DCCs arbeiten ja ähnlich. Ein auf den ersten Blick umschaffbares Moonster wird präsentiert. Aber die SC bekommen z.B. die Chance durch Infosuche eine dicke Schwachstelle zu entdecken oder das Monster ist von einem vorherigen Kampf angeschlagen oder so. Da sind teils recht nette Ideen bei!

  16. @alexandro: Das „Tür zuschlagen“ ist leicht erklärt. Lege dir das Abenteuer zu und du kennst die Antwort auf dein Problem.

    Versprochen! 😉

    Im Ernst: Der „Otyuck“ ist das Kanalsystwm des Bergkönigs! Der wird regelmäßig gefüttert und „wohnt“ in dem Raum, er hat gar kein Interesse daran Leuten hinterherzurennen. Was ihn natürlich nicht davon abhält, an jemandem zu knabbern, der ihm zu nahe kommt.

  17. Ich sehe das ganze eigentlich wie Roland – nicht jede Begegnung muss mit Shock&Awe-Blitzkrieg zu schaffen sein, aber jede Begegnung muss irgendwie schaffbar sein (und wenn man die Begegnung in erster Linie verhindert, etwa in dem man die Drachenspuren richtig deutet, oder das Ritual zur Beschwörung des Großen Alten I'x'no'gut'hhh verhindert).

    Natürlich muss der Spielleiter dazu zuarbeiten und den Spielern brauchbare Möglichkeiten geben, die Gefahren richtig und frühzeitig einzuschätzen.

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